Experten: "Desolater Zustand" Die NPD ist ganz unten

Berlin (RPO). Die NPD befindet sich in einem desolaten Zustand. Nach Strafzahlungen wegen Mängeln im Rechenschaftsbericht ist die Partei finanziell geschwächt. Die geplante Fusion mit der DVU ist zunächst gescheitert. Außerdem hat die NPD Mitglieder verloren und blieb bei allen Landtagswahlen in diesem Jahr unter fünf Prozent. Nach Ansicht von Beobachtern fehlt den Neonazis eine charismatische Führungsfigur. Zudem sorge ein Streit über den politischen Kurs für innerparteilichen Streit.

Nach Ansicht des Extremismus-Experten Eckhard Jesse von der Technischen Universität Chemnitz stellt die NPD angesichts ihres Zustandes zurzeit "keine ernsthafte Gefahr für die Demokratie" dar. "Ich warne davor, die Propaganda-Behauptung der NPD, sie sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen, für bare Münze zu nehmen", sagte Jesse der Nachrichtenagentur dapd.

In den einzigen Parlamenten, in denen die Partei noch vertreten ist - Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern -, hätten die NPD-Abgeordneten nichts bewegt. Der Vorsitzende Udo Voigt sei angezählt. Ihm fehle ein populäres Thema, sagte Jesse. Voigt könne organisieren, sei aber kein guter Redner und habe kaum Charisma.

"Sächsischer Weg" contra "Deutscher Weg"

Gleiches gelte für den als möglichen Nachfolger Voigts gehandelten Vorsitzenden der sächsischen NPD-Landtagsfraktion, Holger Apfel. Dessen sogenannter "sächsischer Weg" sehe vor, aus taktischen Gründen auf praktische Themen der Gegenwart zu setzen. Apfel gilt damit als innerparteilicher Gegenpol zu Voigt, dessen Strategie als "deutscher Weg" bezeichnet wird und sich stärker an klassischen Themen der Rechtsextremen orientiert.

Nach Niederlagen in Hamburg, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bremen müsse die Partei auch um den Wiedereinzug in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern im September fürchten, sagte Jesse. "Wenn die NPD dies nicht schafft, hat auch der dortige Fraktionsvorsitzende Udo Pastörs keine Zukunft", sagte Jesse. Ebenso wie Apfel werden auch Pastörs, der eher zu den Traditionalisten zählt, Ambitionen für den Parteivorsitz nachgesagt.

Der Extremismusforscher Robert Philippsberg von der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität betonte, dass ein verpasster Wiedereinzug in Mecklenburg-Vorpommern auch finanziell ein schwerer Schlag für die Partei wäre. "Die NPD ist sehr auf die staatliche Parteienfinanzierung angewiesen, und die Höhe dieser Beträge hängt bekanntermaßen vom Wahlergebnis ab", sagte Philippsberg.

Der Politikwissenschaftler bezweifelte auch, ob die - im Januar zunächst gerichtlich gestoppte - geplante Verschmelzung mit der rechtsradikalen DVU der NPD helfen könne. "Von der DVU würden zwar einige Mitglieder hinzukommen, aber viele sind kaum aktiv", sagte Philippsberg. Problematisch sei auch das Verhältnis der Partei zu den sogenannten "freien Kameradschaften" und den besonders militanten "autonomen Nationalisten". Vor allem die "freien Kameradschaften" seien stark in der Partei verankert. Auch zu den autonomen Nationalisten gebe es keine strikte Abgrenzung mehr. "Die NPD ist vor allem auf die Kameradschaften angewiesen zum Beispiel für Wahlkämpfe", sagte Philippsberg. Die Zusammenarbeit mit den oft militanten Gruppen schade aber dem bürgerlichen Anstrich der Partei.

NPD will weiterhin Demokratie zerstören

Der Politikwissenschaftler Hajo Funke, Professor der Freien Universität Berlin, warnte davor, die von der NPD ausgehende Gefahr zu unterschätzen, nur weil sie zurzeit angeschlagen sei. "Das Rückführungsprogramm der NPD für Migranten ist radikaler als das der NSDAP aus den zwanziger Jahren", sagte Funke. Die Partei wolle weiterhin die freiheitlich-demokratische Grundordnung zerstören.

Die Bemühungen der Innenminister von Bund und Ländern, rechtliche Voraussetzungen ein neues Verbotsverfahren zu prüfen, bezeichnete Funke als sinnvoll. Der verfassungsfeindliche Charakter ließe sich ohne die zurzeit eingesetzten V-Leute feststellen.

Auch der Chemnitzer Extremismusforscher Jesse sagte, die NPD zu verbieten sei angesichts ihres Programmes im Prinzip kein Problem. "Jeder weiß aber, dass das nur geht, wenn die V-Leute abgezogen werden. Vorher aktiv zu werden bringt nichts", sagte Jesse. Er plädierte dafür, die aktuelle Diskussionen zu beenden, da sich bei einem Verbot der NPD andere, möglicherweise besser funktionierende rechtsextreme Vereinigungen gründen würden. "Wir werden mit diesem Bodensatz von Rechtsextremen leben müssen", sagte Jesse.

(AP/felt)
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