Integration und Internetsperren Die neuen Sticheleien der CSU

München (RPO). Gerade hat die Kanzlerin in Ankara die Wogen geglättet, da feuert die CSU die Debatte um Integration und EU-Beitritt wieder an. Doch nicht nur bei diesem Thema sticheln die Bayern mal wieder in Richtung Berlin. Dabei sollte laut CSU-Chef Horst Seehofer eigentlich Ruhe in die Koalition einkehren.

2010: Strahlende CSU-Granden in Wildbad Kreuth
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Mit Blick auf die schlechten Umfragewerte hatte Seehofer erst kürzlich im "Stern" ein Ende der Grundsatzdebatten in der Koalition gefordert. Bei der Bundestagswahl habe die bürgerliche Koalition einen gewaltigen Vertrauensvorschuss erhalten. "Wenn wir diese Chance verspielen, ist das ein Konjunkturprogramm für alle politischen Kräfte links von uns", warnte der CSU-Chef. Doch scheinen sich seine Parteigenossen kaum daran halten zu wollen und sind weiter auf Profilierungskurs.

So sprach sich Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, am Donnerstag gegen türkische Schulen aus. "Das dient nicht der Integration, es verhindert sie", sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Wir wollen in Deutschland keine Parallelgesellschaft, erst recht nicht im Bereich des Bildungssystems."

Dabei hatte sich Angela Merkel (CDU) bei ihrem Besuch in der Türkei noch prinzipiell offen für türkische Schulen gezeigt. "Wenn Deutschland Auslandsschulen in anderen Ländern hat, zum Beispiel in der Türkei, (...), dann kann es natürlich auch die Türkei sein, die Schulen in Deutschland hat", sagte die Kanzlerin. Sie und der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hätten aber auch "Einverständnis erzielt", dass türkische Jugendliche in Deutschland nur dann eine Chance auf Teilhabe hätten, wenn sie die deutsche Sprache wie ihre Muttersprache sprechen.

Gegen EU-Beitritt der Türkei

Auch den EU-Beitritt der Türkei lehnte Müller ab, ebenso wie der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Die Türkei sei "kein Teil Europas" und "islamisch geprägt", erklärte Hermann. Außerdem sei das Land "himmelweit entfernt von den Kriterien, die für eine Aufnahme in die EU gelten". An dem Nein der CSU zum EU-Beitritt der Türkei habe sich auch nach dem Türkei-Besuch Merkels nichts geändert.

Zwar plädierte Herrmann für eine privilegierte Partnerschaft mit Ankara, wie sie auch die Kanzlerin bevorzugt. Doch das dürfte wiederum der FDP bitter aufstoßen. Die hatte erst am Mittwoch ein Machtwort von Merkel gefordert. So kritisierte der FDP-Europaexperte Michael Link, die grundsätzliche Ablehnung des Beitritts durch zahlreiche Vertreter der CDU und CSU stehe nicht im Einklang mit dem Koalitionsvertrag. Denn darin sprechen Union und FDP ausdrücklich von einem "Prozess mit offenem Ende".

Neuer Streit bei Schwarz-Gelb scheint also vorprogrammiert, zumal sich Union und FDP noch immer um eine freiwillige Verlängerung des Zivildienstes zanken. Dabei zeigt gerade der aktuelle Deutschlandtrend, dass die Sticheleien innerhalb der Koalition beim Wähler gar nicht gut ankommen. Schwarz-Gelb sinkt in der Umfrage auf den tiefsten Wert seit 2006. Von Gesundheitsreform über Steuersenkungen bis zu Hartz IV - die Liste der Konflikte ist lang.

Justizministerin im Visier

Auch stichelte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt am Donnerstag erneut in Richtung FDP. Er hat es auf Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und ihr Nein zur Sperrung von kinderpornografischen Internetseiten abgesehen. Im "Münchner Merkur" sagte er, die Ministerin könne nicht "im Alleingang" die Haltung der Bundesregierung festlegen. Dabei hatte sich die Koalition nach der Wahl - wenn auch auf Druck der FDP - für das Prinzip Löschen statt Sperren ausgesprochen, für das die Justizministerin nun weiter vehement eintritt.

Auch wandte er sich wie Müller gegen die von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) geplante Aufnahme von Häftlingen aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo in Deutschland. "So blauäugig kann doch keiner sein, dass wir uns potentielle Al-Qaida-Helfer ins Land holen", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt dem "Spiegel".

Mit der Ruhe in der Koalition ist es also nicht weit her, auch wenn persönliche Angriffe, wie sie Seehofer scharf kritisierte, derzeit eher nicht zutage treten. Doch in wenigen Wochen steht die Landtagswahl in NRW an, und die Umfragewerte fallen stetig. Bis dahin stillzuhalten, scheint den Parteifreunden in Bayern nur schwer zu fallen. Dabei hatte Seehofer selbst noch vor wenigen Wochen in der ARD eingeräumt, dass die Arbeit der Koalition in den vergangenen Wochen "holprig" gewesen sein. Die Bevölkerung kritisiere "mit Recht, dass es bisher zu schleppend ging".

Seehofer versicherte damals zugleich: "Wir holzen nicht - das, was in der Koalition vereinbart ist, wird von uns voll getragen." Doch der im Koalitionsvertrag offene Prozess zum EU-Beitritt der Türkei sowie der Einklang beim Thema Internetsperren scheinen nicht dazu zu gehören.

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