Parteitag in Bonn Linke ringt um gemeinsamen EU-Kurs

Bonn · Die Linke tut sich schwer, viel Gutes über die EU zu sagen. Sie will den Staatenverbund umkrempeln, das ist zum Europa-Parteitag klar. Doch in welche Richtung? Gregor Gysi sieht „keine gemeinsame Auffassung“ gegen Populisten.

 Delegierte der Linken halten Stimmkarten auf dem Parteitag hoch.

Delegierte der Linken halten Stimmkarten auf dem Parteitag hoch.

Foto: dpa/Oliver Berg

Wie viel Kritik verdient die EU? - Die Linke ringt auf ihrem Parteitag in Bonn um ihre Haltung zu Europa. Rund 580 Delegierte beraten seit Freitag drei Tage lang darüber, welchen Kurs die Partei auf dem Weg zur Europawahl am 29. Mai einschlagen soll. Linken-Chef Bernd Riexinger sprach zum Auftakt von einer Richtungswahl. „Wir (müssen) zwischen den Blöcken Macron und Merkel auf der einen Seite und den Rechten auf der anderen Seite eine eigene linke Alternative sichtbar machen.“

Linken-Europachef Gregor Gysi kritisierte die fehlende Einigkeit seiner Partei im Umgang mit rechten Populisten. „Eine Schwäche der Linken ist, dass sie diesbezüglich keine gemeinsame Auffassung hat“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Linke wie er wollten eine internationalistische Antwort. „Und dann gibt es eben auch einen Teil, der meint, wir müssen das Nationale hochholen. Das ist nicht gut.“

Die Europawahl im Mai könnte aus Gysis Sicht dramatisch enden. „Ich glaube, dass die Gefahr besteht, dass wir eine Mehrheit von EU-Gegnern im europäischen Parlament haben werden“, warnte der frühere Chef der Linksfraktion im Bundestag. „Deshalb bringe ich mich auch aktiv in den Wahlkampf ein.“

Der Parteitag soll am Samstag das Programm für die Europawahl beschließen, das den Titel „Für ein solidarisches Europa der Millionen, gegen eine Europäische Union der Millionäre“ tragen soll. Vorher wird eine kontroverse Debatte erwartet. Ein umstrittener Satz, der der EU „militaristische, undemokratische und neoliberale“ Grundlagen zuschrieb, wurde zwar bereits vor Beginn des Parteitags entschärft. Trotzdem gehen die Haltungen zum Thema Europa weit auseinander.

Vertreter des radikalen linken Flügels halten die EU für ein Produkt des Kalten Krieges und für nicht reformierbar. Andere aus dem gemäßigten Reformerlager wollen dagegen sogar eine Republik Europa - und damit viel mehr europäische Zusammenarbeit als bisher. Sozial- und Arbeitsrechte, Steuern und Außenpolitik sollen ihrer Meinung nach europäisch geregelt werden.

Im Entwurf des Vorstands sind einige radikale Forderungen enthalten:

  • Alle EU-Staaten sollen verpflichtet werden, Mindestlöhne von 60 Prozent des Durchschnittsgehalts einzuführen. Für Deutschland würde das einen Mindestlohn von 12 Euro bedeuten.
  • Internetgiganten wie Apple, Amazon, Facebook und Google sollen die gleichen Steuern zahlen wie andere Unternehmen - Profite sollen sie in den Ländern versteuern, in denen es Nutzer gibt.
  • Der Kohleausstieg soll europaweit sofort beginnen und bis 2035 abgeschlossen sein. Auch Atomkraft und Fracking erteilen die Linken eine Absage.
  • Bus und Bahn sollen in der Stadt ohne Tickets funktionieren - finanziert beispielsweise durch Steuern, eine Abgabe ähnlich des Rundfunkbeitrags oder die Umlage auf Unternehmen oder Parkgebühren.
  • Waffenexporte in Krisen- und Kriegsgebiete sollen verboten werden.
  • Die Linke will EU-weite Volksbegehren und -entscheide. Das Europäische Parlament soll selbst Gesetzesprozesse anstoßen dürfen.
  • Spenden von Unternehmen und Lobbyisten an Parteien sollen verboten, die von Privatleuten auf 25 000 Euro im Jahr begrenzt werden.

Zu ihren Spitzenkandidaten will die Linke zwei noch weitgehend unbekannte Politiker wählen: den EU-Parlamentarier Martin Schirdewan (43) und die ehemalige nordrhein-westfälische Linken-Chefin Özlem Demirel (34). Gegenkandidaten gibt es bisher nicht.

Bei der letzten Europawahl 2014 hatte die Linke 7,4 Prozent der Stimmen erhalten - deutlich weniger als bei der Bundestagswahl 2017 mit 9,2 Prozent. Die Partei stellt sieben Abgeordnete im Europaparlament.

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, forderte seine Partei auf, die Europäische Union gegen ihre Gegner zu verteidigen. „Das Ziel der Rechten ist, sich dieses Europa anzueignen, um es zu zerstören“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag). Für die Linke müsse es darum gehen, „die ursprünglich positiven Grundideen, die mit Europa verbunden sind, in den Vordergrund zu stellen: das Friedensprojekt, das kulturelle Projekt, den sozialen Ausgleich“. Der „Rhein-Neckar-Zeitung“ sagte Bartsch: „In Europa tobt ein Kulturkampf von Rechts, die Linke muss ein Bollwerk der Menschlichkeit sein gegen die Kräfte von Rechts.“

Der erste Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, fordert vom Parteitag ein geschlossenes Bekenntnis zur EU. „Wir müssen klar sagen: Wir stehen zu dieser Europäischen Union“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag). „Die EU, die von Rechten und Rechtsradikalen unter Beschuss steht, müssen wir verteidigen.“

(cpas/dpa)
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