Landtagswahlen Linke – Volkspartei a.D.

Dresden/Potsdam · Die Linke hat einst die Unzufriedenen im Osten eingesammelt. Diese Rolle hat sie an die AfD verloren. Zugleich bröckeln die klassischen Milieus der SED-Nachfolgepartei.

 Wahlabend der Linkspartei in Dresden. Die Linken-Politikerin Antje Feiks (l.) steht neben Anhängern ihrer Partei. Das Wahlergebnis nehmen Parteimitglieder und Sympathisanten eher mit Ernüchterung zur Kenntnis.

Wahlabend der Linkspartei in Dresden. Die Linken-Politikerin Antje Feiks (l.) steht neben Anhängern ihrer Partei. Das Wahlergebnis nehmen Parteimitglieder und Sympathisanten eher mit Ernüchterung zur Kenntnis.

Foto: dpa/Peter Endig

Einst war die Linkspartei für Demokraten ein Ärgernis. Sie erbte das Vermögen der SED, verharmloste in Teilen die Diktatur der DDR und stellte unfinanzierbare Forderungen, die sie in populistischer Manier vortrug. Das brachte der SED-Nachfolgepartei, die sich zunächst in PDS umbenannte und nach der Vereinigung mit SPD-Rebellen zur Linkspartei wurde, den Ruf einer Protestpartei des Ostens ein. Als sie in Sachsen und Brandenburg Ergebnisse von 23 beziehungsweise 28 Prozent einfuhr, stieg sie gar zur Volkspartei der neuen Länder auf. Sie war verankert in den Milieus der Ex-DDR und spielte erfolgreich die Rolle des Kümmerers für die auch damals angeblich vom Westen vernachlässigten Ost-Bürger.

Diese Rolle hat sie nach den jüngsten Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg endgültig verloren. Die Linke kam kaum über zehn Prozent in beiden Ländern hinaus. Als einzige der etablierten Parteien verlor sie sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg massiv an Stimmen – praktisch an alle Parteien, auch an die AfD. Prompt sprach Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch von einem „beispiellosen Desaster“, die Abgeordnete Sevim Dagdelen sieht ihre Partei gar in einer „existenziellen Krise“.

Offenbar trifft die ursprünglich im Osten verankerte Linke die Stimmung in Ländern wie Brandenburg und Sachsen nicht mehr. „Die AfD bedient die Zukunftsängste besser als die Linkspartei. Die Linke bietet zwar alternative Lösungen an wie einen besser ausgebauten Sozialstaat. Aber die Bürger im Osten halten das für leere Versprechungen“, meint der Politikwissenschaftler und Professor an der FU Berlin, Nils Diederich.

Just zu dem Zeitpunkt, an dem selbst Konservative die Linke als demokratische Partei anerkennen, verliert sie ihren Nimbus als Volkspartei. „Die Linke gehört längst zum politischen Establishment“, findet auch der Wahlexperte Diederich. Nun treffe auch sie der Verlust an Vertrauen, „der tief sitzt“. Zwar hat die Linkspartei schon früher Proteststimmen an die AfD verloren. Dafür liefen klassische sozialdemokratische Wähler zu ihnen über, die von der SPD und der großen Koalition enttäuscht waren. Diese Gleichung ging bei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg nicht mehr auf. Die Linke verlor selbst an die SPD und konnte kaum Nichtwähler mobilisieren.

Erschwerend kommt für SED-Nachfolger hinzu, dass ihre Milieus in Ostdeutschland bröckeln. Die Partei hat nicht mehr die Präsenz früherer Tage bei ihren Wählern. Vereinigungen und Kreise, die die DDR überlebt haben wie die Gruppen der Deutsch-Sowjetische Freundschaft oder der Volkssolidarität verlieren Mitglieder. Die Westausdehnung hat Kapazitäten der Linkspartei aus dem Osten abgezogen, eine neue politische Mittelschicht aus dem Westen hat wichtige Schaltstellen besetzt. Das führte zu einer Entfremdung zwischen Ost-Bürgern und der Linken.

Auch die zahlreichen Ost-Rückkehrer können mit den Milieus der Linkspartei wenig anfangen. Sie pflegen ihren westlichen Lebensstil auch im Osten. So schwant es selbst Spitzenpolitiker wie Bartsch, dass die Wähler der Linken mehr und mehr aussterben. Was den Zuspruch der der nachfolgenden Altersgruppen betrifft, dürfte es bald keinen Unterschied mehr zwischen westlichen und östlichen Bundesländern geben.

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