Nach der Wahl von Kipping und Riexinger Die linke Angst vor der Bedeutungslosigkeit

Berlin · Die Wahl des neuen Führungsduos zerrt in der Linken an den Nerven. Umso mehr mahnen führende Politiker der Partei am Montag dazu, wieder zur Sacharbeit zurückzukehren. Denn sie wissen genau: Geht der Streit weiter, droht die gespaltene Linke in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Der enttäuschte Dietmar Bartsch hat indes ein Angebot von der SPD erhalten.

Pressestimmen zum Linken-Parteitag
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Foto: RPO

Das Echo in der deutschen Presse nach dem Parteitag der Linken in Göttingen war verheerend. Für die Kommentatoren vieler Tageszeitungen ist am Wochenende einmal mehr deutlich geworden, wie tief die Partei gespalten ist und dass sich die Gräben nicht schnell kitten lassen. So schreibt etwa die "Hannoversche Allgemeine": "Mancher, vielleicht auch Gysi, dürfte diesen Schritt inzwischen bereut haben." Gemeint ist damit der Zusammenschluss der ostdeutschen Linken mit der westdeutschen WASG.

Der "Tagesspiegel" merkt an: "Fakt ist, dass es die gesamtdeutsche Linke auch in friedlicheren Phasen nie gegeben hat." Die "Nürnberger Nachrichten" gehen sogar noch einen Schritt weiter. Dort heißt es: "Man darf davon ausgehen, dass man sich die Namen dieser beiden Linken-Vorsitzenden allein aus protokollarischen Gründen merken muss. Die letzten vor der Spaltung in Ost und West."

Doch von tiefen Gräben innerhalb der Partei will man in der Führungsspitze der Linken im Moment nichts wissen — ganz entgegen der Worte von Fraktionschef Gregor Gysi, der von einer "verkorksten Ehe" sprach und schon im Vorfeld vor einer Spaltung der Partei gewarnt hatte. So sprach etwa der neue Vorsitzende Bernd Riexinger im Deutschlandfunk davon, dass es in der Partei 80 Prozent Gemeinsamkeiten und 20 Prozent Differenzen gebe. Seiner Ansicht nach seien die inhaltlichen Barrieren zwischen den Parteiflügeln überwindbar.

Die Sehnsucht nach der starken Führung

Auch die neue stellvertretende Vorsitzende der Linken, Caren Lay, sieht die ostdeutschen Landesverbände nicht geschwächt — obwohl sich das Lager von Oskar Lafontaine beim Parteitag hat durchsetzen können. "Katja Kipping ist auch eine ostdeutsche Politikerin", sagte sie im ARD-Morgenmagazin. Und alle betonen, wie wichtig es sei, nun zu den Sachthemen zurückzukehren.

Leicht wird das vermutlich nicht fallen, denn gerade in den ostdeutschen Verbänden dürfte der Unmut groß darüber sein, dass — obwohl er selbst nicht zur Wahl stand — Lafontaine noch immer einen so großen Einfluss auf die Partei hat. So groß, dass sowohl Riexinger als auch Kipping glauben, dass Lafontaine eine wichtige Rolle beim Bundestagswahlkampf 2013 spielen könnten.

Das allerdings spricht weniger für den Neuanfang, den sich die Partei eigentlich vom Göttinger Parteitag erhofft hatte. Denn die Linke sehnte sich nach Gesine Lötzsch und Klaus Ernst nach einem starken Führungsduo, dass aus der gespaltenen Partei endlich eine Einheit macht. Schließlich steht die Linke vor einer enormen Herausforderung.

Denn es geht um die Zukunft der Linken auf Bundesebene. In den westdeutschen Bundesländern flog die Partei zuletzt aus einem Landtag nach dem anderen raus. Die Bemühungen um eine Etablierung im Westen sind vorerst gescheitert. Hinzu kommen die Piraten, die als neue Protestpartei gerade im Westen der Linken viele Wähler abnehmen dürften. Und nach einer Umfrage für die Nachrichtenagentur dpa aus der vergangenen Woche glauben auch viele Deutsche nicht, dass es die Partei überhaupt wieder in den Bundestag schafft.

Lachender Dritter: die SPD

Und so sagte auch Riexinger im Deutschlandfunk: "Alle wissen, als ostdeutsche Regionalpartei hätte die Linke auf Dauer keine Chance, weder im Westen noch im Osten." Im Osten allerdings sind die Landesverbände fest etabliert, sitzen wie in Brandenburg sogar in der Regierung. Im Westen dagegen dürfte nach einer Spaltung wenig übrig bleiben von den alten WASGlern.

Genau deshalb werden sich die westdeutschen Verbände nun umso mehr um die ostdeutschen Bemühen, nachdem sie auf dem Göttinger Parteitag so kaltgestellt wurden. Denn zu einer ostdeutsche Regionalpartei zu werden, dürfte ihnen am wenigsten gelegen kommen. Und so sagt jetzt auch Riexinger: "Wir werden ganz sicher an die ostdeutschen Landesparteien Angebote machen und ich glaube, dass wir dann einen wichtigen Beitrag zur Integration leisten können."

Ob dies rechtzeitig genug geschieht, wird sich zeigen.Denn nun rumort es auch im Südwesten. Aus Ärger über die Wahl Riexingers trat der Kreisvorstand Zollernalb am Montag geschlossen zurück. Mit Riexinger als Parteivorsitzenden könne die Akzeptanz in der Bevölkerung als Voraussetzung für Wahlerfolge nicht erreicht werden.

Der Streit in der Partei jedenfalls dürfte vor allem einer Partei zu Gute kommen: der SPD. Die Konservativen innerhalb der Partei umwerben schon mal den gescheiterten Ost-Reformer Dietmar Bartsch. "Ich würde mich sehr freuen, Sie in der Partei begrüßen zu können", sagte der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, "Handelsblatt Online. "Es wäre ein Gewinn für die SPD und für die Politik in Deutschland."

mit Agenturmaterial

(das)
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