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CDU Die letzte Volkspartei

Berlin (RP). Die Christdemokraten haben sich der veränderten Gesellschaft in Deutschland besser angepasst als die SPD. Doch auch ihr Modernisierungskurs ist nicht ohne Risiken - eine Analyse.

Wahlprogramm der CDU/CSU 2017 für die Bundestagswahl im September
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Das Wahlprogramm der Union für die Bundestagswahl

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Foto: dpa, mkx axs

Der stabile Vorsprung der Unionsparteien und ihres bevorzugten Koalitionspartners FDP ist manchen in der CDU-Führung schon unheimlich. "Die Wahl ist noch nicht gewonnen", schärft die CDU-Vorsitzende Angela Merkel ihren Parteifreunden bei jeder Gelegenheit ein. Aber längst gilt es bei der Union als ausgemachte Sache, dass die Partei sich nur noch selbst um den Sieg bringen kann.

Was macht die Partei so stabil, obwohl es an der konservativen und liberalen Basis durchaus kritische Stimmen am Kurs der Vorsitzenden und Kanzlerin gibt? Eine erste Antwort ist die innere Struktur der CDU. In Wahlkampfzeiten folgen die Christdemokraten fast blind ihrer Leitfigur. Selbst schwache Anführer wie der gescheiterte Kanzler Ludwig Erhard oder umstrittene wie der Kandidat Franz Josef Strauß konnten sich auf die Parteimitglieder verlassen, wenn es um das Ganze ging.

Davon profitiert auch Merkel. Die innerparteiliche Kritik schwindet, je näher der Wahltermin rückt. Das ist zwar auch bei anderen Parteien ausgeprägt, jedoch schwächer als bei der Union. Die Christdemokraten sind seit ihrer Gründung darauf ausgerichtet, den Kanzler zu stellen. SPD und Grüne konnten auch aus der Opposition heraus wirkungsvoll agieren.

Heilsames Beinahe-Debakel

Der zweite Grund liegt im Modernisierungskurs der Kanzlerin. Wie ihre christdemokratischen Vorgänger im Amt ist auch Merkel darum bemüht, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Strömungen in ihrer Partei herzustellen, aber auch auf neue Themen und Milieus zu reagieren. So hat die Union ihr Familienbild an die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse angepasst — etwa in Bezug auf berufstätige Frauen und Partnerschaften jenseits der Ehe.

Zudem hat Merkel aus ihrem Beinahe-Debakel bei der Bundestagswahl 2005 gelernt. Dort hatte sie auf wirtschaftsliberale Inhalte gesetzt — auf Lockerung des Kündigungsschutzes, auf radikal niedrigere Steuern und ein Gesundheitssystem, in das alle gleich viel einzahlen, vom Direktor bis zum Pförtner.

Liberaler Kurs gescheitert

Dieser liberale Kurs ist gescheitert. Seitdem setzt Merkel wieder auf alle Flügel. Besonders hofiert sie den Sozialflügel, der nach dem Parteitag von Leipzig 2003 fast untergegangen war. Die Mischung aus Leistungsprinzip und Fürsorge für die Schwachen kommt auch bei der Arbeiterschaft an. Dort hat die Union die SPD als stärkste Partei abgelöst. Selbst bei Menschen mit niedriger Qualifikation und geringem Einkommen ist die CDU stark.

Zugleich konnte Merkel stärker als die SPD-Reformer mit den Traditionen in der eigenen Partei aufräumen. Das machte ausgerechnet der Parteispendenskandal möglich, mit dessen Aufarbeitung sie die Macht des Patriarchen Helmut Kohl und seiner Anhänger brach.

Unscharfes Profil

Gleichwohl hat ihr Kurs auch Risiken. Die im Detail immer sichere Merkel hat das Profil der Partei bewusst abgeschliffen. Die städtische liberale Mittelschicht soll sich in der CDU genauso finden wie der gestandene konservative Familienunternehmer oder der um seinen Arbeitsplatz bangende Lohnabhängige. Das schafft Spannungen. Die Gefahr einer demokratischen Parteiabspaltung von rechts etwa ist nicht gebannt. Auch Liberale vermissen in der Partei einen klaren ordnungspolitischen Kompass.

Zugute kommt Merkel indes die nüchterne Sachlichkeit, mit der sie auf die bislang schwerste Wirtschaftskrise der Republik reagierte. Hier konnte die CDU-Chefin ihre Stärken ausspielen. Das wird sich im Wahlkampf auszahlen — trotz eines verschwommenen Programms.

(RP)
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