Eine Jugend in der DDR Die Legende von Angela und Merkel

Laut Angela Merkel ist es wirklich purer Zufall, dass sie ihren DDR-Lieblingsfilm ausgerechnet zwei Tage vor dem Erscheinen eines neuen Buches über ihre DDR-Frühgeschichte vorstellte. Ob man ihr das nun glaubt oder nicht: Praktisch war der Zufall auf jeden Fall. Denn die staatlich subventionierte Deutsche Filmakademie lieferte Merkel in einem West-Berliner Kino eine ideale Plattform, um bei der Vorstellung ihres Lieblingsfilms über ihre DDR-Jugend zu plauschen - und gleich auf die Vorabberichte über das Buch reagieren zu können.

Angela Merkel: Die Bundeskanzlerin als junges Mädchen
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Angela Merkel als junges Mädchen

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Dazu hatte sie auch den passenden Film ausgesucht: Denn der 1973 entstandene Defa-Film "Die Legende von Paul und Paula" ist für den weitgehend spaßfreien real-existierenden Sozialismus der DDR sehr untypisch: Merkel kann so ihre Vorliebe für non-konformistisches Denken beweisen, durch das sie nicht so linientreu wirkt, wie ihr dies nun für ihre DDR-Jugend unterstellt wird. Im Gegenteil ging die im Film ausgelebte Liebe von Paul und Paula sowie das Plädoyer für die private Verwirklichung damals an die Grenze dessen, was in der DDR gezeigt werden durfte.

Die von "Focus" und "Bild" veröffentlichten Auszüge aus einem neuen Buch über Merkels DDR-Vergangenheit vermitteln dagegen eher den Eindruck, als ob die Pastorentochter eine angepasste Mitläuferin und Profiteurin des SED-Regimes gewesen sei. Im Magazin "Focus" heißt es mit Verweis auf die neue Biographie zweier Springer-Journalisten, dass Angela Kasner, wie Merkel damals noch hieß, etwa in der SED Jugendorganisation FDJ gerne organisatorische Führungsaufgaben übernahm und dafür nach der zehnten Klasse für "hervorragende gesellschaftliche und schulische Leistungen" mit der Lessing-Medaille in Silber ausgezeichnet wurde.

Kratzer am Image oder nicht?

Die gelassenen Reaktionen selbst von Politikern aus anderen Parteien zeigen allerdings, dass wenig Lust zu bestehen scheint, die CDU-Chefin und derzeit beliebteste deutsche Politikerin nun wegen ihrer lange zurückliegenden DDR-Vergangenheit anzugreifen.

Zum einen sehen SPD und Grüne beim Thema soziale Gerechtigkeit lohnendere Ziele für politische Attacken. Das Aufwühlen der Vergangenheit ist im Wahljahr zum anderen mit Blick auf die Stimmen der Wähler in den neuen Bundesländern gefährlich, wie ausgerechnet Linksparteichef Bernd Riexinger deutlich machte.

In der DDR herrscht ohnehin das Gefühl vor, vom Westen nicht verstanden zu werden. Man will sich nicht sein Leben schlecht reden lassen. Der Linkspartei-Chef nimmt die CDU-Chefin deshalb offen gegen Kritik von Politikern oder Journalisten in Schutz, "die im Westen nie um Wahlrecht und Meinungsfreiheit kämpfen mussten".

Solidarisierung

Eine Solidarisierung erlebt Merkel auch von Parteifreunden, die die Grautöne der DDR-Zeit miterlebt haben. "Das ist nicht überraschend, sondern eine normale DDR-Biographie", findet etwa der CDU-Fraktionschef im thüringischen Landtag, Mike Mohring.

"Die Schwellen der Anstößigkeit hat Merkel nie überschritten." Diese wären aus seiner Sicht nur eine SED-Mitgliedschaft oder eine Zuarbeit für die Staatssicherheit (Stasi) gewesen. Aber es gibt bei Merkel nur eine Stasi-Opferakte, keine Täterakte. Die Zugehörigkeit zur FDJ oder zum Gewerkschaftsbund FDGB waren dagegen Alltag.

Kluft zwischen Image und Realität

Warum die Informationen über Merkels Jugend überhaupt für etwas Aufregung sorgten, kann man am besten in Anlehnung an ihren Lieblingsfilm mit dem Motto "Die Legende von Angela und Merkel" erklären. Denn als Kanzlerin hat "Merkel" bewusst oder unbewusst sehr wohl das Image erhalten, dass sie als Ostdeutsche aus dem Kommunismus befreit wurde. Gerade in ihrer ersten Legislaturperiode als Kanzlerin hat sie den Wert der Freiheit so stark betont, dass sie in den USA als dem Kommunismus Entronnene gefeiert wurde.

Das allerdings ist sehr wohl eine Kluft wohl auch zum Alltag der jungen Angela in ihrer ersten Lebensphase. Noch als Kanzlerin hat sie vorsichtshalber immer betont, dass "Angela" nie eine Widerstandskämpferin in der DDR gewesen war. Ihre wissenschaftliche Karriere war ihr vielmehr so wichtig, dass sie jedes Jahr brav die vorgeschriebenen ideologischen Marxismus-Leninismus-Abhandlungen abgeliefert hat.

Dafür ließ man die Physikerin ansonsten anscheinend in Ruhe. "Vielleicht ist das ja eine Konstante, dass Merkel damals wie heute einen Hang zum Zögern hatte und nicht die Polarisierung wollte", meint ein Parteifreund. Den offenen Konflikt scheint sie jedenfalls auch damals nicht gesucht zu haben.

(REU/pst/csi/csr)
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