Angela Merkel und Guido Westerwelle Die Lebensabschnitts-Gefährten

Berlin (RP). Angela Merkel und Guido Westerwelle gehen eine politische Ehe auf Zeit ein. Beide sind untypisch für ihre Partei und könnten deshalb trotz vieler Erfahrungen aus früheren schwarz-gelben Koalitionen auch neue Wege gehen. Ihre Ziele haben sie indes noch nicht ausreichend definiert.

Schnittmengen und Knackpunkte bei Schwarz-Gelb
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Foto: AP

In der FDP grummeln sie schon. Warum tritt der erfolgreiche Parteivorsitzende Guido Westerwelle nicht selbstbewusster auf? Warum erklärt er nicht wie die CDU-Chefin Angela Merkel, was geht und was nicht? Warum sagt er nicht sofort, dass für ihn nur das Außenamt in Frage kommt und sonst gar nichts? "Er würde dann automatisch wie ein Außenminister gehen”, meint einer aus der FDP-Führung. Das heißt übersetzt: der Kanzlerin Merkel auf Augenhöhe begegnen.

Auf solche Ratschläge hört Westerwelle nicht. Den liberalen Triumphator will er gerade nicht geben. Seine Parteifreunde hat er vergattert, bloß nicht die Union mit Maximalforderungen zu reizen. Wer das tut, dürfte im Personaltableau des Vorsitzenden für die künftige Koalition keine Rolle spielen. Westerwelle rollt das Feld von unten auf.

Die wahren Kräfteverhältnisse

Trotz Rekordergebnis will er die vermeintlich neue Stärke seiner Partei nicht ausspielen. Er weiß instinktiv, dass er ohne Merkels unprofilierten Wahlkampf nicht in einer schwarz-gelben Koalition angekommen wäre. Das Erststimmen-Ergebnis, 39 Prozent für die Union und neun Prozent für die Liberalen, spiegelt die wahren Kräfteverhältnisse deutlicher wider.

Deshalb ist Angela Merkel wirklich gelöst. Es mag bizarr klingen: Ausgerechnet das zweitschwächste Ergebnis für die Union in der Geschichte der Bundesrepublik hat die Machtkonstellation mit den Liberalen eröffnet. Beide sind also durch höchst unkonventionelle Methoden an die Macht gekommen.

Beide sind auch nicht typische Vertreter ihrer Parteien. Merkel als Tochter eines protestantischen DDR-Pfarrers, zum zweiten Mal verheiratet, ohne Kinder, entstammt nicht dem gewohnten Milieu der CDU, in der bislang konservative katholische Männer den Ton angaben. Ebenso ist Westerwelle nicht der klassische Vertreter des organisierten Liberalismus.

Viel Psychologie nötig

Er bekennt sich zu seiner Homosexualität, er tritt mit seinem Partner Michael Mronz öffentlich auf. Lange Zeit galt er eher als Lautsprecher denn als seriöser Sachwalter liberaler Interessen und FDP-naher Interessengruppen. Die Distanz zu ihrer Partei hat beide innerlich stark und ­- teilweise -­ unabhängig gemacht. Jetzt liegen Erfolg oder Misserfolg der schwarz-gelben Koalition ganz stark bei ihnen.

Um ihre Parteien nach elf Jahren wieder zu einem Bündnis zusammenzuführen, ist neben der inhaltlichen Arbeit viel Psychologie nötig. Merkel will die Union aus dem Denken in Sachzwängen herauslösen. Obwohl sie selbst diverse Punkte wie Kündigungsschutz, Mindestlöhne, Sparliste oder Gesundheitsfonds zum Tabu erklärt hat, will sie in ihrer Partei eine offene Diskussion über die künftige Politik führen.

Wie kommt Deutschland aus der Krise? Was muss steuerlich passieren? Wie sieht die neue Ordnung auf den Finanzmärkten aus? Wie müssen die Sozialsysteme krisen- und alterungsfest gemacht werden? Bewusst hat Merkel auf einen klaren Fahrplan verzichtet. Erst kommt die große Linie, dann folgen Details und Personen.

Es fehlen die Visionen

FDP-Chef Westerwelle geht den umgekehrten Weg. Er muss seine Partei daran gewöhnen, der reinen Lehre abzuschwören. Die Liberalen sind nicht mehr Oppositionspartei, hämmert er seinen Parteifreunden ein. In beiden Zielen sind sich Merkel und Westerwelle durchaus einig. Aber sie haben keine Visionen, mit denen sie ihre Anhänger begeistern können. "Im Zweifel für die Freiheit" heißt Westerwelles Losung. 2Im Zweifel für pragmatische Lösungen" ist der Leitsatz der Kanzlerin.

Aber sie verbindet viel mehr als der Wille, von 2009 bis zunächst 2013 Deutschland zu regieren. Westerwelle war Generalsekretär, als die FDP nach dem Regierungsverlust ums Überleben kämpfte ­ neben ihm versuchte eine CDU-Generalsekretärin Merkel, die Union wiederhochzubringen. 2000 wurde Merkel CDU-Vorsitzende, 2001 Westerwelle FDP-Chef.

Seite an Seite formten sie die Opposition, entwickelten gemeinsame Machtperspektiven ­ und lernten, dass sie sich blind auf Zusagen des/der Anderen verlassen konnten. Auf dieses Fundament stützen sie sich nun, bilden ein Team, bei dem Seehofer trotz engster Bindungen zwischen CDU und CSU nur Dritter sein kann. Denn auf ihn, wieder eine Gemeinsamkeit, können sich weder Merkel noch Westerwelle verlassen

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