Bürgerversicherung wird Wahlkampf-Thema Die Kosten der grünen Gesundheitsreform

Düsseldorf · Die Bürgerversicherung wird Wahlkampf-Thema. Die Grünen wollen die Bemessungsgrenze anheben, die SPD sie ganz abschaffen. Das trifft Gutverdiener und Betriebe mit Akademikern. Privatpatienten soll es für Grüne nicht mehr geben.

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Foto: Quelle: Grünen-Bundestagsfraktion/Grafik: Radowski

Für Zündstoff im Wahlkampf sorgen die Pläne von SPD und Grünen zur Gesundheitsreform. Diese betreffen in besonderem Maße Mittelschicht und Betriebe. So wollen SPD und Grüne Millionen Bürger, die derzeit privat krankenversichert sind, in die gesetzliche Versicherung einbeziehen und die Beiträge für Gutverdiener deutlich erhöhen. Die Grünen begründen dies damit, dass Privatversicherte zu wenig zum Solidarausgleich beitragen und auch noch Privilegien genießen. Im Einzelnen:

Beitragsbemessungsgrenze Die Grünen wollen die Einkommensgrenze, bis zu der Mitglieder Beitrag zahlen müssen, von jetzt 3937 Euro auf 5500 Euro im Monat anheben. Das bedeutet eine kräftige Beitragserhöhung für alle, die im Monat mehr als 3937 Euro brutto verdienen. Etwas abgeschwächt wird der Effekt durch eine Senkung des Krankenversicherungs-Beitrags um 1,5 Prozent, den die Grünen erwarten. Zudem wollen sie an der Abschaffung der Praxisgebühr festhalten und Zuzahlungen auf Arzneien streichen. Unter dem Strich kommt es für Gutverdiener dennoch zu einer Belastung, wie aus den Berechnungen der Grünen-Fraktion hervorgeht (Grafik). Die SPD will die Beitragsbemessungsgrenze sogar komplett aufheben.

Versicherung von nicht-arbeitenden Ehegatten Besonders stark sollen nach den Plänen der Grünen gut verdienende Ehepaare belastet werden, bei denen nur ein Partner arbeitet. Sie wollen die nicht-arbeitende Ehefrau (bzw. den Mann), nur dann gratis mitversichern, wenn diese Kinder oder Angehörige versorgt. Ansonsten soll die Frau künftig zahlen. Die SPD hält dagegen an der Gratis-Mitversicherung von Ehepartnern fest.

Einbeziehung der Privatversicherten Die Grünen wollen langfristig alle Privatversicherte in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) einbeziehen. Noch offen ist, in welchem Zeitraum und zu welchen Konditionen dies geschehen soll. Die private Krankenversicherung (PKV) hält das für verfassungswidrig, auch weil die von den Privatversicherten gebildeten, milliardenschweren Altersrückstellungen durch Artikel 14 (Eigentums-Garantie) geschützt seien. Die Grünen verweisen dagegen auf Juristen, die das anders bewerten und halten eine Überführung der Rückstellungen in die GKV für möglich. Auch die Berufsfreiheit der Privatversicherer sehen sie nicht gefährdet, da diese weiter das Geschäft mit Zusatzpolicen (Doppelzimmer, Chefarzt) betreiben könnten. Um Selbstständige oder Rentiers umfassend einzubeziehen, soll der Kassen-Beitrag nach den Plänen der Grünen auch auf andere Einkommen (Mieten, Zinsen, Dividenden) erhoben werden. So radikal ist die SPD nicht. Sie will den Privatversicherten ein Wahlrecht einräumen. Langfristig will aber auch sie den Kreis der gesetzlich Versicherten erweitern.

Arbeitgeberbeitrag Für die Wirtschaft ist vor allem die Reform der Arbeitgeber-Beiträge relevant. Im Modell der Grünen soll die Parität zwischen Betrieben und Arbeitnehmern hergestellt werden. Derzeit zahlen die Versicherten einen Sonderbeitrag von 0,9 Prozentpunkten allein. Zudem trifft die Erhöhung der Bemessungsgrenze vor allem solche Betriebe, die viele hochqualifizierte und entsprechend gut bezahlte Beschäftigte haben. Das zeigen Berechnungen des Verbands der bayerischen Wirtschaft (siehe Infokasten).

"Nach den SPD-Plänen werden Arbeitgeber noch stärker belastet als bei den Grünen", sagt Stefan Etgeton von der Bertelsmann-Stiftung. Da die Sozialdemokraten die Bemessungsgrenze ganz streichen wollen, würden sie Betriebe mit besonders viele Hochqualifizierten besonders stark zur Kasse bitten.

Ärzte-Vergütung Die Einschränkung der privaten Krankenversicherung wirkt sich auch auf die Ärzte-Vergütung aus. Ohne Privatpatienten gibt es auch keine Privathonorare für Ärzte mehr — die Grünen verstehen das als Beitrag für mehr Versorgungs-Gerechtigkeit. Dennoch soll die Gesamtvergütung der Ärzte nicht sinken. Die Grünen wollen die Honorare gegenüber den jetzigen Kassenhonoraren sogar anheben. Gewinner dieser Umverteilung wären Ärzte, die heute viele Kassenpatienten haben. Verlierer wären Ärzte mit vielen Privatpatienten.

(RP/jco)
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