Ein Twitter-Profilbild sorgt für Aufregung Die kleinen und großen Probleme der Piraten
Berlin/Düsseldorf · In den Umfragen schaffen sie die Fünf-Prozent-Hürde locker, und ihre Verbände erhalten regen Zulauf. Seit die Piraten das Berliner Abgeordnetenhaus geentert haben, geht es für die Partei auch bundesweit bergauf. Doch im Licht der Öffentlichkeit stehen sie immer wieder wegen kurioser Gegebenheiten oder ihrer Mitglieder. Das stellt vor allem ihre inhaltliche Arbeit in den Schatten.
Die Berliner Zeitungen kennen in diesen Tagen kein anderes Thema, wenn es um die neue Fraktion im Abgeordnetenhaus der Hauptstadt geht: Simon Weiß und sein Profilbild bei Twitter. Es zeigt den Abgeordneten der Piraten, wie er ein gerolltes Papier hält und offenbar eine weiße Substanz schnupft. Doch es ist kein Kokain, es ist das grobkörnigere Salz, wie der danebenstehende Salzstreuer auch belegen soll.
Seither tobt die Diskussion, ob sich ein Abgeordneter, auch wenn er der Piratenpartei angehört, ein solches Bild erlauben kann. Zumal die Partei erst kürzlich gefordert hatte, "Rauschkunde" in der Schule einzuführen. Das Thema beschäftigt die Hauptstadt so sehr, dass Weiß sogar eine Pressemitteilung dazu herausgab.
"Privat betriebene Satire"
Darin kritisiert er, dass eine große deutsche Boulevard-Zeitung die Satire des Bildes nicht verstanden habe. Und er erklärt auch, dass dieses Foto im Zusammenhang mit der Lustreisen-Affäre eines Versicherungskonzerns und eines angeblichen dortigen Koks-Konsums entstanden sei.
Auch auf Weiß' Twitter-Account gibt es derzeit kaum ein anderes Thema. Dort rechtfertigt sich der Pirat mit den Worten "Ich wollte ein neues (Profilbild) und hatte das halt so rumliegen" oder "Es ist privat betriebene Satire ohne drogenpolitische Aussage." Und fast schon süffisant schreibt er: "Alles, was ich sage, ist politisch? dann muss mein Privatleben wohl mit sofortiger Wirkung eingestellt werden."
Doch die Sache mit dem Foto ist nicht das einzige Thema, durch das die Piraten in Berlin und andernorts für Schlagzeilen sorgen. Da war kürzlich der Vorwurf der Vetternwirtschaft, als eine Abgeordnete der Piraten ihren Freund als Mitarbeiter einstellte und dann wieder das Arbeitsverhältnis aufkündete. Da war aber auch die Kritik der ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, an dem Palästinensertuch, das der Abgeordnete Gerwald Claus-Brunner "seit 20 Jahren", wie er selbst sagt, trägt - auch im Abgeordnetenhaus".
Zulauf von Scientologen
Dass solch Kuriositäten gern von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, versteht sich von selbst und lässt sich von der Partei kaum verhindern. So erging es auch den Grünen, als sie eher als kuriose Erscheinung denn als Partei wahrgenommen wurden - wobei die Partei mit Absicht provozierte, in dem sie mit Turnschuhen in den Bundestag kam.
Mehr Sorgen dürften den Piraten da schon ihre eigenen Mitglieder bereiten. Denn erst war innerhalb der Partei ein Streit entbrannt, wie man mit ehemaligen NPD-Mitgliedern in den eigenen Reihen umgehen sollte. Da war von "Jugendsünden" die Rede, was andere Mitglieder als völlig falsche Bezeichnung werteten. Und nun sind es Scientology-Mitglieder, die für Kopfzerbrechen sorgen.
Wie die Nachrichtenagentur dapd schreibt, sorgt sich die Spitze der Partei um den vermehrten Zulauf von Scientologen. "Der Bundesvorstand verfolgt aufmerksam das vermeintliche Engagement von Angehörigen der Organisation Scientology", sagte der stellvertretende Vorsitzende Bernd Schlömer der Agentur. Nun diskutiere die Partei über einen Antrag, diesen die Mitgliedschaft in der Partei zu verbieten.
Bundesparteitag Anfang Dezember
Die Entwicklung, so Schlömer, betreffe derzeit aber nur NRW. Aber es ist eben auch die breite Spanne der Parteieinstellung von "Mitte-rechts bis Mitte-links", die ihnen wohl noch öfter Sorgen bereiten könnte. Derzeit, erklärt Schlömer, sei ein Ausschlussverfahren gegen ein Mitglied eines Landesverbandes geplant, weil es im Verdacht stehe, rechtsextremistisch zu sein. Einem anderen solle aus gleichem Grund die Aufnahme in die Partei verweigert werden.
Wirklich ideal sind solche Schlagzeilen für eine noch recht junge Partei ganz gewiss nicht. Denn es fehlt dabei vor allem eines: der Blick auf die eigentliche politische Arbeit. Genau dort brauchen die Piraten aber eine Profilierung, wollen sie langfristig in den Umfragen und bei den Wählern bestehen. Angesichts der Tatsache, dass sie bislang lediglich im Berliner Abgeordnetenhaus vertreten sind, dürfte eine solche Profilierung im gesamten Bundesgebiet aber nicht sonderlich leicht fallen.
Und es braucht Zeit, davon können die Grünen ein Lied singen. Die kuriosen Geschichten über die Partei werden sicherlich irgendwann verschwinden, je ernster sie genommen werden. Probleme mit Mitgliedern in den eigenen Reihen dagegen wohl kaum, werden sie nicht schnell angegangen. Auf dem Bundesparteitag Anfang Dezember können die Piraten in dieser Hinsicht die richtige Richtung vorgeben.