Merkel in Washington Die Kanzlerin dankt für die Einheit

Berlin/Washington (RP). Historischer Tag in Washington: Zum ersten Mal redet eine deutsche Regierungschefin gleichzeitig vor beiden Häusern des amerikanischen Parlaments. Geplant ist eine sehr persönliche Ansprache zum 20. Jahrestag des Mauerfalls, aber auch eine politische zur künftigen Sicherheits-, Wirtschafts- und Klimastrategie.

 Die Kanzlerin spricht am Dienstag im Kapitol.

Die Kanzlerin spricht am Dienstag im Kapitol.

Foto: AP, AP

Zu den USA hat Angela Merkel eine ausgesprochen persönliche Beziehung. Mit ihrem Mann Joachim Sauer plante die heutige Kanzlerin bereits zu DDR-Zeiten, dereinst die Vereinigten Staaten zu bereisen — wenn beide 60 Jahre würden. Das erlaubte damals der zweite deutsche Staat. Es kam bekanntlich anders. Und so brach das Paar schon 1990 — kurz nach dem Fall der Mauer — zu einer gemeinsamen US-Tour auf. Ein Jahr später schon traf Merkel als Ostdeutsche und jüngstes Kabinettsmitglied der Regierung Kohl den amerikanischen Ex-Präsidenten Ronald Reagan.

Ihre persönlichen Eindrücke von der Grenzöffnung und der Vereinigung beider deutscher Staaten, aber ebenso von der zentralen Rolle, die Amerika dabei spielte, werden auch heute einen bedeutenden Teil ihrer Rede ausmachen, die Merkel ab 10.30 Uhr Ortszeit vor beiden Häusern des US-Kongresses hält. Sie wird sich beim amerikanischen Volk ausdrücklich für den damaligen Einsatz für die Einheit bedanken.

Adenauer musste noch zwei Reden halten

Die Kanzlerin ist der erste deutsche Regierungschef, der gleichzeitig vor Repräsentantenhaus und Senat spricht, den beiden gesetzgebenden Kammern der USA. Auch wenn diese Ehre schon etlichen ausländischen Gästen zuteil wurde, hatte als deutscher Kanzler nur Konrad Adenauer dieses Privileg. Und der hielt zwei Reden — eine vor dem Senat und eine vor dem Repräsentantenhaus.

Eingeladen wurde Merkel im Juni von der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Die amerikanischen Parlamentarier wünschten sich ausdrücklich eine Rede Merkels zum 20. Jahrestag des Mauerfalls. Umgekehrt kommt der US-Kongress so in den Genuss der ersten offiziellen Ansprache der gerade wiedergewählten Kanzlerin. Die Abgeordneten des Bundestags müssen bis zum 10. November warten, was Merkel eine geharnischte Kritik der Opposition und manches Stirnrunzeln auch in den eigenen Reihen eingebracht hatte.

Für Merkel schließt sich mit der Rede der Kreis der intensiven Beziehungen zwischen den USA und Deutschland. Dabei sieht sich Merkel in fast gleicher Weise als Repräsentantin Europas. Es ist der transatlantische Pakt, der auf einem gemeinsamen Werte-Fundament ruht, den die Kanzlerin in ihrer Ansprache an die US-Parlamentarier herausstellen wird. Das hat für die Pragmatikerin Merkel durchaus eine idealistische Note. Sie sieht bei den Amerikanern nicht nur macht- und geopolitische Gründe für ihre enge Partnerschaft mit Europa, sondern auch echte Freundschaft, die auf diesen Werten gründet.

Obama wandte sich zuletzt asiatischer Welt zu

Der Deutschen ist durchaus bewusst, dass die wichtigste globale Größe für die USA künftig China, aber auch andere große Staaten der nicht-westlichen Welt sind, deren Einfluss derzeit enorm zunimmt. Wie sein Vorgänger George W. Bush hat sich auch Barack Obama zuerst der asiatischen Welt zugewandt.

In ihrer Rede wird Merkel jedoch die Erwartung äußern, dass am Ende die transatlantischen Partner doch wieder enger zusammenrücken. Die Gefahr, dass Europa und die USA wie einst zu Zeiten des Irak-Kriegs auseinanderdriften, ist vorerst gebannt. Selbst wenn es keinen gemeinsamen Gegner wie den Ostblock mehr gibt, bleiben aus Merkels Sicht fundamentale Herausforderungen, die eine enge Kooperation notwendig machen.

Die Kanzlerin will damit keinen Gegensatz zu China, Indien, Russland oder anderen Staaten aufbauen. Nach der festen Überzeugung der Kanzlerin wird die G-20-Gemeinschaft aller führenden Länder den westlichen Club der G 8 als Zentrum der internationalen Willensbildung ablösen. "Wir schließen niemanden aus, wir laden die anderen ein", lautet die Botschaft Merkels.

In der Tradition von Brandt und Kohl

Ihre Vorbilder sind dabei die Westpolitik von Konrad Adenauer, die pragmatische Ostpolitik von Willy Brandt und die kluge internationale Absicherung der deutschen Einheit durch Helmut Kohl. Es bleiben indes auch die Meinungsunterschiede zwischen den beiden Kontinenten. Die USA haben sehr konkrete Ansprüche an die Deutschen und Europäer bei ihrem Engagement in Afghanistan und anderen Brennpunkten. Das schließt die Bereitstellung von Kampftruppen ausdrücklich ein. In der Wirtschaftspolitik fordern die Amerikaner Gefolgschaft bei der Überwindung der Krise.

Die US-Administration setzt auf milliardenschwere Nachfrageprogramme und erwartet einen entsprechenden Beitrag auch von den Partnern. Das könnte die deutschen Finanzen bis zum Bersten belasten. Schließlich wünscht umgekehrt die Kanzlerin einen stärkeren Einsatz der einzig verbliebenen Supermacht in der Klimaschutzpolitik. Hier sind die Spielräume für Obama und den US-Kongress besonders eng, obwohl die USA sich den höchsten Kohlendioxid-Ausstoß pro Kopf erlauben. Die Freundschaft zu Amerika wird spannungsreich bleiben.

(RP)
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