Studie „Junge Deutsche 2021“ Familie spendet jungen Leuten Trost

Analyse · Die Corona-Krise hinterlässt im Denken und Fühlen der jungen Deutschen eine tiefe Spur. Die neue Generation will nach der Pandemie durchstarten. Dabei ist den jungen Rheinländern Freiheit viel wichtiger als Geld.

 Jugendliche gehen und fahren in der Abendsonne am Kölner Dom vorbei. Die Corona-Pandemie hat den jungen Leuten durch viele Verbote und Vereinzelung besonders zugesetzt.

Jugendliche gehen und fahren in der Abendsonne am Kölner Dom vorbei. Die Corona-Pandemie hat den jungen Leuten durch viele Verbote und Vereinzelung besonders zugesetzt.

Foto: dpa/Oliver Berg

Die Jugend gilt als die große Verliererin der Corona-Pandemie. Distanzunterricht in den Schulen, kein Kontakt an den Universitäten, Verbot von Treffen, Partys und Veranstaltungen. Alles, was Jugend ausmacht, ist in der Corona-Krise untersagt. Um so spannender ist es, wie die jungen Leute denken, was ihre Sorgen, Hoffnungen und Werte sind, wie sie ihre Zukunft gestalten wollen. Der Jugendforscher Simon Schnetzer, ein gelernter Volkswirt, hat mit seinem Team 1602 Personen im Alter von 14 bis 39 Jahren im vergangenen Herbst repräsentativ über das Internet befragt. Herausgekommen ist die Studie „Junge Deutsche 2021“, die der renommierte Trendforscher am Dienstag vorstellte. Zeitgleich hat unsere Redaktion auf ihrem Online-Portal Jugendliche im gleichen Alter aus dem Rheinland gebeten, ihre Situation zu bewerten. Vieles haben die beiden Gruppen ganz ähnlich erlebt und eingestuft. Aber es gibt auch interessante Unterschiede.

Wie alle Menschen empfinden auch die Jugendlichen die Pandemie als gewaltigen Einschnitt in ihre ganz persönliche Lebenssituation – in allen Teilen des Landes. Für jeden dritten jungen Deutschen hat sich die finanzielle und berufliche Situation durch Corona verschlechtert. „Das ist alarmierend“, meint der Studieninitiator Schnetzer. Bei den Jüngeren, der sogenannten Generation Z, die die Altersgruppe von 14 bis 24 Jahre umfasst, sind die Werte sogar noch höher.

Auch die rheinischen Jugendlichen haben die Corona-Krise als übergroße Belastung empfunden. Danach befinden sich nach eigener Einschätzung nur knapp 20 Prozent in finanziellen Nöten. Dafür bewerten die jungen Menschen im Rheinland die Balance zwischen Arbeit und Freizeit (37 Prozent) sowie die schulische Situation (36 Prozent) durch Corona als deutlich schlechter. Optimistisch in die Zukunft blicken nur sechs Prozent der Jugendlichen, für 28 Prozent haben sich die künftigen Perspektiven stark eingetrübt.

Es ist vor allem die Familie, die den jungen Menschen im Rheinland und auch sonst in Deutschland Halt gibt. Für 69 Prozent der jungen Deutschen und sogar 77 Prozent der jungen Rheinländer steht sie ganz oben auf der Skala. „Ich konnte viel mit meiner Familie machen, das hat mir seelisch sehr gut getan“, schreibt ein Teilnehmer aus dem Rheinland. Eine andere Stimme meint: „Mir hat es Halt gegeben, mit Freunden und der Familie offen über Ängste zu sprechen, sich Mut zu machen und sich zu bemühen, das Positive zu sehen.“ Die große Mehrheit der Jüngeren verhält sich in der Corona-Pandemie überdies solidarisch. Sie halten die Hygiene-Regeln ein (73 Prozent) und verzichten auf Feiern und Partys (66 Prozent). Aussagen wie „Ich bin ganz offen, ich habe mich täglich mit meinen Freunden getroffen, ich hätte es sonst nicht ausgehalten“ sind in der Umfrage eher selten.

Jetzt wollen die Generationen Y und Z, wie die seit 1980 Geborenen modisch heißen, den Reset-Knopf drücken. Jugendforscher Schnetzer verpasst das Etikett „Reset-Generation“ bereits allen jungen Corona-Geschädigten. Denn der Einschnitt durch die Pandemie verändere die „Lebenswelt und die Biographien der jungen Generation grundlegend und nachhaltig“. Dazu passt es, dass im Rheinland wie im Rest der Republik das Wiederaufbauen von Vertrauen die wichtigste Botschaft ist, die die Jugendlichen aussenden. Es ist mit 64 Prozent nach der Gesundheit (65 Prozent) der am zweitmeisten genannte Wert, der für die junge Generation zählt – sogar noch vor Familie, Gerechtigkeit und Freiheit (je 57 Prozent). Bei den jungen Rheinländern steht das Vertrauen sogar mit 76 Prozent an der Spitze. Auch die Werte Familie und Gesundheit schneiden bei den Befragten im Rheinland besser ab. Gerechtigkeit und Freiheit mit 70 beziehungsweise 67 Prozent nehmen in der westlichsten Region Deutschlands ebenfalls einen höheren Stellenwert ein. Die Werteorientierung im Rheinland ist nach diesen Zahlen größer als anderswo in der Republik. „Eine Erklärung liegt in der hohen weiblichen Beteiligung, die genau diese Werte besonders hoch einschätzen“, meint der Jugendforscher Schnetzer.

Auch in einem weiteren Punkt gibt es Unterschiede zwischen den befragten Jugendlichen im gesamten Bundesgebiet und denen im Rheinland. Deutschlandweit treiben vor allem die beiden Motive Geld (43 Prozent) und Spaß (42 Prozent) die Aktivitäten der jungen Leute an. Dabei ist der Stellenwert des Geldes gegenüber der Studie von 2019 signifikant angestiegen, das damals bei 36 Prozent der wichtigste Antrieb war. Im Rheinland fällt dagegen die Motivation, etwas um des Geldes willen zu tun, mit 26 Prozent deutlich ab. Dazu korrespondiert offenbar die geringere Sorge vor finanziellen Nachteilen in der Corona-Krise. Jugendforscher Schnetzer billigt den jungen Leuten im Rheinland eine größere Widerstandskraft zu, Krisen zu bewältigen. Das ist allerdings nur ein erster Befund.

Überraschend bei allen Jugendlichen ist, dass ökologische Nachhaltigkeit und Klimaschutz mit 26 Prozent bei den 25- bis 39-Jährigen und 23 Prozent bei den noch Jüngeren nur auf einem der hinteren Plätze landet. Dafür stehen eine gute Arbeitsatmosphäre (62 Prozent) und die Job-Sicherheit (54 Prozent) deutlich weiter oben. Im Rheinland erreicht das Thema Arbeitszufriedenheit mit 76 Prozent sogar einen Spitzenwert. Es sind eben doch die ganz individuellen Wünsche und Erfahrungen, die die jungen Leute in der Corona-Krise vornehmlich umtreiben.

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