Der Streit um den digitalen Unterricht Mehr Geld - aber nicht um jeden Preis

Berlin · Der Streit um den Digitalpakt spitzt sich zu. An diesem Freitag rufen die Länder den Vermittlungsausschuss an. Die Hintergründe des Milliarden-Geschachers um die Bildung.

 Da die Bundesländer sich im Bundesrat quer stellen, müssen Schüler weiterhin auf das Geld für eine bessere Digitalausstattung warten (Archiv).

Da die Bundesländer sich im Bundesrat quer stellen, müssen Schüler weiterhin auf das Geld für eine bessere Digitalausstattung warten (Archiv).

Foto: dpa/Michael Kappeler

16:0. Und ein deutliches Signal: Bund, bitte kommen! Wenn der Bundesrat an diesem Freitag wegen des Streits um den Digitalpakt für Schulen und damit vom Bundestag bereits beschlossene Grundgesetzänderungen den Vermittlungsausschuss anruft, wollen die Länder in großer Formation dem Bund Paroli bieten. Es geht um sehr viel Geld und um die Frage, wie sehr der Bund künftig bei Bildung - einer originären Länderkompetenz - mitreden darf, wenn er quasi als Vorschuss für spätere Mitsprache den geplanten Digitalpakt bezahlt.

  • Worum geht es beim Digitalpakt?

Angeschoben hat ihn die damalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Im Herbst 2016 kündigte sie an, dass sich der Bund mit einem so getauften „Digitalpakt“ an einer besseren IT-Ausstattung von Schulen finanziell beteiligen wollen -- mit insgesamt fünf Milliarden Euro verteilt auf fünf Jahre. Es dauerte dann allerdings bis Frühjahr 2018, ehe die heutige Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) das Geld für den Digitalpakt auch besorgt hatte. Eigentlich sollte das Programm, das Schulen flächendeckend in Deutschland mit Tablets, Computern und digitalen Medien versorgen soll, zum 1. Januar 2019 anlaufen. Doch wegen des Streits zwischen Bund und Ländern wird sich der Start verzögern.

  • Warum streiten Bund und Länder über den Digitalpakt?

An der Notwendigkeit, Schulen in Deutschland und damit die kommende Generation besser auf das digitale Zeitalter vorzubereiten, besteht auf beiden Seiten kein Zweifel. Allerdings streiten Bund und Länder über den Weg. Der Bund drängt dabei auf mehrere Grundgesetzänderungen, mit denen er sich Kontroll- und Steuerrechte bei Länderangelegenheiten sichern würde. Aus Ländersicht wäre es ein äußerst schlechter Handel, für fünf Jahre zwar insgesamt fünf Milliarden Euro für den Digitalpakt zu bekommen, im Gegenzug dafür aber dem Bund über diverse Grundgesetzänderungen quasi auf Dauer ein Mitspracherecht bei Länderinteressen und womöglich auch Einflussmöglichkeiten auf das Haushaltsrecht der Länder zu geben. Für ein Land wie Nordrhein-Westfalen bringt der Digitalpakt zusätzlich jährlich 200 Millionen Euro oder umgerechnet 92 Euro pro Schüler, heißt es bei der Landesregierung.

  • Warum leisten die Länder so erbittert Widerstand, wenn es doch Geld für Schulen gibt?

Für Änderungen am Grundgesetz braucht es hier eine Zwei-Drittel-Mehrheit – in Bundestag und Bundesrat. Der Bundestag hat eine solche Änderung bereits beschlossen. Nun liegt es an den Ländern, die aber den Vermittlungsausschuss einschalten werden. Ärger gibt es wegen der vom Bund beabsichtigten und im Bundestag bereits beschlossenen 50:50-Regel. Damit will der Bund die Länder gesetzlich verpflichten, jeweils in jener Höhe in Bildung, aber auch in sozialen Wohnungsbau und bedeutende Verkehrsprojekte zu investieren, wie es auch der Bund tut. Diesen Zwang zur Co-Finanzierung zu gleichen Teilen lehnen die Länder ab, weil sie darin ärmere Bundesländer von einer Abwärtsspirale bedroht sehen, die dadurch in noch größere Nöte geraten könnten. So könnten finanzschwache Länder wie Mecklenburg-Vorpommern gezwungen werden, sich zu 50 Prozent an Hilfen bei einer Flutkatastrophe zu beteiligen. Die Länder wollen diesen Gesetzentwurf im Vermittlungsausschuss „grundlegend“ überarbeiten.

  • Gibt es den Digitalpakt auch ohne Grundgesetzänderung?

Die Länder sagen: Ja. So könnte der Bund den Ländern einen größeren Anteil an der Umsatzsteuer überlassen. Die Länder könnten sich vorstellen unter sich, also unter den 16 Ländern, eine Art Staatsvertrag zu schließen, in dem sie sich auf gewisse Standards einigen und die Einhaltung dieser Standards dem Bund dann in einer politischen Willenserklärung zusichern. Als weiter gehendes Zugeständnis an den Bund wäre denkbar, dass die Länder auch einer Änderung des Grundgesetzartikels 104c zustimmen. Dann würde dem Bund erlaubt, den Ländern Geld „für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der Gemeinden“ zu gewähren. Eine weiter gehende Mitsprache des Bundes, beispielsweise auch beim Personal, lehnen die Länder ab.

  • Wie geht es jetzt weiter?

Der Bundesrat ruft den Vermittlungsausschuss an, der dann vermutlich im Januar erstmals tagt. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek sagte dazu unserer Redaktion: „Ich hoffe auf eine vernünftige und zügige Einigung im Vermittlungsausschuss. Der Digitalpakt Schule braucht eine solide verfassungsrechtliche Grundlage, die wir mit der Grundgesetzänderung von Artikel 104c schaffen wollen. Wir müssen sicherstellen, dass die fünf Milliarden Euro des Digitalpaktes als neue, zusätzliche Mittel zu 100 Prozent in den Schulen ankommen.“ Vertreter von Bund und Ländern hoffen auf eine Einigung im ersten Quartal 2019, spätestens jedoch bis Ostern.

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