Bundesparteitag Grüne lehnen neues Asylpaket ab

Berlin · Beim Parteitag in Halle wollen sich die Grünen von der Flüchtlingspolitik der großen Koalition abgrenzen und Einigkeit demonstrieren. Doch die Pariser Terroranschläge und die unvermindert hohe Zahl der ankommenden Migranten reißen die alteb Gräben zwischen den Linken und den "Realos" bei den Grünen wieder auf.

Simone Peter und Cem Özdemir, Vorsitzende der Grünen.

Simone Peter und Cem Özdemir, Vorsitzende der Grünen.

Foto: dpa, pen lof

Zweimal hatten die Grünen im Bundesrat, angeführt vom "Oberrealo" Winfried Kretschmann, schon der Verschärfung des Asylrechts zugestimmt. Nun wollen sie den jüngsten Wünschen der großen Koalition zur weiteren Verschärfung nicht mehr nachgeben: In einem Dringlichkeitsantrag für den am Freitagnachmittag beginnenden Parteitag in Halle/Saale empfiehlt der Bundesvorstand den Delegierten, das gerade von der Koalition auf den Weg gebrachte neue Asylpaket abzulehnen. "Die geplante Aussetzung des Familiennachzugs von subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre lehnen wir ab", heißt es darin. Das Gleiche gelte für alle Pläne, "den Schutzstatus von Menschen zu verschlechtern, die dem syrischen Bürgerkrieg entfliehen".

Als "absurd" bezeichnet die Grünen-Spitze Pläne der Koalition, Flüchtlinge aus Afghanistan schneller abzuschieben. Zudem protestieren die Grünen dagegen, das ausgesetzte Dublin-Verfahren wieder anzuwenden, wonach für das Asylverfahren der EU-Staat zuständig ist, in den ein Flüchtling zuerst einreiste.

Von "einigen liebgewordenen Positionen verabschieden"

Der Parteitag dürfte der Empfehlung der Parteichefs Cem Özdemir und Simone Peter folgen - auch wenn Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann seiner Partei rät, sich in der Flüchtlingspolitik von "einigen liebgewordenen Positionen zu verabschieden". Mit dem Parteitagsbeschluss dürfte es der Koalition künftig schwerfallen, schärfere Asylregeln durch den Bundesrat zu bringen. Denn die Grünen regieren in neun Ländern mit. Treten sie geschlossen auf, gibt es keine Mehrheit.

Der Parteivorstand beschäftigt sich auch mit dem Terror in Paris. "Die Anschläge verdeutlichen, dass wir in Europa zusammenstehen müssen", heißt es darin. Ein Aussetzen der Reisefreiheit im Schengen-Raum helfe nicht. "Wir wenden uns gegen eine Verfassungsänderung, mit der ein Einsatz der Bundeswehr im Innern ermöglicht werden soll." Im Antrag findet sich aber kein eindeutiges Nein zu militärischen Einsätzen der Bundeswehr in Syrien. Hier sind sich die Grünen uneinig: Parteichefin Peter hatte Militärhilfe für Frankreich in Syrien in einem Interview mit unserer Redaktion klar abgelehnt. Dagegen hält etwa der Außenpolitiker Omid Nouripour diese Festlegung für verfrüht. Die Grünen sollten sich nicht festlegen, bevor überhaupt Hilfe angefordert worden sei, sagte Nouripour. Im vergangenen Jahr hatten die Grünen die militärische Unterstützung der Kurden im Kampf gegen den IS nach langer Debatte mitgetragen.

Doch vor allem mit der Union sind die Grünen zunehmend auf Konfrontationskurs. Die Chancen für Schwarz-Grün 2017 seien heute geringer als vor zwei Jahren, sagte die Partei-Linke Simone Peter. Jüngstes Indiz einer Distanzierung: Nach Özdemir sagte auch Fraktionschef Anton Hofreiter seine Teilnahme an der Verleihung des Aachener Karnevalsordens an Markus Söder (CSU) ab. Söder hatte nach den Paris-Anschlägen eine Verschärfung der Flüchtlingspolitik verlangt.


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(mar)
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