Widerstand gegen Sparpläne Die Griechen fühlen sich betrogen

Düsseldorf (RPO). Wieder demonstrieren die Griechen. Nach einer Phase der Resignation wächst die Wut auf den Sparkurs der Regierung. "Diebe, Verräter", skandierten Demonstranten vor dem Abgeordnetenhaus. Ministerpräsident Giorgos Papandreou wird als Marionette von EU und Währungsfonds verunglimpft. Eine mögliche Rettung könnte sogar am Widerstand der Bevölkerung scheitern.

2011: Wo die Griechen noch mehr sparen sollen
Infos

2011: Wo die Griechen noch mehr sparen sollen

Infos
Foto: AFP

An die Bilder der wütenden Menge auf den Straßen der griechischen Städte hat sich die Welt inzwischen gewöhnt. Mit den ersten drakonischen Sparbeschlüssen begann auch der Widerstand. In Athen gingen Zehntausende auf die Straße und ließen ihrem ohnmächtigen Zorn freien Lauf. Doch die Regierung Papandreous wusste eine Mehrheit hinter sich. Zusammengeschweißt durch die nationalen Not brachte das Land ein historisches Sparpaket auf den Weg.

Die Steuern wurden erhöht, die Ausgaben gekürzt, Stellen gestrichen, Löhne gesenkt. Zeitgleich steigt die Inflation, alles wird teurer, Zahnpasta, Brot, Nudeln, sogar die Oliven. Die Griechen spürten die Haushaltsmisere unmittelbar im Geldbeutel. Viele haben ein Drittel weniger zum Leben. Polizisten fahren nachts Taxi.

Die Prognosen sind düster

Die Stimmung im Land: geteilt. Die einen haben sich in ihr Schicksal ergeben, die anderen protestieren, an jedem Abend schütteln Tausende auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament in Athen die Fäuste. An diesem Mittwoch sind erneut Massendemonstrationen angekündigt, außerdem ein Generalstreik und eine Belagerung des Parlamentsgebäudes.

Ein gutes Jahr nach Sparpaket Nummer eins verlieren mehr und mehr die Geduld. Der Sanierungskurs bringt keine sichtbaren Erfolge, stattdessen wächst die individuelle Not. Die Wirtschaft liegt am Boden, die Arbeitslosigkeit grassiert und wird weiter steigen, von 11,5 Prozent im Jahr 2011 auf 15 Prozent im Jahr 2013, wenn die Prognosen sich bewahrheiten.

Noch mehr sparen

Was die Griechen nun auf die Palme bringt: Sie haben doch schon bluten müssen. Doch nun sollen für weitere Kredite noch härtere Auflagen erfüllt werden. EU, IWF und Europäische Zentralbank bereiten weitere Milliardenhilfen, um Athen vor dem Staatsbankrott zu retten, erwarten aber im Gegenzug, dass die Griechen noch härter sparen.

Ministerpräsident Giorgos Papandreou muss versuchen, zusätzliche Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen durchs Parlament bringen, um den Haushalt von weiteren 6,5 Milliarden Euro zu entlasten. Damit will die Regierung die Auszahlung der nächsten Kredittranche aus dem Hilfspaket von Europäischer Union, Internationalem Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank sichern, ohne die die Zahlungsunfähigkeit droht.

"Ich bin angewidert"

Einen härteren Sparkurs wollen jedoch viele Griechen nicht mehr mittragen. Sie fühlen sich betrogen — und das gleich mehrfach. Schon ihre Politiker haben sich durch Korruption und Vetternwirtschaft am Land bereichert, die gesellschaftliche Elite der Reichen und Wichtigen vermied es tunlichst, Steuern zu bezahlen. Und nun sollen sie, die einfachen Bürger, die Rechnung begleichen? "Ich bin wütend und angewidert", sagte die 45-jährige Staatsangestellte Maria Georgila auf der Demonstration vor dem Parlament. "Das sind sehr harte Maßnahmen und sie werden uns nicht aus der Krise führen. Ich glaube nicht, dass sie keine Alternative haben."

Der Widerstand der Griechen erinnert in mancherlei Hinsicht an die deutschen Wutbürger. Neben dem Protest auf der Straße macht sich ziviler Ungehorsam breit, frei nach dem Motto "Wir zahlen nicht für Eure Krise". Fast genauso nennt sich auch eine Gruppe, die den subversiven Widerstand organisiert: "Ich zahle nicht", heißt sie und legt private Mautstellen lahm oder manipuliert öffentliche Ticketautomaten. Zentrales Argument: Öffentliche Argumente sind bereits durch den Bürger und seine Steuern finanziert.

Papandrou als Clown

Auch auf die EU, IWF und EZB sind die Griechen nicht gut zu sprechen, insbesondere die Deutschen, deren Kanzlerin den Südeuropäern auch noch angeraten hatte, mal nicht so viel Urlaub zu machen und lieber arbeiten zu gehen. Immer wieder sind auf den Demonstrationen anti-deutsche Motive zu sehen. Ihren Ministerpräsident Papandreou karikieren sie hingegen als clowneske Marionette, die nach der Pfeife der Kreditgeber tanzt, das Wohl des eigenen Volkes aber längst aus den Augen verloren hat.

Auch auf politischer Ebene bekommt Papandreou inzwischen Gegenwind. Ob er eine Mehrheit für seine Politik organisieren kann, ist trotz aller Appelle aus Brüssel eine offene Frage. Mehr und mehr Abgeordnete drohen von der Fahne zu gehen. Aus Protest gegen die Pläne erklärte ein Abgeordneter am Dienstag seinen Austritt aus der Fraktion der Sozialisten. Damit bleibt der Regierungspartei Pasok mit 155 Mandaten noch eine Parlamentsmehrheit von fünf Sitzen. Allerdings drohte bereits ein weiterer Abgeordneter an, gegen die Sparpläne zu stimmen.

Aus taktischen Gründen lässt Papandreou das Parlament erst Ende des Monats über die neue Sparrunde abstimmen. Bis dahin soll auf dem EU-Gipfel ein neuer Kredit aus Brüssel bewilligt sein. EU-Währungskommissar forderte von den Griechen noch unlängst eine geschlossene, nationale Kraftanstrengung. Doch das Land ist gespalten. Mittlerweile ist von Neuwahlen die Rede. Erstmals seit Beginn der Krise liegt in Umfragen die konservative Nea Dimokratia vorn.

mit Agenturmaterial

(RTR/DAPD/AFP/RPO)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort