Kommentar Die FDP gibt sich als sozialistische Partei

Berlin · Die FDP ist zu einer sozialistischen Staatspartei verkommen. Zumindest gilt das, wenn man den Worten ihres früheren Vorsitzenden Guido Westerwelle Glauben schenken darf. "Mindestlohn ist DDR ohne Mauer", hatte der einstige Chefliberale 2007 gesagt.

Diese Streitthemen beherrsch(t)en Schwarz-Gelb
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Foto: AP

Der Kampf gegen eine feste Lohnuntergrenze in Deutschland war den Liberalen als Herzblutthema fest eingeimpft worden. Die Wirtschaftsklientel dankte es mit jahrelanger Zustimmung. Nun war ausgerechnet Guido Westerwelle einer der ersten, der den Kurswechsel eingeläutet hat.

Die Liberalen wollen sich dem vermeintlichen Mega-Thema nicht länger verweigern und planen mit der Union eine wie auch immer geartete Lohnuntergrenze in Deutschland. Ob das nun "tariflicher Mindestlohn" oder "branchenspezifische Lohnuntergrenze" heißt, ist zweitrangig.

Ob sich die FDP damit einen Gefallen tut, ist fraglich. Der Mindestlohn ist, solange er nicht prohibitiv hoch ausfällt und Beschäftigung für weniger Qualifizierte unmöglich macht, kein Schreckgespenst für die deutsche Wirtschaft. In den meisten Branchen im Westen der Republik wird ohnehin längst mehr als sieben oder acht Euro pro Stunde bezahlt. Nur etwa 60.000 Menschen würden nach aktuellen Statistiken von einem Mindestlohn von sieben Euro profitieren.

Der Mindestlohn ist daher tatsächlich eher ein Symbolthema, das von SPD und Grünen in den vergangenen Jahren allerdings geschickt als schicksalhafte nationale Frage inszeniert wurde. Nun werden Union und FDP eine Regelung finden, die bundesweit keine weißen Flecken bei Niedriglöhnen mehr übrig lassen wird. Dass die Koalition die Lohnfindung in den Händen der zuständigen Tarifpartner lassen will, ist lobenswert und wichtig. Es wäre zutiefst schädlich, wenn künftig alle vier Jahre die Politik einen Wahlkampf nach dem Motto "Wer fordert den höchsten Lohn" führen würde.

Im Zweifel würde ohnehin die Linkspartei gewinnen. Ob der kriselnden FDP diese Kurskorrektur, die partout kein Umfallen sein soll, wirklich hilft, ist fraglich. Die gummiartige Positionierung der Liberalen in dieser Frage könnte den Mittelstand verschrecken, der über Jahrzehnte anderes gehört hatte. Wer weiß? Vielleicht ist die FDP demnächst ja auch für sanfte Steuererhöhungen.

(brö)
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