Kampf um Hartz IV Die entzauberte Ursula von der Leyen

Berlin (RP). Ursula von der Leyen, die erfolgsverwöhnte Kronprinzessin Merkels, geht aus den Berliner Schlachten um die Hartz-Regelsätze, die Frauenquote oder die Zuwanderung nicht mehr als Siegerin hervor. Im Poker um die Hartz-IV-Reform muss sie sogar befürchten, nicht mehr mit am Tisch zu sitzen.

Kampf um Hartz IV: Die entzauberte Ursula von der Leyen
Foto: AP, AP

Zwei Mal legte Anne Will nach. Zwei Mal wich Ursula von der Leyen aus. In ihrer Talkshow fragte die ARD-Moderatorin die 52-jährige Bundesarbeitsministerin am Sonntagabend mehrfach, ob es ihr persönlich geschadet habe, dass eine 38-jährige, unerfahrene SPD-Politikerin (gemeint war die daneben sitzende Manuela Schwesig) sie in den Verhandlungen über die Hartz-IV-Reform ausgekontert habe. Von der Leyen entgegnete, sichtlich gereizt, nur etwas von "gemeinsamer Verantwortung", die beide Seiten für das Scheitern der Verhandlungen tragen würden.

Mag sein. Doch gerade für die erfolgsverwöhnte von der Leyen, die seit fast einem Jahr an der Reform des Arbeitslosengeldes II bastelt, ist es eine ungewohnte Schmach, dass nun ausgerechnet die "alten, grauen Männer" (ein Regierungsmitglied), die Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU, Bayern), Kurt Beck (SPD, Rheinland-Pfalz) und Wolfgang Böhmer (CDU, Sachsen-Anhalt), ein Ergebnis für die knapp sechs Millionen Hartz-IV-Empfänger finden wollen. Es läuft derzeit schlecht für die einst als "Turbo-Ministerin", "regierende Mutter" und "Merkels Kronprinzessin" umjubelte Vize-Vorsitzende der CDU.

Länderchefs wollen sich ohne von der Leyen treffen

Am Dienstag wollen sich nach Informationen unserer Redaktion die drei Länderchefs ohne die zuständige Ministerin in Berlin treffen. Von der Leyens Sprecher betonte zwar, man könne davon ausgehen, dass die Ministerin weiterhin eingebunden sei. Doch Regierungssprecher Steffen Seibert meinte nur vielsagend, der Bund werde überall mitreden, schließlich sei es sein Geld, um das es hier gehe. Die Liste der Rückschläge für die beliebte Ministerin wird länger.

Anfang Februar hatte Kanzlerin Merkel von der Leyen ziemlich brüsk abgebürstet: Ihr Vorstoß, eine gesetzliche Frauenquote von 30 Prozent für die größten deutschen Unternehmen einzuführen, sei so konkret nicht mir ihr abgestimmt gewesen, soll die Kanzlerin verärgert in einer Unionsrunde kommentiert haben. "Es wird keine gesetzlich verpflichtende Quote geben", ließ Merkel ihren Sprecher später erklären — und beerdigte von der Leyens Vorschlag drei Tage, nachdem er in der Welt war. Eine Debatte ließ Merkel nicht zu — und machte damit von der Leyens junge Widersacherin im Kabinett, Familienministerin Kristina Schröder (CDU), erstmals zur Siegerin.

Jahrelang funktionierte das Bündnis von der Leyen/Merkel prächtig: Von der Leyen nahm der Kanzlerin die Aufgabe ab, der CDU ein moderneres Image zu geben. Die Kanzlerin hatte sich in der Partei früh für von der Leyens Lieblingsprojekt, das Elterngeld, eingesetzt und ihre Hand schützend über die Ministerin gehalten. Von der Leyen preschte auch beim Ausbau der Kita-Plätze vor, eigentlich ein ureigenes SPD-Projekt. Merkel sah es mit Wohlwollen, dass von der Leyen zu einer der beliebtesten Politikerinnen im Land emporstieg.

Der Traum vom Schloss Bellevue

Doch dann passierte etwas, dass die uneingeschränkte Solidarität der beiden trübte: Im Frühsommer 2010 dachte von der Leyen kurze Zeit, Merkel würde sie zur ersten Bundespräsidentin machen, zur Nachfolgerin des überraschend zurückgetretenen Horst Köhler. Ein paar Tage lang schritt die resolute CDU-Ministerin von dieser Aussicht geblendet wie auf Wolken durch das Berliner Regierungsviertel und kokettierte mit ihrem Favoritenstatus. Doch dann entschied sich Merkel für von der Leyens niedersächsischen Landsmann Christian Wulff.

Danach brauchte die Ministerin zwei Tage lang, um ihre Contenance wiederzugewinnen. Sie hat damals entschieden, sich in der CDU eine eigene Machtbasis aufzubauen, heißt es an der CDU-Spitze. Vergangenes Jahr wurde Ursula von der Leyen zur stellvertretenden CDU-Vorsitzenden gewählt. Seitdem fährt von der Leyen zusehends auf eigenem Ticket. Ihr Namenskürzel, vdL, wird in der CDU angeblich schon mit "voll drauf los" übersetzt.

VDL = "Voll drauf los"

In der Unions-Bundestagsfraktion, aber vor allem auch bei CSU und FDP, wächst der Unmut über die Alleingänge der Ministerin. Und somit auch die stille Genugtuung, wenn von der Leyen ausgebremst wird. Schon machen Gerüchte die Runde, dass Merkel intern ihren anderen Stellvertreter, NRW-CDU-Chef Norbert Röttgen, als Kronprinzen ausgeguckt habe. Merkels Draht zum Umweltminister soll eng sein. Von der Leyen, die sich höhere politische Ämter zutraut, dürfte das Geschehen nicht teilnahmslos verfolgen. Die siebenfache Mutter ist eine Kämpferin, hat schon viele Schlachten in der Politik geschlagen. Und viele gewonnen.

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