Kabinett beschließt Atomausstieg bis 2022 "Die Energiewende ist ein Meilenstein"

Berlin (RPO). Das Kabinett hat das Ende der Atomkraft in Deutschland bis 2022 beschlossen. Auch die Nutzung von Ökostrom soll massiv ausgeweitet werden. Umweltminister Norbert Röttgen sieht die Energiewende als gesellschaftliches Pionierprojekt. Ein einstiges Kampfthema werde nun in einen gesellschaftlichen Konsens überführt.

 Einigkeit im Kabinett: Wirtschaftsminister Rösler, Kanzlerin Merkel.

Einigkeit im Kabinett: Wirtschaftsminister Rösler, Kanzlerin Merkel.

Foto: dapd, dapd

"Ich bin davon überzeugt, dass die Beschlussfassung vom heutigen Tag einen Meilenstein in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung unseres Landes darstellt", sagte der CDU-Politiker am Montag nach dem Kabinettsbeschluss der Gesetze zur Energiewende.

Was vor kurzem noch unvorstellbar gewesen wäre, sei innerhalb von drei Monaten umgesetzt worden, sagte Röttgen. Die Bundesregierung will gleichzeitig mit der schrittweisen Abschaltung aller Kernkraftwerke bis 2022 die Nutzung von Ökostrom drastisch ausbauen. Mit dem Enddatum für den Atomausstieg gebe es nun dafür Investitionssicherheit, meinte der Umweltminister.

Bis 2020 sollen erneuerbare Energien mindestens 35 Prozent des deutschen Stromverbrauchs decken. Das sei ein ehrgeiziges Ziel, sagte der CDU-Politiker. Möglich seien aber auch 38 Prozent. Diese Zahl sei bereits an die Europäische Union gemeldet worden. Gleichzeitig sollen zehn Prozent des heutigen Strombedarfs eingespart werden.

Acht Meiler bereits abgeschaltet

Bis zum 8. Juli sollen nun Bundestag und Bundesrat die Vorhaben endgültig unter Dach und Fach bekommen. Kernstück des Pakets ist die Novelle des Atomgesetzes, das die schrittweise Abschaltung der 17 deutschen Reaktoren regelt. Acht davon - die sieben ältesten Meiler und das Atomkraftwerk Krümmel - sind bereits abgeschaltet und sollen sofort dauerhaft stillgelegt werden, die übrigen zwischen 2015 und 2022.

Dafür zeichnet sich folgende Reihenfolge für die Abschaltung ab: Nach Grafenrheinfeld im Jahr 2015 könnte 2017 Gundremmingen B und 2019 Philippsburg II abgeschaltet werden. 2021 sollen das AKW Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen C vom Netz gehen. 2022 folgt das Aus für Neckarwestheim II, Isar II und Lingen.

Darüber hinaus beschloss das Kabinett eine Reihe weiterer Entwürfe, unter anderem zum Ausbau der erneuerbaren Energien und des Stromnetzes. Die Bauplanung für Kraftwerke und Stromtrassen soll beschleunigt werden. Energie soll zudem wesentlich sparsamer eingesetzt werden. Dazu will der Staat unter anderem die Sanierung von Gebäuden fördern.

Die Bundestagsfraktionen wollten am Montagnachmittag in Sondersitzungen über die Energiewende beraten. Bundeskanzlerin Angela Merkel war auf Forderungen der Opposition bereits eingegangen und hatte um einen breiten Konsens geworben. In den eigenen Reihen trifft die CDU-Chefin allerdings auf einige Kritik.

SPD signalisiert Zustimmungs-Bereitschaft

Die SPD hat ihre Bereitschaft signalisiert, dem neuen Atomgesetz zuzustimmen. "Wir können uns vorstellen, dem Atomgesetz zuzustimmen, wenn es ein schneller, unumkehrbarer Ausstieg wird", sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Montag im ARD-"Morgenmagazin".

Entscheidend sei dabei für seine Partei, dass der Ausstieg stufenweise erfolge und nicht als "Kompaktabschaltung" erst in den Jahren 2021 und 2022. Zudem müsse der Atomausstieg an einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien gekoppelt werden.

Vorsichtiger äußerten sich die Grünen. Ihre Partei werde sich zunächst die Details der Regierungsvorlage ansehen, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast dem SWR. Als Bedingungen für eine Zustimmung der Grünen nannte sie eine "ergebnisoffene, vergleichende" Suche nach einem Atommüll-Endlager sowie weitere Zugeständnisse der Regierung beim Ausbau erneuerbarer Energien. Künast machte auch erneut deutlich, dass der Atomausstieg aus Sicht der Grünen schneller möglich wäre als von der Regierung geplant.

Frankreich für EU-Ministertreffen

Der französische Energieminister Eric Besson hat ein Treffen mit seinen EU-Kollegen gefordert, um über die Folgen des deutschen Atomausstiegs zu beraten. Er werde noch am Montag EU-Energiekommissar Günther Oettinger bitten, ein solches Treffen zu organisieren, sagte Besson im Fernsehsender LCI. Dabei solle es um die Auswirkungen der deutschen Entscheidung auf die einzelnen europäischen Länder gehen.

Einige EU-Länder hatten kritisiert, dass die Bundesregierung den Atomausstieg beschloss, ohne vorher mit den Partnern darüber zu sprechen.

(apd/AFP/jre)
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