Gentests an Embryonen Die CDU bleibt beim Nein

Karlsruhe (RP). In Deutschland soll es auch weiterhin verboten sein, befruchtete Eizellen vor dem Einsetzen in die Gebärmutter auf Erbkrankheiten zu untersuchen. Das hat der CDU-Parteitag in Karlsruhe nach einer tiefschürfenden und viele Delegierte aufwühlenden Debatte zur sogenannten Präimplantationsdiagnostik (PID) mit äußerst knapper Mehrheit entschieden.

Bis zum Schluss ist völlig offen, wozu der Parteitag in seiner Mehrheit neigt. Denn in einem sind sich die Anhänger der drei Grundpositionen einig: Für jede Haltung gibt es gute Gründe, die christlichen Überzeugungen entsprechen. Meinungsschwenks zwischen den Lagern belegen dies auch an prominenter Stelle.

Bundeskanzlerin Angela Merkel war noch vor zehn Jahren für die Möglichkeit, schon in der Petrischale und nicht erst im Mutterleib auszutesten, ob das heranwachsende Kind schwere und schwerste Schäden haben wird. Heute bekennt sie, eindeutig für ein Verbot zu sein, weil sie zweifele, die Definition über die Grenzen des Lebens und die Auswahl der Krankheiten klar genug ziehen zu können.

Schröder wollte PID begrenzt zulassen

Den umgekehrten Weg hat Familienministerin Kristina Köhler hinter sich. Sie war zunächst für das Verbot, zeigt sich nun aber überzeugt, die Untersuchung begrenzt zulassen zu müssen. Schließlich mache jeder einen Unterschied zwischen der Petrischale und dem Mutterleib. Auch die Spirale sei zugelassen, obwohl sie die Einnistung befruchteter Eizellen zulasse.

Eine der präzisesten Argumentationen liefert Wirtschafts-Staatssekretär Peter Hintze. Es sei der Welt noch nie gut bekommen, das Wissen verbieten zu wollen. Die Erkenntnis zuzulassen sei ein Gebot der "humanitären Vernunft", sagt der frühere CDU-Generalsekretär und Theologe.

"Es gibt Situationen, da müssen sich unsere Prinzipien am Maß der Mitmenschlichkeit messen lassen", lautet Hintzes Appell. Außerdem: "Ich mache einen Unterschied zwischen einem Fötus mit Köpfchen, Armen und Beinen und einer schützenswerten Eizelle in der Petrischale." Die Untersuchung in der Glasschale sei der "menschlichere Weg". Hintze: "Wir können als Christenmenschen Ja sagen zur PID."

Das unterstreicht auch der stellvertretende Unionsfraktionschef Günter Krings: Aus christlicher Verantwortung könne man hier nicht nur zu einer Überzeugung kommen. Die entscheidende Frage sei, wann menschliches Leben beginne. Und da sei der werdende Mensch in der Petrischale besonders schützenswert. Verbraucherschutz-Staatssekretärin Julia Klöckner holt die Sicht von Behindertenverbänden in die Debatte. "Viele von uns gäbe es nicht, wenn es die PID gäbe", laute dort die Befürchtung.

Klöckner: Wer darf entscheiden?

Klöckner bezweifelt, ob der Bundestag festlegen könne, bei welchen Krankheiten eine PID möglich sein sollte und bei welchen nicht. "Bedenke das Ende", ruft die CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz. Denn die Erkenntnis führe zur "Selektion". Niemand könne entscheiden, an welchem Tag mehr Würde vorhanden sei und an welchem weniger. "Entweder gilt das von Anfang an oder nicht."

Wer dürfe darüber entscheiden, ob ein angelegtes Programm ein Programm für die Welt werden dürfe?, fragt Klöckner. Sie warnt: "Wenn hier Grundsätze nicht mehr gelten sollen, wo sollen sie dann überhaupt noch gelten?"

Maria Flachsbarth weist auf Alternativen hin: Es gebe auch Untersuchungsmöglichkeiten an unbefruchteten Eizellen. Regina Görner sieht mit der PID den Druck wachsen, nur noch perfekte und "funktionierende" Körper als normal anzusehen. Auch der "Jugendlichkeitswahn" habe damit zu tun. Peter Liese arbeitet das Problem von verantwortbaren Grenzen heraus und hinterfragt, was denn "schwere genetische Vorbelastungen" seien. Mukoviszidose? Mongoloismus? J

etzt gebe es auch Untersuchungen über genetisch bedingte Brustkrebs- und Schlaganfallgefährdungen. Man müsse auch die Frauen schützen, die unter immer mehr Druck gerieten, möglichst viele Untersuchungen vornehmen zu lassen. Erfahrungen im Ausland zeigten, dass das Ergebnis von PID nicht weniger, sondern mehr Abtreibungen seien, da sich eine ganze Reihe von Erkrankungen nicht bei der PID sondern erst später feststellen lasse.

Spahn: Im Zweifel für das Leben

"In dubio pro vita", lautet die Empfehlung des Unions-Gesundheitspolitikers Jens Spahn — im Zweifel für das Leben. Bundestagspräsident Norbert Lammert betont nach einer langen Liste weiterer Redner pro und contra PID, er sei stolz auf seine Partei, die eine solche "grandiose Debatte" führe.

Bei ihm aber seien die Zweifel gewachsen, ob er mit seiner ursprünglichen Meinung, nur das strikte Verbot sei die richtige Entscheidung, noch richtig liege. Die Mahnung von Fraktionschef Volker Kauder, bloß keine Tür zu öffnen, ohne zu wissen, was dahinter komme, weist Lammert zurück: "Lieber Volker Kauder, die Tür ist längst offen."

Auch die neue Vizeparteichefin Ursula von der Leyen bedankt sich für das "differenzierte Ringen". Orientierungspunkte für die CDU seien Nächstenliebe, Fürsorge, Achtung vor der dem Leben und Bewahrung der Schöpfung. Und sie erinnert an das zurückliegende Ringen um künstliche Befruchtung. "Das dürfen wir nicht", habe es vor Jahrzehnten geheißen, und nun säßen wohl auch in diesem Saal Menschen, die es ohne künstliche Befruchtung nicht gäbe.

Eindringlich beschreibt von der Leyen die verzweifelte Situation von Paaren, deren Sehnsucht nach einem Kind von der Angst vor Erbkrankheiten überschattet werde. Hier könne "die PID das Ja zum Kind stärken", betont die Arbeitsministerin.

Von der Leyen: Kann Abtreibungen verhindern

Vor allem weist auf einen Widerspruch hin: Aus der befruchteten Eizelle in der Glasschale werde niemals ein Mensch, es sei denn, ein anderer Mensch schwemme sie in eine Gebärmutter ein. In der Glasschale solle die Untersuchung verboten sein. Aber bei einer Schwangerschaft in der Gebärmutter, aus der immer ein Mensch werde, es sei denn, es komme zu einer Abtreibung, sei aber die Untersuchung zugelassen. Das sei schwer zu verstehen. Die Schlussfolgerung für von der Leyen: "Die PID kann Abtreibungen und Totgeburten verhindern."

Nach dreieinhalb Stunden die Entscheidung: Der Parteitag votiert einstimmig für die Begründung, die die Antragskommission aus allen vorliegenden Anträgen für oder gegen ein PID-Verbot herausgeschrieben und zusammengefasst hat. Eine Mehrheit will auch Lammert nicht folgen, das Thema noch einmal zu vertagen und sich intensiver mit möglichen Lösungsvorschlägen zu beschäftigen.

Übrig bleibt die Frage: Ja oder nein zur PID. Darüber wird schriftlich abgestimmt. Doch auf das Ergebnis müssen die Delegierten lange warten. Der mit einem Grußwort eingeschobene CSU-Vorsitzende Horst Seehofer findet einfach kein Ende. Er redet und redet und redet, obwohl der CDU-Parteitag noch alle Leitanträge mit über 70 Seiten allein an Regieanweisungen abzuarbeiten hat. Er hat mitbekommen, wie CDU-Delegierte ihre Kurzbeiträge zurückzogen, um voranzukommen.

Aber Seehofer redet und redet und redet. Über eine Stunde lang. Dann endlich das Ergebnis der Abstimmung, das die Zerrissenheit der Partei in dieser ethisch brisanten Frage zeigt: 391 Stimmen (48,94 Prozent) für die PID in "engen Grenzen", 408 Stimmen (51,06 Prozent) für ein Festhalten am PID-Verbot. Ministerpräsident Stefan Mappus: "Das war eine Sternstunde in der Geschichte der CDU-Parteitage."

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