Bundesweiter Großstreik So reagiert die Bundespolitik auf den Doppel-Warnstreik

Berlin · Am Montag hat ein Doppelstreik das Land lahmgelegt. Doch laut Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wird es nicht der letzte gewesen sein. Während Linke und Grüne die Verantwortung bei den Arbeitgebern sehen, ziehen Union und FDP ein gemischtes Fazit.

 An vielen Bahnhöfen in Deutschland herrschte am Montag gähnende Leere.

An vielen Bahnhöfen in Deutschland herrschte am Montag gähnende Leere.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Am Montag hat ein 24-stündiger Großstreik der Eisenbahnergewerkschaft EVG und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi den öffentlichen Verkehr in Deutschland weitgehend lahmgelegt. Da die Bahn den Zugverkehr eingestellt hatte, mussten vor allem Pendler viel Geduld aufbringen. Auch an den Flughäfen in der Republik ging nichts mehr. So wollen Arbeitnehmer ihren Lohnforderungen Nachdruck verleihen.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, rechnet jedoch mit weiteren Streiks. „Der heutige Streiktag könnte nur den Anfang eines intensiven Arbeitskampfes markieren. Wir erleben gerade eine Zeitenwende auf dem Arbeitsmarkt, weg von einem Arbeitgebermarkt, hin zu einem Arbeitnehmermarkt“, sagt Fratzscher.

Durch den großen Fachkräftemangel würden Beschäftigte an Macht gewinnen, mit der sie höhere Lohnabschlüsse durchsetzen könnten. „Der Streiktag heute dürfte zwar einige Unternehmen hart getroffen haben, hat aber gesamtwirtschaftlich nur geringe Kosten, da sich viele drauf einstellen und mobil arbeiten konnten. Trotzdem ist eine Stärkung der Sozialpartnerschaften wichtig und wünschenswert, um in Zukunft größere Arbeitskämpfe zu vermeiden“, sagt Fratzscher.

Die Union zieht mit Blick auf die Arbeitsniederlegung ein gemischtes Fazit. Die wirtschaftspolitische Sprecherin Julia Klöckner hält die Streiks für einen „nachvollziehbaren Akt der Frustration vieler Arbeitnehmer“. Steigende Lebenshaltungskosten und die Inflation hätten vielen Arbeitnehmern ein Loch in den Geldbeutel gerissen. „Dennoch müssen die Lohnanpassungen angemessen und realistisch sein, sonst droht uns eine noch stärkere Inflation“, so die CDU-Politikerin. „Anstatt das ganze Land lahmzulegen und weiter zu eskalieren, sollten ernsthafte Verhandlungen geführt werden. Beide Parteien müssen hierfür Kompromisse eingehen, damit eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden kann.“

Und auch die FDP übt Kritik. „So wie sich dieser Warnstreik ausgestaltet, muss man eher von einem Flächenstreik sprechen. Ob das wirklich angemessen ist, ist daher fraglich“, sagt Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Die besonders Betroffenen seien diejenigen, die in Präsenz auf der Arbeit erscheinen mussten. „Dieser Streik treibt diese Menschen in den motorisierten Individualverkehr, obwohl es uns doch eigentlich um das Gegenteil gehen muss“, sagt Houben. In ihrem Interesse seien Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände dazu aufgerufen, schnellstmöglich zu einem angemessenen Ergebnis zu kommen.

Die arbeitspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Susanne Ferschl, sieht hingegen die Verantwortung für die Ausfälle und das Chaos bei der Arbeitgeberseite, welche den Streik mit einem respektvollen Angebot beenden könnte. Gute Löhne und Arbeit seien vor allem im Verkehrssektor und im Öffentlichen Dienst zwingend notwendig, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen. „Die Beschäftigten streiken also nicht nur für sich, sondern auch für die öffentliche Daseinsvorsorge – auch deswegen haben sie unser aller Solidarität verdient", so Ferschl.

Auch Frank Bsirske, arbeitspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, befürwortet die gemeinsame Aktion von Verdi und EVG. Nach Jahren mit hohen Reallohnverlusten könnten sich Normalverdienende die steigenden Preise nicht mehr leisten. „Wenn die Arbeitgeber glauben, das ignorieren zu können, ist Streik die richtige Antwort“, so Bsirske. Der Warnstreik sei ein starkes Signal, das die Arbeitgeberseite ernstnehmen sollte.

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