Koalitionsverhandlungen 22 Arbeitsgruppen, ein Ziel und eine Angst

Meinung · Vor allem die Grünen fürchten, bei den Koalitionsverhandlungen ausgerechnet beim Klimaschutz unter die Räder zu kommen. Das verheißt nichts Gutes und gefährdet den Zeitplan für einen Abschluss des Koalitionsvertrages.

 Jetzt sind wieder die Generalsekretäre an der Reihe: Volker Wissing (FDP, vorne), Lars Klingbeil (SPD, Mitte) und Michael Kellner (Grüne) führen jetzt zusammen, was 300 Fachpolitiker aus 22 Arbeitsgruppen erarbeitet haben.

Jetzt sind wieder die Generalsekretäre an der Reihe: Volker Wissing (FDP, vorne), Lars Klingbeil (SPD, Mitte) und Michael Kellner (Grüne) führen jetzt zusammen, was 300 Fachpolitiker aus 22 Arbeitsgruppen erarbeitet haben.

Foto: dpa/Christophe Gateau

Prüfungstag. Die potenziellen Ampel-Koalitionäre haben ihre Facharbeit abgegeben. Ein nächster Schritt auf dem Weg zur großen Nikolaus-Woche, wenn Olaf Scholz als vierter Sozialdemokrat der bundesrepublikanischen Zeitrechnung von der Ampel-Mehrheit des Bundestages zum nächsten Bundeskanzler gewählt werden soll. Wenn sich 300 Fachpolitiker mit jahrelang eingeübten Standpunkten in 22 Arbeitsgruppen über ihre Spezialgebiete beugen, muss es geruckelt, streckenweise vermutlich auch gerumst haben. Alles andere wäre weltfremd, auch wenn das beachtliche Schweigegelübde der Verhandler bislang tatsächlich funktioniert. Wer quatscht, der fliegt – diese Devise hat die Neigung zur üblichen Redseligkeit und Mitteilungsbereitschaft im politischen Betrieb jedenfalls wirksam eingedämmt. Mindestens aus der ersten Reihe von SPD, Grünen und FDP will Jede und Jeder etwas werden, die zweite Reihe hofft.

Die Ampel kann funktionieren, eventuell sogar eine Art Aufbruch für das Land bringen, wenn alle drei Partner auf ihren jeweiligen Feldern Ergebnisse vorweisen zu können, für die sie auch gewählt worden sind. Die SPD hat Arbeit und soziale Gerechtigkeit, die FDP das große Freiheitsthema, auch den modernen Staat als wichtige Punkte. Der Markenkern der Grünen ist um den Klimaschutz gebaut und gewachsen. Und genau hier fürchten die einstigen Ökopaxe unter die Räder zu kommen. Die Angst geht um, am Ende einfach nicht genügend zu liefern. So komfortabel die Ausgangslage der Grünen zu einem frühen Zeitpunkt des Wahlkampfes schien, so schwierig und ungemütlich ist es für sie mittlerweile geworden. Ihr Wahlergebnis ist das beste im Bund in den bald 42 Jahren ihrer Parteigeschichte. Und doch sind sie hinter den Erwartungen zurückgeblieben. 14,8 Prozent – suboptimal. Aus dem Anspruch, das Land von vorne zu führen, ist ein Mitregieren geworden, wenn denn die Ampel kommt.

Klimawandel ist das Megathema für diesen Planeten geworden. Was immer eine Ampel-Koalition bei den nationalen Zielen künftig nicht erreicht, wird bei den Grünen abgeladen werden. Die Last für Grüne ist mindestens so groß wie ihre Lust zu regieren. Dass einige Grüne wie der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Herrmann schon vor Neuwahlen warnt, ist Getöse. Nichts davon wird kommen. Annalena Baerbock und Robert Habeck werden keine Nachahmungstäter in Koalitionsverweigerung wie 2017 Christian Lindner vor der Überfahrt nach Jamaika. Doch bisher mussten vor allem die Grünen (nebenbei auch die SPD) das Tempolimit der FDP opfern. Auch das Aus für den Verbrenner ist bislang nicht explizit für diese Koalition beschlossen, wenn auch angestrebt. Wie hoch wird der CO2-Preis? Ein Kohleausstieg „idealerweise“ bis 2030 heißt noch lange nicht, dass es auch ideal wird. Die Grünen ahnen, dass das Ergebnis dieser Koalitionsverhandlungen ihre Aussichten bei der nächsten Bundestagswahl massiv beeinflussen wird. Schlecht verhandelt ist schon halb verloren.

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