Große Koalition Die Agenda Scholz

Berlin (RP). Der designierte Arbeits- und Sozialminister Olaf Scholz steht vor einer Mammutaufgabe. Er muss sich als Neuling Respekt im Kabinett erarbeiten und zugleich in dem politisch umstrittensten Ressort Koalitions-Kompromisse umsetzen. Die Liste der Themen ist lang.

Olaf Scholz - Hoffnungsträger der SPD
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Wie Arbeit und Kapital an einen Tisch gebracht werden, das weiß der Rechtsanwalt Olaf Scholz aus früheren Tagen. Als Arbeitsrechtler vertrat der designierte Arbeitsminister in seiner Hamburger Kanzlei mehrfach Betriebsräte, Gewerkschafter und Arbeitgeber. Wie so oft in der Juristerei siegte am Ende meist das außergerichtliche Schlichtungsverfahren.

Dieses professionelle Vermittlungstalent, diesen zielorientierten Pragmatismus kann der 49-jährige Scholz in seinem neuen Amt gut gebrauchen. Schließlich ist das Arbeits- und Sozialministerium das derzeit meist umkämpfte Ressort der Republik. Die Wunschliste der Lobbyisten ist lang. Sozialverbände fordern von dem Minister eine Anpassung der Renten, Gewerkschaften den flächendeckenden Mindestlohn. Wirtschaftsverbände hoffen auf Scholz als "Reformpolitiker", der sich gegen das Aufweichen der Agenda 2010 wehrt.

Hinzu kommen die Koalitions-Sprengsätze, die reihenweise in seinen Verantwortungsbereich fallen. Der Mindestlohn bei der Post etwa. Scholz hatte unlängst in kleiner Runde betont, dass die Lohnuntergrenze "das" Thema der SPD sei und in seiner typisch ironisch-undurchsichtigen Art nachgeschoben, dass man notfalls per Rechtsverordnung und über das Gesetz für Mindestarbeitsbedingungen aktiv werden könnte.

Reform des Entsendegesetzes

Was das heißt? Scholz wird die Juristen in seinem neuen Ministerium darauf ansetzen. Im März sollen Branchen wie Leiharbeit, Fleischverarbeiter und Wachdienste in das Entsendegesetz aufgenommen werden. So könnte sich der Mindestlohn klammheimlich ausbreiten und der einst mit einem Ohrfeigen-Ergebnis von 52Prozent abgewatschte Ex-Generalsekretär als standhafter Minister auf dem SPD-Wahlparteitag feiern lassen.

Was ist mit rund 400.000 älteren Langzeitarbeitslosen, denen vom 1. Januar 2008 an die "Zwangsverrentung" droht (58er-Regel)? Die SPD will Härtefälle schützen, die Union mauert. Zuständig für einen Kompromiss: Scholz' Arbeitsministerium. Was ist mit der Rente mit 67? Gewerkschaften und Parteilinke fordern Sonderbestimmungen für körperlich besonders hart arbeitende Berufsgruppen. Scholz, der sich 1998 als Neuling im Bundestag zunächst um die Rentenreform kümmerte, soll's nun richten. Auch den von Müntefering noch in der Schublade liegenden Plänen zur Neuordnung des Niedriglohnsektors, zur Mitarbeiterbeteiligung oder zu Lohnobergrenzen für Manager, den "Höchstlöhnen", wird sich Scholz widmen (müssen).

Arbeitslosengeld I endlich konkret

Nicht zuletzt den gerade mühsam ausgehandelten Koalitions-Kompromiss beim Arbeitslosengeld I soll Scholz schnell in konkrete Gesetzesform gießen. Und zwar so, dass am Ende beide Seiten der Regierung ihr Gesicht wahren können. Sprich: Möglichst viele ältere Arbeitslose, die länger Arbeitslosengeld I bekommen (wichtig für die SPD) und möglichst wenig neue Kosten (wichtig für die Union).

Es ist eine mächtige Herausforderung für den Mann, den Parteifreunde als "intelligent, aber ohne Profil" bezeichnen. Scholz, als Fraktionsgeschäftsführer bislang eher der effiziente Stratege im Hintergrund, wird aus der Deckung kommen müssen. Wo er inhaltlich steht, ist ungewiss. Als Schröders Generalsekretär war er glühender Verfechter der Agenda-Politik und legte sich mit dem Chef des Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, an. Im Streit um das Arbeitslosengeld I stand Scholz hinter Beck.

Kopfschütteln

Einmischungen in die Familienpolitik ("Lufthoheit über den Kinderbetten") und die Wirtschaftspolitik ("Deutschlandfonds für Arbeitnehmer") sorgten nur für Kopfschütteln. Und doch betonen nicht nur Parteifreunde, dass Scholz mehr ist als der ausgebuffte Jurist und emsige Parteimanager. Die Lästereien über seinen monotonen Sprachstil - in seiner Zeit als Generalsekretär wurde er "Scholzomat" genannt - seien nur Mediengags.

Altkanzler Gerhard Schröder hatte stets betont, dass man mit dem "Hamburger" noch rechnen müsse. "Alle finden, dass ich was kann", sagte Scholz selbst einmal über seine Stellung in der Partei. Jetzt wird er es beweisen müssen.

(RP)
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