Hartz-Gesetze DGB und Caritas kritisieren Arbeitsmarktreform scharf

Berlin (RPO). Die vor fünf Jahren begonnenen Arbeitsmarktreformen betrachten Gewerkschaften und Sozialverbände als gescheitert. Mit den so genannten Hartz-Gesetzen sei für Arbeitslose das Risiko der Verarmung gestiegen, erklärte der DGB. Der Deutsche Caritasverband hält die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe als sinnvoll, kritisierte aber die Umsetzung der Reform als unbefriedigend.

Die Hartz-Gesetze I-IV: unwirksame Reform oder großartiger Wurf?
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Die Hartz-Gesetze I-IV: unwirksame Reform oder großartiger Wurf?

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Die Bilanz des Deutschen Gewerkschaftbundes (DGB) und des Deutschen Caritasverbandes (DCV) zur Reform des Arbeitsmarktes fällt überwiegend negativ aus. Der "größte Einschnitt in die Arbeitsmarktpolitik seit Bestehen der Bundesrepublik" habe zu "erheblichen Verwerfungen am Arbeitsmarkt" geführt und deutlich das Verarmungsrisiko erhöht, so der DGB am Mittwoch. Der Deutsche Caritasverband (DCV) begrüßte die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. In der Umsetzung der Reform müsse jedoch nachgebessert werden.

Am 16. August 2002 hatte der frühere VW-Personalvorstand Peter Hartz die Ergebnisse der nach ihm benannten Kommission zur Arbeitsmarktreform an den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder übergeben.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach erklärte, vor allem Hartz IV mit Arbeitslosengeld II (ALG) und der Abkoppelung der Leistungen vom letzten Lohnniveau sei ein "fataler Paradigmenwechsel in der deutschen Arbeitsmarktpolitik". Statt der angestrebten Halbierung der Arbeitslosigkeit innerhalb von drei Jahren seien "neue Verschiebebahnhöfe und Arbeitslose 1. und 2. Klasse" geschaffen worden. Hartz sei zu einem Synonym für eine breite gesellschaftliche Verunsicherung geworden. Buntenbach betonte, der Beschäftigungsanstieg der vergangenen Monate sei nicht auf die Hartz-Reformen zurückzuführen. Diese hätten nur die soziale Selektion verschärft.

Buntenbach verlangte, ältere Arbeitslose müssten bis zu 24 Monate Arbeitslosengeld I bekommen, um deren Eingliederungschancen zu verbessern. Bei den "Hartz IV"-Regelsätzen sollten zudem kurzfristig Preissteigerungen seit 2005 berücksichtigt werden. Die Zumutbarkeitsregelung müsse entschärft werden, die Arbeitslose zwinge, "bis zur Sittenwidrigkeitsgrenze" jeden Lohn zu akzeptieren. Darüber hinaus sei eine Qualifizierungsoffensive sowie eine gemeinsame Anlaufstelle für alle Arbeitsuchenden notwendig.

DCV-Generalsekretär Georg Cremer lobte, die neue Existenzsicherung für Arbeitssuchende habe zum Abbau der verdeckten Armut beigetragen. Vorher seien zu viele Menschen in das System der Sozialhilfe abgeschoben worden, viele Geringverdiener hätten aus Scham oder Unwissen auf ergänzende Sozialhilfe verzichtet. "Die Umsetzung der Reform ist jedoch unbefriedigend", betonte Cremer.

Noch immer fehlten ausreichend qualifizierte Fallmanager, ALG-II-Bezieher seien mit unverständlichen Bescheiden konfrontiert. Zudem hätten "unsachliche Schuldzuweisungen und populistisch geprägte Debatten" zu einer "nicht sachgemäßen Verschärfung der Sanktionen" geführt, sagte Cremer. Unbefriedigend sei auch das Verfahren zur Anpassung des Regelsatzes, das den Kostensteigerungen bei lebenswichtigen Gütern nicht gerecht werde. Zur dauerhaften Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit forderte Cremer mehr Bildungsgerechtigkeit.

Dagegen wies der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, den Vorwurf des Sozialabbaus in einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau" als falsch zurück. Er zog eine positive Bilanz der Hartz-Reformen. Der Übergang zum Fördern und Fordern sei "gelungen", sagte Weise.

In der CDU wächst die Unterstützung für eine Anhebung der Bezüge von Hartz-IV-Empfängern. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) schloss sich in der Wochenzeitung "Zeit" jetzt einem entsprechenden Vorstoß seines Amtskollegen Dieter Althaus (CDU) an: "Dieter Althaus hat recht: Die Leistungen in diesem Bereich sollen das Existenzminimum sicherstellen. Wenn Grundnahrungsmittel erheblich teurer werden, müssen auch Hartz-IV-Empfänger mehr Geld bekommen", sagte Müller der "Zeit" zufolge. Althaus hatte als einer der ersten CDU-Politiker mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger gefordert und als Grund die höheren Lebensmittelpreise, etwa für Milch, genannt.

Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) sagte im ZDF-"heute journal", sollte man eine Erhöhung beschließen, müsse man prüfen, woher das Geld komme und wie man den Staat zugleich entlasten könne. Ein Mindestlohn könnte hierbei die Sozialtransfers des Staates verringern. "Ich bin sicher, dass der Mindestlohn kommt", sagte Müntefering. Die Union sei bei diesem Thema schon klüger geworden.

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