Alarmierende Studie Deutschlands Jugend driftet nach rechts

Berlin (RPO). Das Innenministerium hat am Dienstag die Ergebnisse einer umfassenden Studie über Gewalt in der Lebenswelt von Jugendlichen in Deutschland vorgestellt. Innenminister Wolfgang Schäuble zeigte sich erschrocken. Jeder fünfte männliche Jugendliche ist als stark ausländerfeindlich einzustufen. Im rechtsextremen Milieu sind inzwischen mehr 15-Jährige organisiert als in politischen Parteien.

 Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU, r.) und Christian Pfeiffer, Chef des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen stellten am Dienstag die Ergebnisse der Studie zu Jugendgewalt in Deutschland vor.

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU, r.) und Christian Pfeiffer, Chef des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen stellten am Dienstag die Ergebnisse der Studie zu Jugendgewalt in Deutschland vor.

Foto: ddp, ddp

Die vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebene Studie, die bisher größte zum Thema Jugendgewalt in Europa, wurde am Dienstag in Berlin vorgestellt. Dafür wurden 44 610 zufällig ausgewählte Jugendliche der neunten Jahrgangstufe aus 61 repräsentativ ausgewählten Regionen befragt.

Der dramatische Befund der Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen folgt im letzten Teil des 132-seitigen Papiers. "Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsextremismus" heißt es dort im im nüchternen Wissenschaftsdeutsch. Und dann, dass knapp zwei Drittel der deutschen Jugendlichen Ausländer mit Skepsis betrachten. 64 Prozent neigen mehr oder weniger stark zu der Aussage, in Deutschland gebe es zu viele Ausländer.

Schäuble erschrocken

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) äußerte sich bei der Vorstellung der Studie in Berlin über die Ergebnisse der erstmaligen Befragung der Kriminologen zu rechten Verhaltensweisen bei Jugendlichen "erschrocken". Diese Zahlen seien Anlass, die Präventionsbemühungen weiter zu intensivieren, sagte er. Dies sei Aufgabe der ganzen Gesellschaft.

Der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, sprach von "erschreckenden Erkenntnissen". So liege die Quote der Jugendlichen, die der Aussage "In Deutschland gibt es zu viele Ausländer" uneingeschränkt zu stimmten, bei 29,7 Prozent. Auf antisemitische Einstellungen ließen die Antworten von 6,4 Prozent der Jungen und 2,1 Prozent der Mädchen schließen, erläuterte der Kriminologe. Es müsse die Gesellschaft aufrütteln, dass ein hoher Anteil der Jungen in das Fahrwasser der Rechten geraten sei, erklärte Pfeiffer und sagte weiter: "Wir müssen die Nachmittage der Jungen retten und mehr Freizeitangebote schaffen."

In besonderem Maße ausgeprägt sind die ausländerfeindlichen Einstellungen bei 14,4 Prozent der Befragten, 19 Prozent bei den Jungen und 9,6 Prozent bei den Mädchen. 4,9 Prozent der Jungen und 2,6 Prozent der Mädchen gaben sogar an, Mitglied einer rechtsextremen Gruppe oder Kameradschaft zu sein.

Starke regionale Unterschiede

In den bundesweit 61 Befragungsgebieten gibt es jedoch starke regionale Unterschiede. Im Westen liege der Anteil rechtsextremer Anschauungen bei den männlichen Jugendlichen in den untersuchten Regionen zwischen 2,3 und 15,2 Prozent. In Ostdeutschland bewegten sich diese Quoten zwischen null und 17,4 Prozent. Dabei gebe es in Großstädten weniger Ausländerfeindlichkeit als auf dem flachen Land. Am häufigsten seien rechtsextreme Auffassungen an Hauptschulen anzutreffen.

Aber auch Gewalt spielt eine große Rolle: Laut Studie liegt der Anteil der Jugendlichen, die Opfer von Gewalt geworden sind, bei 4,8 Prozent. Schwere Körperverletzungen erlitten 3,2 Prozent, wobei der Anteil von Übergriffen in den Familien überwiegt. Die Täterzahlen bei Jugendlichen, die schwere Körperverletzungen verübt haben, liegt bei 2,9 Prozent. "Gewalt wird in Familien produziert", sagte Pfeiffer.

Gewaltrate insgesamt rückläufig

Im Vergleich zur ersten Befragung 1998/99 lag die Quote der Jugendlichen, die nach eigenen Angaben innerhalb eines Jahres mindestens eine Gewalttat begangen haben, in den Regionen diesmal bei 11,5 und 18,1 Prozent. Vor einem Jahrzehnt hatte sie zwischen 17,3 und 24,9 Prozent betragen. Auch bei den Mehrfachtätern sei die Tendenz rückläufig.

Schäuble sieht in der Studie "Anstöße zum Handeln". Es gebe in vielen Bereichen signifikante Fortschritte, die Mut machten. Es sei bemerkenswert, dass es im Gewaltverhalten bei gleichen Voraussetzungen keine Unterschiede zwischen Deutschen und Migranten gebe.

(DDP)
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