Deutschlandpakt des Kanzlers „Dünne Suppe“ oder richtiger Schritt?

Exklusiv | Berlin · NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst fühlt sich „veräppelt“ und die Unionsfraktion im Bundestag spricht von „dünner Suppe“. Andere wiederum setzen Hoffnungen in den Deutschlandpakt des Kanzlers. Reaktionen auf den Vorstoß.

 Hendrik Wüst (r.) sieht im Deutschlandpakt von Kanzler Olaf Scholz (l.) nur einen PR-Gag.

Hendrik Wüst (r.) sieht im Deutschlandpakt von Kanzler Olaf Scholz (l.) nur einen PR-Gag.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Es war ein Vorstoß des Kanzlers, von dem auch viele in der Ampel nichts wussten: Olaf Scholz (SPD) will das Land mit einem „Deutschlandpakt“ modernisieren. Nicht jeder kann der Idee etwas abgewinnen, geschweige denn, will den Regierungschef unterstützen. Andere wiederum hoffen endlich auf Umsetzung dessen, was sie für dingend notwendig halten.

Harsch fiel nach der Ankündigung des Kanzlers die Reaktion von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst aus. Er sprach das aus, was auf Länderseite wohl viele gedacht haben: „Ich fühle mich offen gesprochen veräppelt“, so Wüst zu unserer Redaktion. Der CDU-Politiker ergänzte: „Der so genannte Deutschlandpakt ist ein reiner PR-Gag für Projekte, die ohnehin schon in der Pipeline sind und die wir als Länder schon seit langem fordern.“ Wüst erinnerte daran, dass seit zehn Monaten Ideen der Länder zur Planungsbeschleunigung auf dem Tisch lägen. „Monatelang kam keine Reaktion aus dem Kanzleramt. Der Bund hat wertvolle Zeit vertrödelt - zu Lasten des Wirtschaftsstandorts Deutschland“, sagte Wüst. „Wenn der Kanzler seine neuen, vollmundigen Ankündigungen wirklich und endlich ernst meinen sollte, nehmen wir ihn direkt in die Pflicht.“ Die Länder stünden sofort bereit, „den längst verabredeten Pakt für Planungsbeschleunigung jetzt auch umzusetzen.“

Wüst provozierte propmpt eine Reaktion des neuen Co-Vorsitzende der NRW-SPD, Achim Post: „Angesichts der Herausforderungen vor denen wir stehen, können wir uns das ewige Hin und Her im deutschen Föderalismus nicht länger leisten. Das von Olaf Scholz heute im Bundestag gegenüber den Bundesländern gemachte Angebot eines ,Deutschland-Paktes‘ ist daher das richtige Signal für mehr und schnellere Zusammenarbeit.“ Man brauche mehr Tempo und einfachere Verfahren auf allen politischen Ebenen, verlangte Post. „Da müssen Bund und Länder an einem Strang ziehen. Ich fände es gut, wenn hier auch Herr Wüst nicht persönliche Befindlichkeiten in den Vordergrund stellen, sondern die gemeinsame Verantwortung aktiv und konstruktiv annehmen würde.“

Aus der Unionsfraktion, die von der Ankündigung ebenso überrascht worden war, hörte man ähnliche Töne wie die von Wüst. Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) erklärte: „Das Konzept, das bisher als Deutschlandpakt bezeichnet wird, reicht nicht aus. Die Bürger erwarten mehr als dünne Suppe.“ Frei ergänzte aber auch: „Uns geht es um unser Land und die Menschen. Daher reichen wir der Regierung die Hand, stellen ihr aber keinen Blankoscheck aus.“

Auch seitens der Kommunen wurden prompt Forderungen erhoben: „Wenn Bund und Länder den Deutschlandpakt mit Leben füllen wollen, müssen sie ihn mit einer klaren finanziellen Basis unterlegen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, unserer Redaktion. Der Pakt könne „ein Baustein zur Modernisierung unseres Landes und für den wirtschaftlichen Aufschwung sein“, betonte Landsberg. Allerdings fehle in dem nun vorgelegten Konzept eine belastbare finanzielle Grundlage für Investitionen in die Infrastruktur, vor allem in den Kommunen. Der Städtetag forderte eine Beteiligung an den weiteren Verhandlungen zum „Deutschlandpakt“. „Wir wissen, wo vor Ort der Schuh drückt“, meinte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy auf Nachfrage. Deshalb gehörten die Städte bei den weiteren Gesprächen mit an den Tisch. Der Städtetag wolle schnellere, einfachere und besser digitalisierte Verfahren. Das sei der „absolut richtige Ansatz“ und entlaste die Städte. „Planung und Vergabe dauern bei vielen Projekten derzeit einfach zu lange, da lässt sich einiges entschlacken“, sagte Dedy.

Aus der Wirtschaft erhielt der Kanzler Rückendeckung für seinen Pakt. „Die Ziele unter der Überschrift sind richtig: Ballast abwerfen, schneller werden, mutiger und digitaler agieren“, erläuterte DIHK-Präsident Peter Adrian unserer Redaktion. Der Wirtschaftsstandort Deutschland habe viele strukturelle Probleme wie hohe Energiepreise, Fachkräftemangel, mangelnde Infrastruktur und überbordende Bürokratie, ergänzte Adrian. Die Unternehmen würden in der Breite nur dann wieder mehr Vertrauen in die Politik gewinnen, „wenn eine positive Veränderung konkret in der Praxis ankommt“, betonte der Präsident.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger mahnte die Bundesregierung, dann auch der Ankündigung Taten folgen zu lassen. Dulger sagte unserer Redaktion: „Mit dem angekündigten Deutschlandpakt wacht die Bundesregierung endlich auf.“ Zu lange habe die Ampel-Regierung die Digitalisierung verschlafen und an bürokratischen Hürden für Wirtschaft und Gesellschaft festgehalten, ergänzte Dulger. „Gemeinsam mit den Ländern muss sie das Maßnahmenpaket jetzt schnell auf den Weg bringen. Ankündigungen sind keine Taten“, betonte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Dulger erklärte weiter: „Dass die Bundesregierung endlich Genehmigungsverfahren beschleunigen will, begrüßen wir.“ Die Digitalisierung müsse auf allen Ebenen jetzt konsequent umgesetzt werden. „Dazu gehört auch, dass die Politik die Lust auf Gründungen und Innovationen positiv flankiert“, so der Präsident.

(has/grz)
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