60. Jahrestag des Elysée-Vertrags Freundschaftsfeier in schwierigen Zeiten

Paris/Berlin · Deutschland und Frankreich begehen am Sonntag, 22. Januar, den 60. Jahrestag des Elysée-Vertrags. Der Krieg in der Ukraine stellt die Nachbarn vor neue Herausforderungen.

Der französische Staatspräsident Charles de Gaulle (r) und der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer unterzeichnen am 22.1.1963 im Pariser Elysee-Palast den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag.

Der französische Staatspräsident Charles de Gaulle (r) und der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer unterzeichnen am 22.1.1963 im Pariser Elysee-Palast den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag.

Foto: dpa/UPI

In diesen Tagen sind erneut die Schwarz-Weiß-Bilder aus dem Salon Murat des Pariser Elysée-Palasts zu sehen, in dem Charles de Gaulle und Konrad Adenauer vor 60 Jahren einen historischen Vertrag unterzeichneten. Er beendete nur 18 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich. Die darauf folgenden Jahrzehnte scheinen im Nachhinein wie eine kontinuierliche Weiterentwicklung jener harmonischen Szenen von damals zu sein. Auf De Gaulle und Adenauer folgten Helmut Schmidt und Valéry Giscard d’Estaing, die Grundlagen für die europäische Währungsunion legten. Danach kamen François Mitterrand und Helmut Kohl, die sich über den Gräbern von Verdun die Hand reichten.

Was allerdings bei diesen Erzählungen unter den Tisch fällt, sind die mühsamen Annäherungen, die jedes deutsch-französische Paar erst einmal durchleben musste. So passte die bedächtige Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht gut zu dem nervösen Präsidenten Nicolas Sarkozy, obwohl beide konservativen Parteien angehörten. „Frankreich handelt, Deutschland denkt nach“, lautete ein Satz Sarkozys, der in Deutschland nicht gut ankam. Auch mit Sarkozys Nachfolger François Hollande kam Merkel anfangs nicht gut klar. Erst als Wladimir Putin 2014 die Krim annektierte, fanden sich die beiden in ihrem gemeinsamen Bemühen, Frieden zu schaffen. „Es gibt bei jedem deutsch-französischen Paar zu Beginn eine Sozialisierungsphase“, sagt Stefan Seidendorf vom deutsch-französischen Institut in Ludwigsburg.

Das galt auch für Merkel und Emmanuel Macron, über den die Kanzlerin in einem Zeitungsinterview sagte: „Gewiss, wir ringen miteinander“. Deutsche Alleingänge, beispielsweise die Grenzschließungen in der Corona-Pandemie, sorgten beim französischen Nachbarn immer wieder für Ärger. Dennoch war die Kanzlerin, mit der Macron 2019 den Aachener Vertrag unterzeichnete, in Frankreich äußerst beliebt: 51 Prozent bedauerten ihren Abgang im Dezember 2021. Macron bereitete Merkel in Beaune einen warmherzigen Abschied und erinnerte in seiner letzten Nachricht an die Kanzlerin an den europäischen Wiederaufbauplan, den die beiden im Sommer 2020 als deutsch-französische Initiative präsentiert hatten. Er umfasste 750 Milliarden Euro an Wiederaufbauhilfe und wurde erstmals durch gemeinsame Verschuldung finanziert, die jahrzehntelang ein deutsches Tabu gewesen war. Ausgehandelt worden war der Plan von den beiden damaligen Finanzministern: Bruno Le Maire und Olaf Scholz.

Das war noch, bevor der Krieg in der Ukraine begann und damit auch das deutsch-französische Verhältnis durcheinander brachte. Merkels Nachfolger Scholz verkündete im Bundestag eine „Zeitenwende“, die in Frankreich durchaus begrüßt wurde. Der Nachbar hatte schon lange höhere Verteidigungsausgaben von Deutschland gefordert. Doch Frankreich kam in den deutschen Plänen kaum vor. In seiner Prager Rede zur Europapolitik erwähnte der Bundeskanzler Frankreich nicht und auch bei den geplanten neuen Rüstungsprojekten blieb das Nachbarland weitgehend außen vor. Die Beziehungen erreichten einen Tiefpunkt, als Macron den deutsch-französischen Ministerrat im Oktober absagte.

„Der Dialog ist seit Oktober sehr eng“

Scholz reiste daraufhin allein nach Paris und versuchte, den Schaden wieder gut zu machen. Nach ihm kamen innerhalb einer Woche neben Außenministerin Annalena Baerbock auch Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner in die französische Hauptstadt. Sie alle wurden von Macron empfangen, was durchaus außergewöhnlich ist. „Der Dialog ist seit Oktober sehr eng“, heißt es im Elysée-Palast. Daran kann auch der Freundschaftsvertrag mit Spanien nichts ändern, den Frankreich am Donnerstag unterzeichnete. Auch mit Italien gibt es seit einigen Monaten ein solches Abkommen.

Die Vereinbarungen sind allerdings nicht so symbolbeladen wie der Elysée-Vertrag der einstigen Kriegsgegner. Er wird am Sonntag in Paris mit einer Feierstunde in der Sorbonne-Universität und der Nationalversammlung gefeiert. Daran schließt sich der deutsch-französische Ministerrat an, an dem fast 40 Ministerinnen und Minister teilnehmen. „Die Beziehungen sind sehr dicht und gut“, heißt es im Umfeld von Macron.

Das gilt nicht nur für die Regierungsebene, sondern auch darunter. Schließlich sind Frankreich und Deutschland auf vielerlei Art und Weise verflochten. Mehr als neun Millionen Jugendliche profitierten seit fast 60 Jahren von der Arbeit des deutsch-französischen Jugendwerkes, das im Zuge des Elysée-Vertrags ins Leben gerufen wurde. Außerdem verbinden mehr als 2000 Städtepartnerschaften deutsche und französische Kommunen.

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