Bundespräsident Wulff in Kabul "Deutschland lässt Afghanistan nicht im Stich"
Berlin (RPO). Beim ersten Besuch eines deutschen Staatschefs seit mehr als 40 Jahren in Kabul hat Bundespräsident Christian Wulff zum weiteren Kampf gegen den Terror aufgerufen. Die Weltgemeinschaft dürfe "keine Mühen scheuen, um Terror und Gewalt gegen unschuldige Menschen zu beenden", sagte Wulff bei einem Treffen mit seinem afghanischen Kollegen Hamid Karsai.
In der afghanischen Hauptstadt Kabul sprach Wulff am Vormittag zunächst mit Vertretern der Zivilgesellschaft, die sich in Nichtregierungsorganisationen engagieren oder für Frauen- und Menschenrechte eintreten, wie das Bundespräsidialamt in Berlin mitteilte. Anschließend wurde Wulff von Karsai mit militärischen Ehren empfangen.
"Ich bin nach Afghanistan gekommen, um deutlich zu machen: Deutschland wird Afghanistan nicht im Stich lassen", erklärte Wulff nach seiner Ankunft in Kabul. Deutschland werde dem Land auch nach der vollständigen Übernahme der Sicherheitsverantwortung im Jahr 2014 ein "verlässlicher und dauerhafter Freund und Partner" sein.
"Immer noch gehören Terror und Gewalt in Afghanistan zum Alltag", warnte Wulff bei einem Mittagessen mit Karsai. Betroffen seien sowohl einheimische Zivilisten als auch ausländische Soldaten und Entwicklungshelfer. Aufgabe der Regierung und der internationalen Gemeinschaft sei daher weiter, "jedem Bürger Afghanistans ein Leben in Frieden und Wohlstand zu ermöglichen", sagte Wulff.
Das Treffen mit Präsident Karsai diente auch der Vorbereitung einer Konferenz der afghanischen Regierung Anfang Dezember in Bonn für die Zeit nach dem Jahr 2014. Mit Blick darauf mahnte Wulff, der Konflikt in Afghanistan werde sich "nicht militärisch lösen lassen". Vielmehr brauche die Bevölkerung "wirtschaftliche und soziale Perspektiven" und Vertrauen in ihren Staat.
Ausdrücklich lobte Wulff den von Karsai in Gang gesetzten Aussöhnungsprozess zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in Afghanistan. "Dieser Prozess ist schwierig, aber unverzichtbar", sagte er. "Ich glaube fest daran, dass Afghanistan bereit ist, Verantwortung für sich selbst und die Region zu übernehmen", gab sich der Bundespräsident zuversichtlich.
Der Staatsbesuch Wulffs ist die dritte Reise eines deutschen Staatsoberhaupts nach Afghanistan. Sein Vorgänger Horst Köhler war kurz nach einem Blitzbesuch bei deutschen Soldaten am Hindukusch 2010 von seinem Amt zurückgetreten, nachdem er den Bundeswehreinsatz mit wirtschaftlichen Interessen in Verbindung gebracht hatte. Im März 1967 hatte Bundespräsident Heinrich Lübke Afghanistan erstmals einen Staatsbesuch abgestattet.
Einem Bericht des Magazins "Spiegel" zufolge hatte Wulffs Reise bereits Mitte September stattfinden sollen. Sie wurde demnach jedoch nur wenige Stunden vor der Abreise aus Berlin abgeblasen, als ein Terrorkommando am 13. September die US-Botschaft und das Hauptquartier der NATO-geführten ISAF-Truppen in Kabul attackierte und sich dazu in einem mehrstöckigen Rohbau verschanzte.
Afghanische und internationale Truppen hatten rund 19 Stunden gebraucht, um den Großangriff radikalislamischer Taliban-Kämpfer auf das Diplomatenviertel im Zentrum der Hauptstadt zu beenden. Die Aufständischen töteten dabei mindestens 14 afghanische Zivilisten und Polizisten. Während des Angriffs hielt sich der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele in Kabul auf.