Türkischer Staatspräsident Gül "Deutsches Einwanderungsrecht widerspricht Menschenrechten"

Mainz (RPO). Am Tag vor seinem Deutschlandbesuch hat der türkische Staatspräsident Abdullah Gül die deutsche Einwanderungspolitik scharf kritisiert. Das 2007 verschärfte Einwanderungsrecht widerspreche den Menschenrechten, sagt Gül in einem TV-Interview. Gül stellt jedoch auch klare Forderungen an die in Deutschland lebenden Türken.

 Der türkische Präsident Abdullah Gül fordert für seine Landsleute in Deutschland eine größere Wertschätzung ein.

Der türkische Präsident Abdullah Gül fordert für seine Landsleute in Deutschland eine größere Wertschätzung ein.

Foto: AFP, AFP

An der deutschen Einwanderungspolitik ließ Gül kein gutes Haar. "Ich empfinde diese Politik als ungerecht. Sie steht nicht im Einklang mit dem Gedanken einer fortschrittlichen Demokratie", sagte Gül in einem Interview mit dem ZDF. Nach einer umstrittenen Neuregelung hängt der Ehegatten-Nachzug seit August 2007 vom erfolgreichen Bestehen eines Deutschtests in der Türkei ab.

Gleichzeitig forderte Gül seine Landsleute in Deutschland auf, besser Deutsch zu lernen: "Sie sollten die Sprache akzentfrei beherrschen. Die Sprache ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration in die Gesellschaft." Dies müsse jeder im eigenen Interesse tun, aber auch für die Gesellschaft, in der er lebe. "Wenn ich in Deutschland leben würde, dann wäre das erste, was ich tun würde, die Sprache zu lernen", sagte Gül.

Der Sorge, dass sich die Türkei vom Westen entfernt, widersprach der türkische Staatspräsident entschieden: "Unsere strategische Richtung ist Europa", so Gül. Ziel sei der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen über eine Vollmitgliedschaft in der EU. Zugleich sei die Türkei mit ihrer Demokratie derzeit für die Länder des arabischen Frühlings "eine Quelle der Inspiration". Nach Ansicht von Gül hat "die Türkei eine Brückenfunktion." Europa müsse erkennen, "dass die Türkei keine Bürde für Europa ist, sondern viele Chancen bietet".

Bundespräsident Christian Wulff lobte vor Güls Besuch ausdrücklich den Beitrag, den viele Türken für Deutschland leisten. "Einwanderer aus der Türkei haben Deutschland vielfältiger, offener und der Welt zugewandter gemacht", sagte Wulff der "Süddeutschen Zeitung". In einem weiteren Ausbau der deutsch-türkischen Beziehungen sehe er "ein großes Potential" für beide Länder. Wulff würdigte auch die Rolle der Türkei als Vorbild für die Umbruchstaaten in der arabischen Welt. Die Türkei sei "ein Beispiel dafür, dass Islam und Demokratie, Islam und Rechtsstaat, Islam und Pluralismus kein Widerspruch sein müssen".

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) empfängt den Gast aus der Türkei einen Tag nach der Abgeordenetenhauswahl am Montag. Er wird den Gast, der sich zum Staatsbesuch in Berlin aufhält, auf dem Pariser Platz begrüßen und beim Gang durch das Brandenburger Tor begleiten. Anschließend trägt sich Gül im Roten Rathaus ins Goldene Buch der Stadt ein.

Berlin verfügt über die größte türkische Gemeinschaft außerhalb des Mutterlandes. In der Bundeshauptstadt leben mehr als 185.000 Menschen türkischer Herkunft, von denen 80.000 einen deutschen Pass besitzen.

(DAPD/RTR/RPO)
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