Nach Vorstoß der Umwelthilfe Neuer Streit um Tempo 120 auf Autobahnen

Berlin · Fahrverbote für Diesel in Großstädten hat die Umwelthilfe schon durchgesetzt. Jetzt kommt ein neues Ziel: Auf Autobahnen soll nicht schneller als 120 Stundenkilometer gefahren werden. Unterstützung gibt es von Grünen und Verkehrsclub, CDU und SPD halten dagegen.

Ein Schild auf der A59 bei Troisdorf kündigt ein Tempolimit von 120 an.

Ein Schild auf der A59 bei Troisdorf kündigt ein Tempolimit von 120 an.

Foto: dpa/Oliver Berg

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) startet eine neue Initiative, die Autohersteller und viele Autofahrer treffen könnte: Nachdem sie in Städten wie Hamburg oder dem Ruhrgebiet Fahrverbote für Diesel in ersten Gerichtsentscheidungen durchsetzte, will sie 2019 ein generelles Tempolimit auf Autobahnen in Höhe von 120 Stundenkilometern erzwingen sowie auf Landstraßen eine niedrigere Geschwindigkeitsbegrenzung als 100 Stundenkilometer durchsetzen. „Das wird vorrangig eine breite Kampagne“, sagte Jürgen Resch, der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.

Um die klimapolitischen Ziele Deutschlands zu erreichen, müsste die Fahrgeschwindigkeit in Deutschland ebenso reduziert werden, wie es in fast allen anderen Industriestaaten der Fall ist. Resch kündigte an, solche neuen Begrenzungen möglicherweise auch über Gerichte durchzusetzen: „Wir müssen beim Klimaschutz viel größere Fortschritte machen. Da müssen wir auch den Gang vor die Gerichte als Ultima Ratio prüfen.“ Die künftigen Regeln der EU für die maximalen CO2-Emmisionen von Fahrzeugflotten seien zu lasch.

Die Forderung löst schon jetzt Streit aus. Greenpeace kündigte gegenüber unserer Redaktion eine Unterstützung der DUH-Kampagne an, ebenso der Verkehrsclub Deutschland (VCD). „Die Mehrheit der Bürger befürwortet weitere Tempolimits“, sagte Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD. „Wir könnten damit jedes Jahr Hunderte Verkehrstote und mehrere Millionen Tonnen Ausstoß an Kohlendioxid vermeiden.“ Ähnlich sieht es Arndt Klocke, Fraktionschef der Grünen im NRW-Landtag: „Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen wäre vernünftig.“

CDU und SPD, der ADAC und die Autoindustrie halten dagegen. „Wir brauchen kein generelles Tempolimit, sondern umweltfreundlichere Autos“, sagte Thomas Kutschaty, Fraktionschef der SPD im Landtag. „Wir wollen saubere Luft, dafür bedarf es aber keiner Verbote und Einschränkungen, wie sie die Umwelthilfe will“, erklärte Ulrich Lange, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Der Verband der Autoindustrie (VDA) meint, generelle Tempolimits seien sinnlos, weil das Durchschnittstempo auf deutschen Autobahnen schon jetzt deutlich unter 100 Stundenkilometern liege. Weit über die Hälfte der hiesigen Autobahnstrecken habe eine vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit. Jetzt komme es darauf an, den Verkehr schlau zu regeln: „Bei hoher Belastung oder schlechtem Wetter sind Tempolimits angebracht, aber bei leerer Strecke nicht.“ Der ADAC hält ein Tempolimit für reine Symbolpolitik. Eine Spitzengeschwindigkeit von 120 Stundenkilometer würde die CO2-Emmissionen auf Autobahnen nur um neun Prozent senken, die Belastungen durch den gesamten Autoverkehr nur um drei Prozent. „Da versucht der ADAC, sich die Fakten schönzurechnen“, meint Resch dagegen.

Eine juristische Erzwingung von Tempolimits wird schwierig. Darauf macht der Düsseldorfer Anwalt Julius Reiter aufmerksam: „Fahrverbote in Städten durchzuseten, weil Grenzwerte missachtet werden, ist juristisch denkbar“. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass Gerichte Tempolimits festsetzen, um das gesellschaftliche Ziel des Klimaschutzes durchzusetzen: „Es gilt das Primat der Politik.“

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