Offenbar deutsche Islamisten getötet Deutsche Taliban — die unheimliche Gefahr

Düsseldorf (RP). Durch eine Rakete, abgeschossen von einem ferngelenkten US-Flugzeug, sind im Nordwesten Pakistans offenbar fünf deutsche Islamisten getötet worden. Das berichteten pakistanische Geheimdienstkreise. Der Angriff galt offenbar einer größeren Gruppe europäischer Terroristen. Sie sollen eine Serie von Anschlägen geplant haben.

Die Spur führt immer wieder nach Wasiristan, in das schwer zugängliche Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan: 220 Islamisten aus Deutschland haben nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes dort eine Terror-Ausbildung absolviert oder planen einen solchen Aufenthalt.

Bei einem US-Angriff mit einer Drohne, einem ferngelenkten Kampfflugzeug, sind in der Grenzregion fünf dieser deutschen Islamisten ums Leben gekommen, hieß es am Montagabend in pakistanischen Geheimdienstkreisen. Die Drohne habe zwei Raketen auf ein Gehöft abgefeuert, das von den Deutschen genutzt worden sei, sagte ein Geheimdienstmitarbeiter, der anonym bleiben wollte. Insgesamt habe es beim Angriff in der Stadt Mir Ali neun Tote gegeben.

Nähere Details wurden nicht bekannt. Auch eine offizielle Bestätigung gab es zunächst nicht. Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte, der Vorgang werde überprüft.

Der im April in Pakistan getötete "deutsche Taliban" Eric Breininger (22) hatte durch Auftritte in Internet-Drohvideos diesen unheimlichen Deutschen ein Gesicht gegeben. Es handelt sich meist um junge Muslime, die sich in Deutschland ausgegrenzt fühlen und deshalb anfällig für Demagogen sind. Es sind aber auch christlich getaufte Bundesbürger wie der Saarländer Breininger, die Hassprediger oder Terroristen werden.

Ihre Zahl wächst; im Internet werben sie in perfektem Deutsch. Breininger selbst soll durch die religiöse Inbrunst eines Arbeitskollegen aus Pakistan geködert worden sein. Als islamistische Terroristen sind Deutsche nur schwer zu enttarnen. Die "Kofferbomber" und die "Sauerland-Gruppe" konnten ihre Verbrechen zum Glück nicht ausführen. Sie machen aber klar, wie konkret die Gefahr ist.

Brandenburger Tor und Fernsehturm als mögliche Ziele genannt

Die jüngsten US-Warnungen vor möglichen Terroranschlägen führten nun einmal mehr nach Wasiristan: Der aus Hamburg stammende Islamist Achmed S. (36) soll im Verhör auf der US-Militärbasis Bagram in Afghanistan von entsprechenden Planungen des Terrornetzwerks al Qaida berichtet haben. Dem US-Sender "Fox News" zufolge sollen die Islamisten in Berlin das Luxus-Hotel Adlon am Brandenburger Tor, den Hauptbahnhof und den Fernsehturm als mögliche Ziele ausgewählt haben.

Zu möglichen Zielen von Terrorkommandos in Europa zählten außerdem der Eiffelturm und die Kathedrale Notre Dame in Paris, berichtete der Sender unter Berufung auf westliche Geheimdienstquellen. Auch die britische Königsfamilie sei ein Ziel der Terroristen. Achmed S. hatte sich Medienberichten zufolge mit weiteren Islamisten im März aus Hamburg in Richtung Pakistan und Afghanistan aufgemacht, um sich in Terrorcamps ausbilden zu lassen.

Diese sogenannte Hamburger Gruppe ist kein Einzelfall: Erst im Juni war in der Region der deutsche Islamist Rami M. festgenommen und später nach Deutschland abgeschoben worden. Die Bezeichnung "Taliban" ist in etlichen Fällen irreführend: Viele der deutschen Islamisten gehören offenbar zum internationalen Terrornetzwerk al Qaida. Rund 70 von ihnen sollen soll sich aktuell wieder in Deutschland aufhalten — davon sitzen zehn im Gefängnis.

40 Islamisten mit Deutschland-Bezug sollen sich seit 2001 an Kampfhandlungen in Krisenregionen wie Afghanistan oder Irak beteiligt haben. "Deutschland-Bezug" bedeutet in diesem Zusammenhang: Es handelt sich um Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit, aber auch Angehörige anderer Staaten, die sich in Deutschland aufgehalten haben. So hieß es gestern, die acht Getöteten seien möglicherweise Deutsch-Araber oder Deutsch-Türken.

Laut aktuellem Verfassungsschutzbericht reisen deutsche Islamisten oft über die Türkei, Ägypten und den Iran in Richtung Pakistan. Neben dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet werden Terrorcamps auch im Maghreb, am Horn von Afrika und im Jemen vermutet. Islamisten aus Deutschland halten sich demnach zur Zeit vor allem in Ausbildungslagern der Islamischen Dschihad-Union (IJU) beziehungsweise der Islamischen Bewegung Usbekistans (IBU) auf. Auch die Mitglieder der sogenannten Sauerland-Gruppe hatten 2006 ein Lager der IJU im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet aufgesucht.

Erich Breininger, der sich "Abdul Gaffar el-Almani" nannte, war am 30. April ebenfalls in der Nähe der pakistanischen Stadt Mir Ali in einem Gefecht mit pakistanischen Soldaten umgekommen. Islamistische Webseiten hatten seinen Tod bestätigt. Mit ihm starb der in Deutschland geborene Türke Ahmet M., Kampfname "Salaheddin Turki", aus Salzgitter. Der 32-Jährige war als Sprecher der IJU aufgetreten. "Salaheddin Turki und Abdul Gaffar el-Almani sind am 30. April 2010 zu Märtyrern geworden", schrieben die Webseiten im Mai auch in deutscher Sprache: "Möge Allah der Allmächtige ihre Absicht akzeptieren und Ihnen die höchste Stufe geben."

Später wurde bekannt, dass Breininger zeitweise mit einem Mitglied der Sauerland-Gruppe, Daniel S., gemeinsam in Saarbrücken gewohnt hatte. S., angeblich eine Art Ziehvater des als entscheidungsschwach beschriebenen Breininger, wurde im September 2007 mit seinen Freunden Fritz G. und Adem Y. in einem Ferienhaus im Sauerland verhaftet. Die Gruppe, eine Terrorzelle der IJU, wollte Autobombenanschläge auf US-Einrichtungen in mehreren deutschen Großstädten verüben. Am 4. März ist dieses Trio in Düsseldorf zu elf und zwölf Jahren Haft verurteilt worden.

Trotz der jüngsten Meldungen hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Montag erneut vor Panikmache gewarnt. "Für Alarmismus besteht jedenfalls zur Zeit kein Anlass", sagte de Maizière. Es lägen "gegenwärtig keine konkreten Hinweise auf unmittelbar bevorstehende Anschläge in Deutschland vor".

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