Zahl der Beschwerden verdoppelt Wenn das Paket nicht ankommt - Ärger über Postzusteller wächst

Exklusiv | Berlin · Pakete und Briefe verschwinden, Sendungen sind beschädigt oder kommen zu spät an: Immer mehr Beschwerden über Zustellfehler der Post gehen bei der Bundesnetzagentur ein. Im laufenden Jahr sind es bereits fast doppelt so viele wie 2017.

 Paketzusteller des Post-Unternehmens DHL müssen zu Weihnachten bis zu elf Millionen Pakete und Päckchen an einem Tag bewältigen.

Paketzusteller des Post-Unternehmens DHL müssen zu Weihnachten bis zu elf Millionen Pakete und Päckchen an einem Tag bewältigen.

Foto: dpa/Uwe Anspach

Die Zahl der schriftlichen Beschwerden bei der Bundesnetzagentur über Zustellfehler der Deutschen Post ist im laufenden Jahr auf bisher 11.400 gestiegen, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage der Grünen-Fraktion hervorgeht. Sie hat sich damit gegenüber dem Vorjahr schon fast verdoppelt. 2017 waren noch 6100 Beschwerden bei der Netzagentur eingegangen – und im Jahr davor war ihre Zahl wiederum um 50 Prozent geringer.

Die Gründe für die zunehmenden Zustellprobleme der Post sind vielfältig. Wegen des florierenden Online-Handels ist die Zahl der Paketsendungen, die Zusteller gerade im Weihnachtsgeschäft zu bewältigen haben, enorm angestiegen. Die Post erwartet bei den Paketsendungen jährliche Zuwächse von rund acht Prozent, während auf der anderen Seite wegen der wachsenden E-Mail-Kommunikation die Menge der Briefsendungen abnimmt. Zusteller klagen über schlechte Arbeitsbedingungen, Personalmangel und geringe Löhne. Auch sind viele Straßen verstopft – nicht selten mit Lieferwagen der vielen Paketzusteller.

51 Prozent der Beschwerden der Bürger betrafen laut der Bundesregierung aber die Briefbeförderung, nur 33 Prozent die Paketzustellung, der Rest Briefkästen und anderes. „Im Paketbereich beziehen sich die Beschwerden vor allem auf Zustellausfälle, unberechtigte Rücksendungen, keine Zustellungen trotz Ankündigung, Ersatzzustellungen oder Benachrichtigungskarten trotz Anwesenheit sowie auch Falschzustellungen und Ablageorte“, schreibt das Wirtschaftsministerium in seiner Antwort.

Die meisten Beschwerden im laufenden Jahr kamen aus Berlin (1070), Hamburg (507) und Frankfurt am Main (210). Doch auch in Nordrhein-Westfalen ist der Ärger groß: Nach Daten der Verbraucherzentrale NRW, die das Beschwerdeportal „Post-Aerger.de“ betreibt, hat es zwischen Februar und Juli in NRW 2,6 Brief-Beschwerden pro 100.000 Einwohner gegeben. Das Land liegt damit im Ländervergleich im oberen Mittelfeld.

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Foto: dpa, mch kde tmk

Die Beschwerden bei der Bundesnetzagentur seien „nur die Spitze des Eisbergs“, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. „Die Post muss dringend aufhören, bestimmte Zustellbezirke an Subunternehmen auszulagern.“ Dort gebe es die häufigsten Probleme. Der Bund als Anteilseigner müsse darauf achten, dass die Fehlentwicklungen nicht einreißen, sonst werde die Post ähnlich wie die Bahn zu einem Problembetrieb. „Die Post hat nach wie vor einen öffentlichen Auftrag und das geht zusammen mit einer Verantwortung für eine verlässliche und sozialverträgliche Briefzustellung“, mahnte Krischer.

„Die Personaldecke ist an vielen Stellen der Branche auf Kante genäht. Hier sind die Unternehmen gefordert, ihre Kapazitäten auszubauen und damit die Arbeitsbelastung zu reduzieren. Davon würden auch die Kunden profitieren“, sagte Andrea Kocsis, stellvertretende Aufsichtsratschefin der Post und Vize-Chefin der Gewerkschaft Verdi. „Für die Kunden ist die schwache Servicequalität bei Paketen und Briefen schon sehr bedrückend. Das muss sich unbedingt bessern“, forderte auch Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) .

Auch die Netzagentur ist alarmiert. Sie will sich vom Postnutzerverband DVPT die Daten einer im Frühjahr startenden Untersuchung zu den Laufzeiten von Briefen geben lassen. „Angesichts stark steigender Beschwerdezahlen im Postbereich und anhaltender Diskussionen über die Qualität der Briefdienstleistungen hält die Bundesnetzagentur es für erforderlich, weitere fundierte Daten in ihr Qualitäts-Monitoring einfließen zu lassen, sagte ein Sprecher der FAZ.

Das Zustellgeschäft entwickelt sich für den Post-Konzern zunehmend zum Krisenbereich. Der zuständige Vorstand musste im Juni gehen, seitdem kümmert sich Vorstandschef Frank Appel persönlich um die Sparte. Appel will die Kosten senken, indem weiter automatisiert wird. Gerade zum Weihnachtsgeschäft steht der Konzern unter Druck. Er liefert zu Weihnachten bis zu elf Millionen Pakete an einem Tag aus, rund zehntausend Aushilfsmitarbeiter werden angeheuert.

Was alles schief laufen kann, zeigte sich jüngst in Bonn: Der „Bonner Generalanzeiger“ berichtet, dass dutzende in der Stadt Ende November abgegebene Pakete noch nicht zugestellt wurden. Die Post fand den Grund heraus: Eine beladene Palette im Verteilzentrum Troisdorf stand lange unbeachtet herum. „Wir gehen davon aus, dass nichts verloren gegangen ist und tun unser Möglichstes, um alles noch vor Weihnachten zuzustellen”, sagt ein Sprecher.

Dabei hat die Post ebenso wie ihre Wettbewerber große Probleme, genügend motiviertes Personal in Teilen Deutschlands zu finden. In Bayern und Baden-Württemberg gilt es als unmöglich, einen Paketboten für weniger als zwölf Euro einzustellen. „Wir haben nahezu Vollbeschäftigung, die Löhne steigen auch für unsere Wettbewerber“, sagte Appel. Um zuverlässiger und günstiger zustellen zu können, versucht der gelbe Riese darum auch, möglichst viele Kunden dazu zu bringen, Pakete an Paketstationen abzuholen.

Trotz der Service-Probleme will die Post im kommenden Jahr das Porto für einfache Briefe von 70 Cent auf 80 Cent erhöhen. Die Bundesnetzagentur prüft das Vorhaben derzeit. Gegenüber Großkunden haben die Post, DPD und Hermes für Pakete bereits höhere Preise angekündigt oder eingeführt.

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