Neuausrichtung der Partei Der Wunsch der SPD nach Reibungsfläche mit der CDU

Berlin · Die Sozialdemokraten hoffen auf Friedrich Merz als neuen CDU-Chef – dann könnten sie sich wieder besser abgrenzen.

 SPD-Chefin Andrea Nahles muss sich für einen etwaigen Koalitionsbruch wappnen.

SPD-Chefin Andrea Nahles muss sich für einen etwaigen Koalitionsbruch wappnen.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Alle reden über die CDU und die SPD, die schaut zu. Diesen Witz in Unionskreisen finden Sozialdemokraten nicht lustig. Erst recht nicht, wenn sich jetzt der Eindruck verfestigen sollte, die Christdemokraten machten mit ihren acht Regionalkonferenzen zur Vorstellung der Kandidaten für den Parteivorsitz dem basisdemokratisch erprobten SPD-Mitglied etwas vor: Soll die CDU doch erst einmal ihre Leute über einen Koalitionsvertrag abstimmen lassen, dann wisse sie, was Basisdemokratie bedeute. Vor allem aber müsse sich die Partei unter Führung von Andrea Nahles für einen abrupten Koalitionsbruch wappnen, meint Nordrhein-Westfalens Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty.

Er sagt unserer Redaktion: „Die SPD muss darauf vorbereitet sein, dass die Union rasch nach der Wahl des neuen Parteichefs die große Koalition beendet. Wir dürfen alte Fehler nicht wiederholen und wie bei den geplatzten „Jamaika“-Verhandlungen wie vom Bus überfahren dastehen.“ Das bedeutet vielleicht auch: Zur Not lieber selbst die Segel streichen als sich rauswerfen zu lassen. Als eine Wunschvorstellung mancher SPD-Politiker gilt derzeit ohnehin: Opposition ohne Neuwahl. Die SPD scheidet aus der Regierung aus und die Union macht doch Jamaika.

Kutschaty mahnt, intern müsse Klarheit über wichtige Programmpunkte geschaffen werden. „Die SPD muss beispielsweise die Debatte zum Sozialstaat im Frühjahr mit klaren und geeinten Ergebnissen beenden. Ich bin dafür, noch vor der Europawahl einen Sonderparteitag nur zum Programm abzuhalten, damit die Antworten der SPD von allen mitgetragen werden können.“ Am Geld dürfe ein solcher Sonderparteitag nicht scheitern, der wichtige Antworten für die Europa- und die Landtagswahlen liefern würde.

In der SPD wird mehrheitlich die Position vertreten, dass der Friedrich Merz, der Millionär und Mann der Hochfinanz, als neuer CDU-Chef die bessere Reibungsfläche bieten würde. An ihm und seinen mitunter erzkonservativen und neoliberalen Äußerungen könnte man sich besser abarbeiten und das eigene Profil schärfen, sagen auch hochrangige Genossen. Kutschaty fängt schon einmal mit einer Replik auf die Geschichte an, dass Merz vor vielen Jahren den Obdachlosen nur eines seiner selbstgeschriebenen Bücher zugeschickt hatte, die sein Notebook mit wichtigen Kontakten gefunden und abgegeben hatten: „Friedrich Merz schuldet dem ehrlichen Finder nach Paragraph 971 BGB Finderlohn. Hier sprechen wir vielleicht über 20 bis 30 Euro. Dass ein Millionär einem Obdachlosen so einen lächerlichen Betrag nicht zahlt, sagt viel über den Charakter dieses Mannes. Wollen wir einem Menschen, der den Ärmsten unserer Gesellschaft 20.- Euro schuldig bleibt, unser ganzes Land anvertrauen?“

Allerdings unterschätzen die Sozialdemokraten dabei, dass sich auch die Kandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer nach ihrer möglichen Wahl zur Parteichefin darum bemühen müsste, die Anhänger von Merz und Spahn hinter sich zu versammeln, um eine Spaltung der CDU zu vermeiden. Sie hat schon einmal vorgelegt: Etwa mit ihrer Forderung zu Abschiebungen von Straftätern nach Syrien. Demnach wäre auch von ihr reichlich Reibungsfläche für die SPD zu erwarten. Dass sie konservativer als Kanzlerin Angela Merkel ist, ist der SPD ohnehin klar. Die Aussichten des dritten Kandidaten, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, werden in der SPD für so gering gehalten, dass sie über seine mögliche Polarisierung als CDU-Chef nicht spekulieren.

Am Wochenende treffen sich die Nachwuchsgenossen zum Juso-Bundeskongress in Düsseldorf. Traditionell ist dazu auch die oder der Parteivorsitzende eingeladen. Und bisher waren die Treffen ein Heimspiel für Nahles, die es ja selbst mal Juso-Chefin war. Doch dieses Mal dürfte es auch zu einem Schlagabtausch zwischen Nahles und Generalsekretär Lars Klingbeil auf der einen und Juso-Chef Kevin Kühnert auf der anderen Seite kommen. Kühnert kritisierte die Entscheidung der SPD von Anfang an, doch wieder in eine große Koalition einzutreten. Die Erzählung, man müsse nur gute Regierungsarbeit abliefern und dann kämen die Wähler schon zurück, glauben in der SPD immer weniger Menschen.

Doch die SPD hat ein Zeitproblem: Denn eigentlich wollen sich Parteiführung und Delegierte erst Ende 2019 zum nächsten regulären Parteitag treffen. Dann sollen wichtige Inhalte für eine neue SPD und für das Wahlprogramm festgezurrt werden. Außerdem steht die Vorstandswahl an. Gleichzeitig aber fällt in diese Zeit die von der SPD im Koalitionsvertrag verankerte Zwischenbilanz der großen Koalition. Für die SPD könnte also alles zusammenkommen: eine große Generalabrechnung von Groko-Gegnern und Kritikern der amtierenden Führungsmannschaft.  Zudem gibt es bis dahin fünf Wahlen, neben Landtagen in Ostdeutschland die Europawahl, die in der SPD bereits wieder zu „einer der entscheidendsten Abstimmungen überhaupt“ erklärt wird.

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