Familienpolitik Der Spagat der Frauen

Berlin (RPO). Wer schon einmal einschlägige Schwangeren-Ratgeber studiert hat, muss zum Schluss kommen, dass das Mutterwerden eine Art Hochleistungssport ist: Gesunde Ernährung, ständige ärztliche Kontrollen, Spezialgymnastik. Für werdende Mütter gibt es viele Vorschriften. Die meisten Frauen beachten sie sehr gewissenhaft, weil vom Tag des positiven Schwangerschaftstests an das Leben in ihnen drin mindestens gleich viel zählt wie das eigene Leben.

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Foto: DDP

Der Leistungsdruck, den die Gesellschaft mit Beginn der Schwangerschaft auf Mütter ausübt, ist enorm hoch. So lässt sich das Wort "Rabenmutter" nur schwer in andere Sprachen übersetzen, weil andere Völker offenbar ihren Müttern nicht unterstellen, ihre Kinder könnten ihnen gleichgültig sein.

Unsere Gesellschaft ist ihrerseits aber nur zögerlich bereit, Müttern Hilfe zu geben. Angefangen damit, dass eine Mutter mit Kinderwagen gelegentlich drei oder vier Passanten ansprechen muss, bevor ihr einer hilft, das Gefährt eine Treppe höher zu tragen. Fortgesetzt damit, dass Kindergärten von Städteplanern als störende Lärmquelle betrachtet und als solche juristisch sogar beseitigt werden können. Schließlich: Bei der Verteilung von Geld für Familien werden die Familien oft selbst zur Kasse gebeten.

Die Schere zwischen dem Mythos der selbstlosen und zugleich glücklichen Mutter einerseits und der Realität einer kinderentwöhnten, individualisierten Gesellschaft geht immer weiter auseinander. Das Resultat: Immer mehr Frauen entziehen sich dem Spagat zwischen Anspruch und Wirklichkeit und bekommen keine Kinder.

Schwangerschaft als freiwillige Entscheidung

Die Geburtenrate hat sich seit den 60er Jahren halbiert. Seit Erfindung der Pille in den 60er Jahren ist Schwangerschaft eine freiwillige Entscheidung geworden. Der an den Pillenknick anschließende Feminismus der 70er und 80er Jahre hat für Frauen zwar in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft den Weg geebnet, es aber versäumt, die Mutterschaft als eine Selbstverständlichkeit der weiblichen Biographie einzubeziehen. Aus diesem Grund müssen sich die meisten Frauen seit 30Jahren für Kind oder Karriere entscheiden. Neuerdings entscheiden sich immer mehr Frauen erst für eine Karriere und dann für ein Kind wie die TV-Moderatorinnen Sandra Maischberger, Gabi Bauer und Esther Schweins.

Dass die Wahl "Kinder oder Karriere" nicht nur unbefriedigend ist, sondern den Bestand einer Nation gefährdet, ist mittlerweile erkannt. Keine Frage: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss mit guten, bezahlbaren Betreuungsangeboten und flexiblen Arbeitszeiten verbessert werden.

Aber in der aktuellen Debatte geht es leider um mehr als um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es geht um die Konkurrenz zweier Lebensmodelle. Die traditionelle Familie, in der die Mutter sich um Kinder und Haushalt kümmert und der Vater das Geld verdient, wird gegen die so genannte moderne Familie ausgespielt, in der sich die Eltern Erziehung, Haushalt und Broterwerb flexibel aufteilen.

Endstation: Sackgasse?

Doch der Streit führt nur in die Sackgasse. In der öffentlichen Auseinandersetzung, die einen Höhepunkt in den Vorwürfen von Bischof Mixa an die Familienministerin gefunden hat, sie degradiere die Frauen zu "Gebärmaschinen", wird übersehen, dass die meisten Familien weder das eine noch das andere Modell in Reinkultur leben. Über 60 Prozent der Mütter sind erwerbstätig. Der Großteil von ihnen arbeitet allerdings halbtags. Umfragen zufolge betrachtet ein Großteil der Frauen Kinder und Teilzeitjob als ideale Lebensform.

Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Debatte abstrus. Es kann nicht darum gehen, das eine oder das andere Modell als eine Art Leitkultur der Familienpolitik durchzusetzen. Die Frage, wie Vater und Mutter ihre Rollen im turbulenten Alltag von Kindererziehung und Gelderwerb aufteilen, ist eine zutiefst private und individuelle Entscheidung.

Wenn aber nun, wie die SPD es plant, das Ehegattensplitting radikal gekürzt und die längst überfällige Kindergelderhöhung ausgesetzt wird, wäre dies das Ende der Wahlfreiheit für die traditionelle Mittelschichtfamilie. Dann müssten sich auch jene Mütter einen Job suchen, die sich aus Überzeugung nur für die Kinder entschieden haben. Also: Krippenplätze ja bitte, aber nicht auf Kosten derjenigen, die einen solchen Platz gar nicht in Anspruch nehmen wollen.

In diesen Vorschlägen kommt ebenso ein Misstrauen gegenüber den Eltern zum Ausdruck wie bei den Vertretern der Mixa-Linie. Beide Seiten trauen den Müttern nicht zu, dass sie zum Wohl der Kinder über die Vereinbarkeit oder auch die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf entscheiden. Gleichzeitig wollen sie den Familien ihren Mythos von Mutterschaft auferlegen.

Die Mütter selbst geben in der aufgeheizten Diskussion auch nicht immer ein glänzendes Bild ab. Ganze Bücherregale lassen sich mit eifernden Werken über wahlweise das Ideal vom Hausfrauen-Dasein oder über die Pflicht zur Karrieremutter füllen. Die gegenseitigen Anfeindungen grenzen an Zickenalarm. Vieles davon ist von intellektueller Dürftigkeit wie die Bücher der TV-Moderatorin Eva Herman, die den Frauen rät, öfter mal Apfelkuchen zu backen, um ihre Weiblichkeit wieder zu entdecken.

Die Mütter sollten sich nicht gegenseitig das Leben schwer machen.

(RP)
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