Interview mit FDP-NRW-Chef Christian Lindner "Der Soli muss vor 2019 fallen"

Düsseldorf · Der FDP-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen Christian Lindner spricht im Interview mit unserer Redaktion über den Solidaritätszuschlag, die Steuerpläne seiner Partei und die Gefahr für die Arbeitsplätze in der NRW-Industrie.

 Der FDP-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen Christian Lindner erläutert die Pläne seiner Partei.

Der FDP-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen Christian Lindner erläutert die Pläne seiner Partei.

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Herr Lindner, was muss passieren, dass die FDP nicht zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ohne Sitze im Bundestag dasteht?

Lindner: Die letzten Umfragen sehen uns bei sechs Prozent. Die FDP wird in Umfragen zudem stets unterschätzt. Die Chancen stehen also gut, dass es wieder eine schwarz-gelbe Mehrheit gibt.

Von alleine kommen Sie nicht in den Bundestag….

Lindner: Der Wahlkampf beginnt erst. Wir betonen unsere Rolle als Kompass der Koalition. Wir wollen solide Finanzen statt teurer Versprechen. Rot-Grün will die Steuern erhöhen und in Europa das Schuldenmachen erleichtern. Die CDU legt ein Programm ohne Preisschild vor, das jedem alles verspricht. Wir setzen auf seriöses Wirtschaften, um den Einstieg in die Schuldentilgung und einen nächsten Entlastungsschritt zu schaffen.

Mit dem Versprechen von Steuersenkungen haben Sie schon einmal Schiffbruch erlitten. Was planen Sie?

Lindner: Seit 2009 gab es eine Entlastung von 24 Milliarden Euro. Die Priorität lag aber auf dem Ende der Schuldenpolitik. Unsere Fortschritte sind enorm. Herr Schäuble prognostiziert einen Haushaltsüberschuss von neun Milliarden Euro bis 2017. Mit Disziplin erlaubt das die Reduzierung der kalten Progression und des Solidaritätszuschlags.

Auf wie viel Prozent wollen Sie den Soli senken?

Lindner: Auf null. Bis der Solidarpakt Ost 2019 endet, sollte der Solidaritätszuschlag entfallen. Mich überrascht die ablehnende Position der Bundeskanzlerin. Es ist eine Frage politischer Verlässlichkeit, eine Sonderabgabe zu beenden, wenn ihr Zweck entfallen ist. Es ist enttäuschend, dass selbst die CDU trotz Rekordeinnahmen des Staates ganz zuletzt an die Entlastung der Bürger denkt. Bis 2017 steigen die Staatseinnahmen nach allen Prognosen jährlich um etwa vier Prozent, insgesamt um 100 Milliarden Euro. Dass dennoch eine Sonderabgabe von 14 Milliarden nicht auslaufen soll, zeigt eine Maßlosigkeit in der Debatte.

Die Union will das Familiensplitting einführen. Macht das die FDP mit?

Lindner: Ich lese das im Programm der Union gar nicht. Der Begriff Familiensplitting wird nur im Zusammenhang mit der Erhöhung des steuerfreien Grundbetrags für Kinder verwendet. Das ist ein altes Ziel der FDP, wenn es seriös finanziert werden kann.

Hält die FDP am Ehegattensplitting fest?

Lindner: Ja. Eine Abschaffung wäre verfassungswidrig. Wenn zwei Menschen sich zu einer Wirtschaftsgemeinschaft zusammenfinden, sollen sie auch gemeinsam vor den Fiskus treten, ohne dass der Staat in die Aufgabenteilung eingreift. Das ist eine Frage der Fairness.

Die EU-Kommission sieht im EEG Wettbewerbsverzerrungen. Und Sie?

Lindner: Wenn es darum geht, die energieintensiven Branchen von der EEG-Umlage auszunehmen, sehe ich darin keine Wettbewerbsverzerrung. Sonst wären diese Betriebe im europaweiten Wettbewerb krass benachteiligt. Wir brauchen einen marktwirtschaftlichen Neuanfang in der Energiepolitik. Etwa der Photovoltaik werden für die nächsten 20 Jahre Preise und Abnahme garantiert. Der unkontrollierte Ausbau der Photovoltaik und die irrationale Blockade für hocheffiziente Kohlekraftwerke in NRW offenbaren grünes Wunschdenken, das zu einer Deindustrialisierung führen kann. Die FDP will ein EEG-Ausstiegsgesetz, damit die Energiewende nicht ein teures Risiko bleibt.

Braucht die Bundesregierung ein eigenes Energieministerium?

Lindner: Ja, der Wirtschaftsminister sollte auch der Energieminister sein. Wir brauchen ein Projektmanagement in einer Hand, das die Energiewende aus wirtschaftspolitischer Perspektive betrachtet.

NRW verliert gerade mehrere Tausend Industriejobs bei ThyssenKrupp, Opel und anderen. Warum?

Lindner: Da gibt es sicher unternehmerische Fehlentscheidungen. Aber zudem werden von Rot-Grün die Rahmenbedingungen für Mittelstand und Industrie nicht wachstumsfreundlich gesetzt. Vom Wasserentnahmeentgelt über das Vergabegesetz bis zum ökologisch unwirksamen Klimaschutzgesetz wird Dynamik gebremst. Deshalb liegt NRW 0,3 Punkte hinter dem Bundesdurchschnitt beim Wirtschaftswachstum.

Geänderte Rahmenbedingungen helfen der Industrie erst langfristig. Sollte die RAG-Stiftung bei ThyssenKrupp einsteigen, um sofort helfen zu können?

Lindner: Ich habe ThyssenKrupp besucht und Konzernchef Hiesinger hat mir seine Strategie erläutert. Mir scheint, der Ernst der Lage ist dort erkannt. Aber unabhängig von aktuellen Spekulationen: Die RAG-Stiftung ist kein Instrument staatlicher Förderpolitik. Sie hat einen klaren Auftrag: Die Absicherung der Ewigkeitslasten des Steinkohlenbergbaus. Industrie- oder strukturpolitische Erwägungen sind nachvollziehbar, aber nachrangig. Das schließt die Beteiligung an Unternehmen nicht prinzipiell aus, wenn es eine sichere Kapitalanlage ist.

Also sollte die RAG-Stiftung sich der besseren Rendite wegen an Unternehmen beteiligen?

Lindner: Es geht bei der RAG-Stiftung nicht zuerst um Risikobereitschaft und Rendite. Es geht um Sicherheit im Ertrag, um die Ewigkeitskosten abzudecken, damit nicht irgendwann der Steuerzahler einspringen muss.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ist sowohl Kuratoriumsmitglied bei der Krupp-Stiftung als auch der RAG-Stiftung. Ist das ein Interessenskonflikt?

Lindner: Das ist eine Rechtsfrage, die man momentan gar nicht stellen muss.

Wird die Bundestagswahl zu einer "Denkzettelwahl" für Frau Kraft?

Lindner: Das ergibt sich automatisch. Der Kurs der SPD im Bund ist nicht der Kurs von Peer Steinbrück, sondern der Kurs von Hannelore Kraft: mehr Staat, mehr Steuern, mehr Schulden. Doch es geht nicht um Frau Kraft. Es geht um eine Richtungsentscheidung für Deutschland. Wollen wir Politik mit französischer Blaupause oder gehen wir den erfolgreichen Weg der letzten Jahre weiter?

Wird NRW 2020 die Schuldenbremse einhalten können?

Lindner: Das bezweifelt sogar der Landesrechnungshof. Rot-Grün betreibt eine spekulative Finanzpolitik. Die wetten darauf, dass Steuern erhöht werden und die Zinsen niedrig bleiben. Und wenn nicht, wird die Verfassung gebrochen.

Rot-Grün spart bei den Beamtengehältern. Warum gefällt Ihnen das nicht?

Lindner: Weil es ungerecht und leistungsfeindlich ist. Es ist unfair, wenn eine junge Studienrätin, die 3.230 Euro brutto verdient, nicht einmal einen Inflationsausgleich erhält. Wir fordern nicht die Umsetzung eins zu eins wie bei den Angestellten. Aber andere Länder wie das Saarland haben mit den Gewerkschaften eine angemessene Anpassung der Bezüge und gleichzeitig Personalabbau vereinbart. Wir wollen einen schlanken öffentlichen Dienst, der aber angemessen bezahlt wird.

Das heißt für NRW?

Lindner: Jedes Jahr müssten im Kernbereich der Landesverwaltung zwei Prozent der Stellen abgebaut werden. Rot-Grün baut dagegen Stellen auf.

Ab 2014 sollen die finanzstarken Städte den ärmeren helfen.

Lindner: Da werden die Kommunen, die ordentlich gewirtschaftet haben, bestraft. Die Folge der rot-grünen Umverteilungspolitik ist, dass die vermeintlich starken Kommunen schon morgen selbst bedürftig werden können. Die FDP hat bei den letzten Haushaltsberatungen stattdessen ein Förderprogramm für kommunale Investitionen in Bildung und Infrastruktur vorgeschlagen.

Wird die FDP klagen?

Lindner: Nein. Düsseldorf erwägt eine Klage.

Wie sieht Ihre politische Zukunft aus? Bleiben Sie in NRW?

Lindner: Ja. Das habe ich den Wählern zugesagt. Für mich sind Prinzipienfestigkeit und Berechenbarkeit entscheidend.

Detlev Hüwel führte das Gespräch

(RP)
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