Entwicklungsminister Niebel im Interview Der Rambo im Regenwald

Berlin (RP). Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel erklärt im Interview mit unserer Redaktion, warum er das Regenwald-Rettungsprojekt stoppte, warum die FDP so schlecht dasteht und warum "Stuttgart 21" kommen muss.

Dirk Niebel - ein Fallschirmjäger als Entwicklungshelfer
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Warum wollen Sie den Regenwald nicht mehr retten?

Niebel: Ich bin ein absoluter Freund von Waldschutz, das ist bester Klimaschutz. Aber ich bin auch verantwortlich für den effizienten und wirksamen Einsatz deutscher Steuergelder.

Und deshalb wollen Sie aus dem Yasuni-Projekt aussteigen, bei dem Ecuador einen Ausgleich dafür bekommt, dass es Ölvorkommen im Regenwald nicht fördert?

Niebel: Das ist ein ökologisch sehr wertvolles Vorhaben, aber auch dafür gilt der Satz: Es prüfe, wer sich ewig bindet. Bevor Deutschland hier im Laufe der Jahre womöglich mehr als eine halbe Milliarde gibt, müssen Zweifel ausgeräumt sein: Wie kann der geplante Fonds besser kontrolliert werden? Wie ist die Zivilgesellschaft in den Fonds eingebunden? Was passiert, wenn eine spätere Regierung das Öl doch fördert und das Geld schon ausgegeben ist? Wie lässt sich das verlässlicher absichern?

Wenn die Zweifel weg sind, geben Sie das Geld frei?

Niebel: Es bleibt dann die Frage, ob wir wirklich damit beginnen wollen, jemanden dafür zu bezahlen, damit er irgendetwas nicht tut. Und wo hört das dann auf? Die ersten Begehrlichkeiten gibt es in dieser Richtung auch von etlichen anderen Ländern, sogar von großen Erdölexporteuren, die fürs Drosseln der Förderung einen Ausgleich durch die Industrieländer haben wollen. Und was ist mit den 13 anderen Ländern mit Urwaldregionen, die auch Rohstoffe fördern könnten? Da hätten wir dann ein hohes Erpressungspotenzial. Wollen wir diese Tür wirklich öffnen? Der Bundestag wird am Ende über diesen Paradigmenwechsel entscheiden müssen.

Wie viel Geld brauchen Sie mehr, damit Deutschland seine Zusagen erfüllen kann, 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe zu leisten?

Niebel: Wohl rund drei Milliarden Euro. Das hängt aber auch davon ab, was wir alles als Entwicklungshilfe einrechnen, in den ODA-Zahlen stecken ja auch viele Leistungen der Länder und anderer Ressorts. Für mich ist die Qualität der Hilfe wichtiger als die Quantität. Wir sollten unsere Projekte kreativer gestalten.

Zum Beispiel?

Niebel: In Namibia hat sich ein Busch ausgebreitet, der dort biologisch nicht hingehört, der den Rinderzüchtern die Weideflächen nimmt, die ihn deshalb mit den Wurzeln ausreißen. Dadurch erodiert der Boden. Ich gebe jetzt einen Kredit für eine Art Busch-Mähdrescher. Alle paar Jahre werden die Büsche nun geerntet und gehäckselt. Der Effekt ist ein mehrfacher: Die Ernährungsgrundlage für die Bevölkerung wächst, die Holzschnipsel ersetzen 55.000 Tonnen Steinkohle pro Jahr in einem nahen Zementwerk, die Biodiversität wird wiederhergestellt, durch die mögliche Beweidung entstehen Beschäftigungsmöglichkeiten für die Bevölkerung, das bekämpft Armut, die CO2-Emmissionen sinken... So haben wir mit einem Euro mehrere Ziele erreicht.

Bleibt es trotzdem bei dem Ziel, drei Milliarden mehr auszugeben?

Niebel: Ich denke, dass das nicht unbedingt alles Steuergelder sein müssen. Es gibt viele Möglichkeiten, zusätzliche Hilfe zu bewirken, ohne damit den Steuerzahler zu belasten. So sollten wir 50 Prozent der Erlöse aus dem Handel mit Emmissionszertifikaten in den Klimaschutz in Entwicklungsländer stecken. Wir können über Fonds-Lösungen mit Geld von Privatleuten und Firmen eine viel bessere Hebelwirkung erzielen. Wir überlegen uns viele weitere innovative Finanzierungsmechanismen, die nicht mehr Geld aus Steuereinnahmen, aber mehr Hilfe für Entwicklungsprojekte bedeuten.

Das Entwicklungsministerium wird also nicht abgeschafft?

Niebel: Nein, aber ich will es durch eine gute Entwicklungspolitik langfristig überflüssig machen.

Wann haben Sie das geschafft?

Niebel: Wenn kein Land der Erde mehr unsere Hilfe nötig hat.

Also nie.

Niebel: Das können Sie so nicht sagen. Schauen Sie sich die Erfolgsgeschichte von Südkorea an, schauen Sie sich an, was gerade in China passiert. Mit kluger Unterstützung und einer zukunftsorientierten eigenen Regierung können viele Länder schnell weit vorankommen.

Sie stecken gerade in einer völligen Neuorganisation der Projektabwicklung. Haben Sie weitere Megaprojekte vor?

Niebel: Die neue Struktur für die Vorfeldorganisatonen wird uns die ganze Wahlperiode beschäftigen. Denn das ist eine Operation am offenen Herzen. Der Betrieb läuft ja mit allen Projekten weiter, wir bauen gleichzeitig aber Doppel-und Dreifachstrukturen ab, damit wir pro Euro mehr erreichen als bisher.

Sie sind jetzt Minister "für das Gute in der Welt". Können Sie damit auch Ihrer eigenen Partei etwas Gutes tun?

Niebel: Die FDP war nie gegen Entwicklungspolitik. Wir wollten immer nur eine andere, wirksamere Entwicklungspolitik. Und die können wir jetzt gestalten. Wir stellen nicht die Afrikaprojekte der 68er Generation in den Mittelpunkt, sondern das, was in der Mitte der Gesellschaft gedacht wird. Also genau das, was die Menschen wollen, die sich in Kirchen, Gemeinden, Schulen und Vereinen um Menschen in anderen Ländern kümmern. Das nutzt allen und damit auch meiner Partei.

Und warum strahlt ausgerechnet der Glanz des Auswärtigen Amtes nicht auf die FDP aus?

Niebel: Durch den Lissabon-Vertrag sind viele Kompetenzen vom Auswärtigen Amt ins Kanzleramt gewandert. Was früher dem Außenminister viel Glanz brachte, wird heute häufig von anderen geleistet.

Haben Sie weitere Erklärungen für das schlechte Ansehen der FDP?

Niebel: Die FDP hat viele Erwartungen geweckt - manche davon, wie wir heute wissen, mit einem unrealistischen Zeithorizont. Viele Bürger haben geglaubt, dass sofort nach den Wahlen alles anders wird. Und manches ist in der Wahrnehmung untergegangen. Wir haben zur Jahreswende nicht nur das Wahlversprechen aller Parteien umgesetzt, die Hotelsteuer zu senken, sondern auch die Familien entlastet und die Erbschaft verbessert - wie vor der Wahl versprochen. Und manche Nachfolgeregelungen in der Partei haben länger gedauert, als es gut gewesen wäre. Dass wir nicht direkt einen Nachfolger für mich als Generalsekretär aus der Schublade ziehen konnten, hat mir geschmeichelt, jetzt haben wir mit Christian Lindner einen guten, aber ein paar Monate eher wäre es besser gewesen.

Alle Versprechungen werden noch umgesetzt?

Niebel: Davon bin ich fest überzeugt. Nach dem Angriff auf unsere Währung ist zunächst die Haushaltskonsolidierung vordringlich. Aber wenn die wirtschaftliche Entwicklung so weiter geht, werden wir die Mitte der Gesellschaft auch steuerlich noch mehr entlasten können.

Erinnern Sie sich, wie lange Hans-Dietrich Genscher FDP-Vorsitzender war?

Niebel: Er war länger Außenminister als Vorsitzender.

Zehneinhalb Jahre lang — wissen Sie, wie lange Guido Westerwelle jetzt FDP-Vorsitzender ist?

Niebel: Das weiß ich, aber das sag ich nicht, weil ich ahne, was jetzt kommt.

Dann sagen wir es: Zehneinhalb Jahre. Bedeutet das für die FDP, sich allmählich auf eine Zeit ohne einen Parteichef Westerwelle einzustellen?

Niebel: Wir haben noch nie einen erfolgreicheren Parteivorsitzenden als Guido Westerwelle gehabt. Wir haben mit ihm Höhen und Tiefen erlebt und sind mit ihm aus allen Tiefen wieder herausgekommen.

Wird er warten, bis andere ihn ersetzen wollen oder wird er selbst entscheiden, wann es Zeit ist, sich aufs Außenamt zu konzentrieren?

Niebel: Er hat bereits entschieden. Er hat sich im Sommer entschieden zu kämpfen. Und dabei werde ich ihn unterstützen.

Und dieser Kampf geht im März in Baden-Württemberg verloren?

Niebel: Nein. Schwarz-Gelb wird gestärkt aus der nächsten Wahl hervorgehen. Was wir rund um Stuttgart 21 auf den Straßen sehen, ist nicht die Meinung der Bevölkerung. Diese Entscheidung ist 15 Jahre lang durch alle demokratischen Gremien gegangen, 10.000 Einsprüche sind einzeln abgearbeitet worden, dann haben auch die Gerichte entschieden. Das kann nicht von der Straße anders entschieden werden, denn das wäre das Ende der repräsentativen Demokratie. Stuttgart 21 stand in unserem Wahlprogramm, und dafür sind wir schon beim letzten Mal gewählt worden. Vielleicht müssen wir es nur besser vermitteln.

Hann Koch und Gregor Mayntz sprachen mit dem FDP-Politiker

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