177 Seiten, 48 Milliarden Mehrausgaben Der Koalitionsvertrag ist fast fertig

Berlin · Union und SPD haben den ersten Entwurf ihres Koalitionsvertrages formuliert. Vor allem die Mütterrente und die Erleichterungen bei der Rente mit 67 schlagen zu Buche. Die strittigen Punkte wollen die Parteichefs am heutigen Dienstag abräumen.

Sigmar Gabriel: "Wir sind geschafft"
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Bis tief in die Nacht tagte am Montag die sogenannte kleine Runde. Angaben zu Ergebnissen gab es nach den mehr als zehnstündigen Beratungen über eine große Koalition am frühen Morgen von keinem der Beteiligten. Denn noch strotzt der 177 starke Entwurf des Koalitionsvertrags vor eckigen Klammern - alles, was darin eingefasst ist, bleibt umstritten.

Daneben finden sich bereits Aussagen, über die Konsens besteht. In ihrem ersten Entwurf des Koalitionsvertrages (PDF) planen CDU, CSU und SPD ein Bündel von Maßnahmen, um mehr Beschäftigung und neues Wachstum in Deutschland zu schaffen. "Wir setzen auf eine Doppelstrategie aus Haushaltskonsolidierung und Wachstums-Impulsen in Deutschland und Europa", heißt es in dem 177 Seiten starken Entwurf, der unserer Redaktion vorliegt.

Die darin enthaltenen Maßnahmen bedeuten zusätzliche Belastungen für Fiskus und Sozialversicherungen in Höhe von 48,2 Milliarden Euro, wie aus Berechnungen der Arbeitsebene des Bundesfinanzministeriums hervorgeht. Allein 14 Milliarden Euro entfallen dabei auf die Rentenpläne, wenn sie alle umgesetzt werden.

Besonders stark schlägt dabei die geplante Mütterrente zu Buche. Sie führt zu Mehrkosten von 6,6 Milliarden Euro. Für Mütter (oder Väter), deren Kinder vor dem Jahr 1992 geboren wurden, sollen die Rentenkassen künftig einen Entgeltpunkt zusätzlich berücksichtigen. Bislang erhalten sie pro Kind 28,14 Euro im Monat, künftig sollen es 56,28 Euro sein.

Für jedes nach 1992 geborene Kind gibt es weiterhin 84,42 Euro. Die SPD akzeptiert das Lieblingsprojekt der Union, doch die Finanzierung ist strittig. Die Union schlägt vor: "Die bessere Anerkennung (der Erziehungsleistung) ist durch die gute finanzielle Situation der Rentenversicherung und vorhandene Mittel aus dem Zuschuss des Bundes möglich."

Ein "allgemeinverbindlicher Mindestlohn"

Zudem beharrt die SPD darauf, dass langjährig Versicherte, die 45 Jahre lang gearbeitet und "ihren Beitrag zur Stabilisierung der Rentenversicherung erbracht haben", künftig abschlagfrei mit 63 Jahren in Renten gehen können. Laut Finanzministerium schlägt diese Maßnahme mit fünf Milliarden Euro zu Buche. Wegen der strittigen Finanzierung ist dieser Punkt noch nicht beschlossen.

Einig sind sich die Unterhändler dagegen, dass der Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung in dieser Legislaturperiode schrittweise um insgesamt 0,5 Prozentpunkte erhöht wird. Damit sollen mehr Leistungen und ein Vorsorgefonds finanziert werden. Spätestens zum 1. Januar 2015 soll der erste Schritt, die Anhebung um 0,3 Prozentpunkte, erfolgen.

Die Unterhändler haben für die Sitzungen in dieser Woche rund 110 große und kleine Streitpunkte offengelassen. Alle geplanten zusätzlichen Ausgaben stehen unter Vorbehalt. Besonders schwierig dürften die Diskussionen zu den Themen Mindestlohn, doppelte Staatsbürgerschaft und zu den Rentenfragen werden.

Union und SPD wollen einen "allgemeinverbindlichen Mindestlohn" einführen. Sie sind sich einig, dass der Mindestlohn nicht für Auszubildende und Praktikanten während der Schul- und Studienzeit gelten soll. Startpunkt und erstmalige Festlegung des allgemeinen Mindestlohns lässt der Entwurf jedoch weiter offen. Die SPD fordert die Festlegung auf 8,50 Euro Mindestlohn pro Stunde. Die Union kämpft noch um Ausnahmen. Neu im Entwurf findet sich nun ihre Forderung, Rentner, Langzeitarbeitslose mit Vermittlungsproblemen, Erntehelfer und Zeitungsausträger auszunehmen.

Am Abend soll die große Runde informiert werden

An den Stellen des Vertrags-Entwurfs, die noch nicht Konsens sind, stehen Klammern oder schräg Gedrucktes. Die meisten dieser Passagen finden sich bei den Rentenplänen. Die Streitfragen sollen nun in Chef-Gesprächen geklärt werden. Die sogenannte kleine Runde, in der insgesamt 15 Spitzenpolitiker von Union und SPD sitzen (unter anderem Partei- und Fraktionschefs sowie Generalsekretäre), traf sich am Montagnachmittag und wollte bis in die frühen Morgenstunden tagen.

Nach einer weiteren Sitzung am heutigen Dienstag wollen die Spitzen am Abend der großen Runde aus 75 Politikern aus Bund und Ländern ihre Einigungen präsentieren. Wenn alles gut läuft, stimmen die Unterhändler in den folgenden Stunden einem Thema nach dem anderen zu. Wenn es klemmt, wollen sich die drei Parteichefs zu Sechs-Augen-Gesprächen zurückziehen. Bis zum frühen Morgen könnte das dauern.

Läuft alles optimal, stellen die Parteichefs am Mittwochvormittag den schwarz-roten Koalitionsvertrag vor. Danach will die SPD am Sonntag die Unterlagen für den Mitgliederentscheid verschicken.

(ahn)
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