Kampf gegen die Terrormiliz IS Der Irak, Waffenlieferungen und eine politische Kehrtwende

Brüssel/Berlin · Es ist ein Kurswechsel innerhalb weniger Tage: Immer mehr Länder sprechen sich plötzlich für Waffenlieferungen an die Kurden im Irak aus. Auch das strikte Nein der Bundesregierung ist längst Vergangenheit. Und das nicht ohne Grund.

Von der Leyen verabschiedet Hilfsflüge in den Irak
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Von der Leyen verabschiedet Hilfsflüge in den Irak

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Es ist gerade mal ein paar Wochen her, da gab sich US-Präsident Barack Obama deutlich zurückhaltender in Sachen Irak. Denn er hatte den Bürgern versprochen, den Krieg dort zu beenden und entsprechend für den Abzug der Soldaten gesorgt. Doch der Vormarsch der Terrormiliz IS brachte ihn in eine Zwickmühle, denn viele sahen nun ausgerechnet die USA in der Verantwortung.

Obama und seine Regierung hielten sich trotzdem zurück — auch mit Blick auf die heimischen Wähler. Je weiter die IS-Miliz aber vorrückte, desto mehr wurde die Weltöffentlichkeit insbesondere auf die Notlage der Jesiden, einer religiösen Minderheit, die sich zu den Kurden zählt, aufmerksam. Der Druck nahm zu — und nicht nur auf Washington.

Denn die Bilder, die die Weltöffentlichkeit in den vergangenen Tagen erreichten, sprachen Bände. Zehntausende Flüchtlinge, die mitunter in Syrien unterkamen. Völlig erschöpfte und hungernde Menschen, die tagelange Märsche in extremer Hitze hinter sich hatten. Und nicht zuletzt die Lage der eingeschlossenen Menschen auf dem Sindschar-Berg — umzingelt von der IS-Miliz, ohne Wasser und Nahrung. Selbst abgeworfende Lebensmittel etwa der US-Kräfte waren da nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Brok: Wenn nötig, auch Waffen liefern

Für die USA und Frankreich ist die Entscheidung daher bereits gefallen: Sie unterstützen die Kurden mit Waffenlieferungen, einen Militäreinsatz lehnt Washington aber ab. Und auch die Briten signalisieren nun Bereitschaft, die Kurden mit militärischer Ausrüstung und Waffen zu unterstützen. Außenminister Philip Hammnond werde seinen EU-Amtkollegen bei ihrem Treffen sagen, dass London seine Haltung geändert habe, berichtete die "Times". Ob sich dieser Haltung weitere EU-Außenminister anschließen, wird der Abend zeigen.

Die Notlage der Jesiden hat auch viele Politiker in der Bundesrepublik zu der Ansicht gebracht, dass humanitäre Hilfe allein angesichts der Brutalität der IS-Miliz nicht ausreicht und über Waffenlieferungen nachgedacht werden solle — Töne, die hierzulande eher selten zu vernehmen sind. Selbst Linken-Fraktionschef Gregor Gysi dachte öffentlich laut darüber nach und handelte sich damit Kritik seiner eigenen Partei ein. Und auch die Bundeskanzlerin bleibt nicht mehr bei ihrem strikten Nein. Die Begründungen für diesen Sinnungswandel klingen bei vielen ähnlich.

So hat der Vorsitzendes des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU), klare Absprachen auf EU-Ebene gefordert und in der ARD hinzugefügt, dass Deutschland, wenn nötig, auch Waffen liefern müsse. "In Kambodscha, Ruanda hat die Weltgemeinschaft geschlafen. Hier geht es darum, dass nun Menschen gerettet werden und man jetzt nicht nur an den Symptomen herumgedoktert."

Von der Leyen: Wüten der IS-Miliz muss verhindert werden

Und auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen erklärte im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung: "Wenn sich ein Völkermord nur mit deutschen Waffen verhindern lässt, dann müssen wir helfen." Das Wüten der IS-Miliz, so die Ministerin weiter, müsse verhindert werden. Allerdings betonte von der Leyen auch, dass Deutschland gar nicht über die Waffen verfüge, die die Kurden benötigten.

Der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hatte ähnlich argumentiert und erklärt, dass man den "bis an die Zähne modern und bestens bewaffneten angreifenden IS-Terroristen" zur Verteidigung auch Defensiv- und Abstandswaffen entgegenstellen müsse. Und auch SPD-Chef Sigmar Gabriel und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ließen anklingen, eine Waffenlieferung nicht völlig auszuschließen.

Dabei hatte es noch vor wenigen Tagen geheißen, dass sich die Bundesregierung weiter dem Prinzip verpflichtet fühle, grundsätzlich keine Waffen in Kriegs- oder Krisengebiete zu liefern. Doch die Befürworter dieses Prinzips werden weniger, die Debatte ist schon längst hochgekocht.

Was angesichts dieses gefühlten Aktionismus aber eher in den Hintergrund gerät, ist die Frage, was mit den Waffen geschieht, wenn die IS-Terroristen zurückgedrängt worden sind und der Irak-Konflikt vorerst gelöst ist. Nicht umsonst hatte die Bundesregierung eben jenes Prinzip, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern.

mit Agenturmaterial

(das)
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