SPD-Vizekanzler Frank Steinmeier Der falsche Kandidat?

Berlin (RP). Wenn SPD-Chef Franz Müntefering seinen Kanzlerkandidaten loben will, sagt er Sätze wie diesen: "Frank Steinmeier ist im Wohnzimmer gut gelitten." Was der oberste Sozialdemokrat damit meint, ist klar. Im Fernsehen werde Steinmeier als glaubwürdig und sympathisch wahrgenommen. Nach dem Motto: Dem seriösen Mann mit dem silbergrauen Haar vertraue man gerne das Land an. Das mag für den Außenminister Steinmeier gelten. Für den Kanzler offenbar nicht.

Das ist Frank-Walter Steinmeier
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Foto: dpa/Swen Pförtner

Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage würden nur 22 Prozent der Deutschen, so wenig wie nie seit seiner Kandidatenkür, den SPD-Mann Steinmeier direkt wählen. Warum findet der Vize-Kanzler so wenig Zuspruch als Kanzlerkandidat?

Mindestens zwei Phänomene hemmen Steinmeiers Wahlkampf, wie selbst Spitzengenossen zugeben. Erstens: Der promovierte Jurist personifiziert den Widerspruch zwischen Spitzenbeamten und Spitzenpolitiker. Als "Wasserträger" arbeitete sich Steinmeier im Gefolge Gerhard Schröders vom Referenten zum Büroleiter bis zum Chef des Kanzleramts empor. Als emsig, fleißig, integer gilt er. Aber sind das nicht auch ideale Eigenschaften für einen Notar?

Steinmeier war Organisator der Macht, kein Machtpolitiker. Eine Rampensau, ein Rhetoriker, der Ortsvereinssitzungen im Handumdrehen für sich einnimmt, ist er nicht. Selbst Schröder kokettierte einst, dass Regieren jeder Technokrat könne, der Wahlkampf aber "das Leben des Politikers" ausmache. So gesehen dürfte es Steinmeier schwer haben. "Ihm fehlt der jahrelange Kampf in politischen Hinterzimmern", sagt der Medienberater Michael Spreng. "Ein 53-jähriger Beamter wird nicht plötzlich Instinktpolitiker."

Steinmeier fehlt, was sein Mentor im Überfluss besaß: Personality-Tauglichkeit, der Typ-Faktor. Der Schröder-Intimus ist eigentlich ein Anti-Schröder. Steinmeiers Berater wissen das. Auch deswegen brachte der Kandidat unlängst ein biografisches Buch heraus, das ihn als echten "Sozi" zeigt, der als Tischler-Sohn in einfachen Verhältnissen aufgewachsen und sich aus eigener Kraft nach oben gearbeitet hat. "Die Leute wählen keinen Politiker. Sie wählen einen Menschen", erklärt ein SPD-Stratege.

Zudem muss Steinmeier noch einen zweiten Brocken aus dem Weg räumen. Die Leute mögen es Umfragen zufolge nicht, dass sich das Regierungsmitglied SPD als linke Oppositionskraft aufführt. Merkel schlecht zu reden, um bei den Wählern zu punkten — das sei eine "dramatische Fehlspekulation", glaubt auch Spreng. Und dass ausgerechnet der Erfinder der einst von SPD-Mitgliedern als neoliberal beschimpften Sozialreform "Agenda 2010" heute gegen "marktradikale Ideologien" austeilt, wirkt zumindest zweifelhaft. Und wenn doch schon die CDU-Kanzlerin Merkel "sozialdemokratische Politik" macht, wie SPD-Chef Müntefering gerne behauptet. Wozu braucht es Steinmeier?

(RP)
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