Kanzlerin unter Beschuss Der Druck auf Merkel wächst

Berlin (RPO). Der innerparteiliche Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel wächst weiter an. Führende CDU-Landespolitiker kritisierten den Führungsstil ihrer Parteichefin. Innerhalb der Union wächst der Unmut über den Steuerstreit und die inhaltliche Ausrichtung. Die FDP-Spitze fordert, dass Merkel endlich ihre Richtlinienkompetenz als Regierungschefin nutzt.

Die Karriere von Angela Merkel
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Nach dem Fehlstart der Koalition und drastisch sinkender Popularitätswerte für die Kanzlerin sorgte die Kritik mehrerer CDU-Landespolitiker für zusätzlichen Zündstoff. Der Wahlsieg von Union und FDP sei nicht das Ergebnis einer überzeugenden Wahlkampfstrategie gewesen. "Vielmehr hatte die Union schlichtweg Glück", heißt es in dem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung".

Darin werfen die Vorsitzenden der CDU-Fraktionen in Hessen, Sachsen und Thüringen, Christean Wagner, Steffen Flath und Mike Mohring, sowie die stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im brandenburgischen Landtag, Saskia Ludwig, der Kanzlerin einen zu "präsidialen Stil" und zu wenig parteipolitisches Profil vor.

CDU-Generalsekretär Gröhe wies dies zurück. Er halte nichts von "scharfkantigen Polarisierungen", die vor allem auch dem politischen Gegner zur Mobilisierung helfen würden, sagte er der "Bild am Sonntag". Auch gehöre die Wahlanalyse in die Gremien der Partei "und nicht als erstes in die Presse." Der CDU-Vorstand will Donnerstag und Freitag den Ausgang der Bundestagswahl und die weitere Parteistrategie kritisch beleuchten. Dabei werden von Parteichefin Merkel auch Aussagen zum Zustand der Koalition erwartet.

Verlust der Stammwähler befürchtet

Der rheinland-pfälzische CDU-Chef Christian Baldauf warnte vor dem Verlust der Stammwähler. Diese müssten sich auch künftig in der Union zu Hause fühlen, sagte er dem "Spiegel". Auch aus der katholischen Kirche, wo die Union bisher einen Teil ihrer Stammklientel hat, kommt Kritik. Es fehle bei der CDU ein klares Bekenntnis zum christlichen Glauben und der Kirche, sagte der Münchener Erzbischof Reinhard Marx. Im "Spiegel" bemängelte er, dass sich die CDU zu sehr vom Leitbild der Ehe verabschiede und Krippenplätze bereits für einjährige Kinder fördere.

Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach kritisierte in dem Blatt die programmatische Beliebigkeit seiner Partei. Das Profil der Union sei nicht zu erkennen, weil sie bei wichtigen Themen "alles im Angebot" habe.

Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger erwartet mehr Führungsstärke von Merkel. Mit Blick auf das am 17. Januar geplante Gespräch der CDU-Vorsitzenden mit dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer und FDP-Chef Guido Westerwelle sagte Oettinger "Spiegel Online": "Ich gehe davon aus, dass die Kanzlerin bei dem angekündigten Sechsaugengespräch die klare inhaltliche Führung übernimmt."

FDP will Gleichklang für Steuerreform

Angesichts des desaströsen öffentlichen Erscheinungsbildes der erst gut zwei Monate alten Koalition mahnte FDP-Vize Andreas Pinkwart ebenfalls die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin an. Der vielstimmige Koalitionschor müsse wieder im Gleichklang erklingen. Allerdings haben die Liberalen andere Töne im Sinn als CSU und CDU, die die FDP-Forderung nach umfangreichen Steuersenkungen infrage stellen. Die Kanzlerin müsse klar machen, dass es zu einer umfassenden Steuerreform komme, sagte Pinkwart im "Focus".

Finanzminister Schäuble äußerte erneut Zweifel an umfassenden Entlastungen und forderte von den Partnern mehr Disziplin. "Wir brauchen keinen Neustart. Es genügt vollauf, wenn wir die öffentlichen Auseinandersetzungen beenden", sagte er im "Tagesspiegel am Sonntag".

SPD-Oppositionsführer Steinmeier erklärte, mehr und mehr falle auf, dass Merkel und die Union in der großen Koalition von der SPD gelebt hätten. Jetzt gebe es keine solide Politik mehr. "Da fehlen die Ideen, da fehlt der seriöse Partner, da fehlt die Kraft, dieses Land zu führen", sagte er der "Bild am Sonntag". Manche in der Union trauerten wohl schon den alten Zeiten nach.

(RTR/AFP/ndi)
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