Urteil über Euro-Rettung Der Bundestag blickt nach Karlsruhe

Berlin (RPO). Heute Vormittag verkündet der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe sein Urteil über das erste Rettungspaket für Griechenland. Die Anspannung in der Bundesregierung ist groß. Sie muss mit scharfen Auflagen rechnen. Vorbereitungen sind bereits getroffen. Nach der Bekanntgabe der Richter kommt es zur Generaldebatte im Bundestag.

Fünf Männer klagen gegen die Euro-Rettung
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Fünf Männer klagen gegen die Euro-Rettung

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Mittwochvormittag, 10 Uhr. Der Bundestag hat eigens seine Generaldebatte nach hinten geschoben, um erst das wichtige Urteil der Richter in Karlsruhe zu hören. Der Zweite Senat soll zunächst das mit Spannung erwartete Urteil zur Rechtmäßigkeit der Finanzhilfen für Griechenland und den vorläufigen Euro-Rettungsschirm (EFSF) verkünden, dann erst werden die Parlamentarier diskutieren.

Die Kläger, unter anderem der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, zeigen sich nach der Vorverhandlung im Juli ausgesprochen optimistisch. "Alle zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse über die Euro-Krise bestätigen die mit meiner Verfassungsbeschwerde vertretene Position", sagte Gauweiler der "Leipziger Volkszeitung". Der Rettungsschirm gefährde die Stabilität des Euro, statt sie zu gewährleisten. Außerdem sei das Parlament nicht ausreichend eingebunden worden.

Der Zweite Senat des Verfassungsgerichts hatte sich von den ursprünglich über 50 Verfassungsbeschwerden gegen Finanzhilfen und EFSF sechs als Pilotverfahren ausgewählt. Die Kläger werfen der Bundesregierung Verfassungsbruch und Verstöße gegen europäisches Recht vor. Das Parlament sei bei der Rettung Griechenlands übergangen worden; und mit dem rund 500 Milliarden Euro schweren Paket verwandle sich die Europäische Union in eine Haftungs- und Transferunion, argumentierten sie in der mündlichen Verhandlung des Gerichts im Juli. Außer dem CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler haben fünf als Euro-Skeptiker bekannte Professoren geklagt, unter ihnen der Ökonom Joachim Starbatty.

So zuversichtlich sich die Kläger auch geben. Komplett kippen wird der Zweite Senat die deutschen Hilfen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Bereits im Juli haben die Richter klargestellt, dass sie nicht über gute oder schlechte Finanzpolitik entscheiden wollen.

Als wahrscheinlich gilt aber, dass die obersten Richter mehr Mitwirkungsrechte des Bundestages anmahnen werden. Damit rechnen auch die Parteien in Berlin. In quasi vorauseilendem Gehorsam haben sie bereits in ersten Grundlinien besprochen, wie weit die Beteiligungsrechte des Parlaments reichen sollen. Die Etat-Experten von Union und FDP haben sich bereits auf ein Stufenverfahren geeinigt, das eine starke Beteiligung der Abgeordneten vorsieht. Die Feineinstellung wird dann auf Grundlage des Verfassungsgerichtsurteils erfolgen.

Die Problematik liegt dabei auf der Hand. Mehrfach sind die Rettungspakete in höchster Dringlichkeit zusammengeschustert worde, teils nach hekischen Telefonaten und nächtlichen Sitzungen. Die Akteure standen angesichts der hyperventilierenden Finanzmärkte unter Handlungsdruck. Das passt nicht leicht mit den Vorstellungen eines demokratischen Rechtsstaats zusammen, nach denen das Parlament als einziger direkt legitimierter Vertreter des Volkes weitreichenden Entscheidungen zustimmen muss. Handlungsfähigkeit und parlamentarische Kontrolle - manchmal ein Widerspruch.

Es ist davon auszugehen, dass die Verassungsrichter die Rechte des Parlaments stärken werden. Der leitenden Richter Udo Di Fabio hat im Vorfeld bereits darauf hingewiesen, dass er das Haushaltsrecht als das "Kronjuwel des Parlaments" betrachtet, das der Souverän nicht leichtfertig aus der Hand geben sollte. Der Vorsitzende Andreas Voßkuhle hatte erklärt, dass das Gericht möglicherweise das Parlament vor sich selbst schützen müsse. Er meinte: vor dem Verzicht auf Zustimmungsrechte im Namen der Fraktionsdisziplin. Wie weit nun die Richter in ihrem Urteil gehen und der Euro-rettenden Bundesregierung Fesseln anlegen werden, das ist die spannende Frage, die an diesem Mittwoch beantwortet werden soll.

Die Bundesregierung verfolgt das Ganze mit Magengrummeln, manche Medien scheuen sich nicht, auch von Angst zu sprechen. Sie weiß, dass die ohnehin schon verfahrene Lage in der Schuldenkrise damit nur noch komplizierter werden kann. wer mag kann schon etwas Flehendes in Merkels Äußerung der Vorwoche erkennen, wenn sie sagt, sie sei zuversichtlich, dass die künftigen Mitbestimmungsregeln sich am Ende als "marktkonform" erweisen werden.

Mit Spannung ist insoweit nicht nur das Urteil, sondern auch die anschließende Generaldebatte des Bundestags zu erwarten. Bei den viertägigen Beratungen über den Haushalt bietet der für Mittwoch angesetzte Austausch über den Etat des Kanzleramts traditionell Anlass zur Abrechnung unter den Parteien. Diesmal wird sie unter dem Eindruck des Urteils aus Karlsruhe stehen.

Auch Merkel (CDU) stellt sich. Ab etwa 10.30 Uhr soll es rund gehen im Bundestag. Angesichts der Zerrissenheit in den Regierungsreihen erhoffen nicht eben wenige, dass Merkel mit entschlossen Aussagen zur Bewältigung der Euro-Krise und der künftigen Gestaltung Europas auftrumpfen wird. Vor allem die Abweichler in der internen Testabstimmung über den reformierten Euro-Rettungsschirm werden die Ohren spitzen.

(RTR/pst)
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