Wulff will Fall Sarrazin nicht allein entscheiden Der Bundespräsident ist in der Pflicht

Berlin (RPO). Bundespräsident Christian Wulff will nicht im Alleingang über den Rauswurf von Thilo Sarrazin aus dem Vorstand der Bundesbank entscheiden. Wulff bat die Bundesregierung am Freitag um eine Stellungnahme zum Antrag der Bank auf eine Abberufung Sarrazins nach dessen umstrittenen Äußerungen zur Integrationspolitik. In der Union gab es derweil Unmut über den Umgang mit dem früheren Berliner Finanzsenator.

Sarrazin bei der Buchvorstellung "Deutschland schafft sich ab"
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Sarrazin ließ offen, ob er gegen eine Abberufung klagen würde. Er betonte: "Ich habe anwaltliche Beratung zu all diesen Fragen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen", erklärte er im "Tagesspiegel". Der Buchautor hatte nach eigener Darstellung bis Donnerstagmorgen einen freiwilligen Rücktritt von seinem Posten als Vorstandsmitglied der Bundesbank erwogen: "Der gewaltige Zuspruch war für mich aber Zeichen genug, dass ich nicht nur an meine Bequemlichkeit denken durfte."

Sarrazin war am Donnerstag "mit sofortiger Wirkung" von seinen Aufgaben in der Bundesbank entbunden worden. Er hatte unter anderem mit Äußerungen zur angeblichen vererbten Dummheit muslimischer Einwanderer und der Bemerkung "alle Juden teilen ein bestimmtes Gen" Empörung ausgelöst.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wandte sich gegen Mahnungen, durch eine Abberufung Sarrazins sei die Meinungsfreiheit in Deutschland gefährdet. Natürlich könne Sarrazin "sagen, was er will". Die Frage sei jedoch, inwieweit die Äußerungen mit seiner Tätigkeit bei der Bundesbank vereinbar seien.

Die Justizministerin betonte, sie denke, der Bundespräsident werde nun "sehr verantwortungsbewusst" über den Fall entscheiden. Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte zugleich, Sarrazin habe mit seinen Äußerungen über Muslime Ängste geschürt und "Vorurteile bedient". Es sei unstreitig, dass die Integration in Deutschland nicht problemfrei verlaufe. Man brauche keinen "Polarisierer", der dies noch einmal in die Debatte einbringe.

Nicht wegen "Sachmeinung" entlassen

Ähnlich äußerte sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Er betonte, über Integration insbesondere im Zusammenhang mit dem Islam müsse selbstbewusst diskutiert werden. Man brauche dabei "keinen Anstoß von einem Provokateur", der "mit der Provokation auch noch Geld verdient".

Der Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Günter Krings (CDU), mahnte allerdings: "Wegen einer Sachmeinung darf niemand entlassen werden." Mit einer Entlassung von Sarrazin aus der Bundesbank werde ein Präzedenzfall geschaffen. Krings warnte ind er "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" : "Man muss aufpassen, dass man nicht auf eine schiefe Bahn gerät."

Sarrazins Berliner SPD-Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf brachte derweil ein Parteiordnungsverfahren gegen den Ex-Finanzsenator auf den Weg. Der Landesvorstand will am Montag über das weitere Vorgehen in dem Fall beraten.

Der Vorsitzende der Berliner SPD, Michael Müller, sagte: "Ich glaube, wir haben eine sehr große Chance, dass Thilo Sarrazin die Partei verlassen muss." Bei einem früheren Versuch, Sarrazin aus der Partei auszuschließen, habe die Schiedskommission angeführt, eine SPD müsse auch kritische Stimmen aushalten können. Sie habe aber auch gesagt, es könne kein Dauerzustand sein, "gegen die Grundsätze der Partei zu verstoßen".

(DDP/top)
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