Jörg Tauss unter Kinderporno-Verdacht Dem Haudrauf-Typen droht die Anklage

Karlsruhe/Berlin (RPO). Der Fall des Jörg Tauss war schon fast vergessen. Zuletzt hatte der Bundestagsabgeordnete vor allem mit seinem Eintritt in die Piratenpartei auf sich aufmerksam gemacht. Der Kinderpornografie-Verdacht und der anschließende Austritt aus der SPD waren Vergangenheit. Jetzt soll gegen Tauss Anklage erhoben werden.

Das ist Jörg Tauss
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Jörg Tauss fällt immer wieder auf, weil er es offenbar, seinem Körperbau entsprechend, nur groß und laut und polternd kann. Tauss ist ein dröhnender Haudrauf-Typ. Doch ausgerechnet dem Abgeordneten, der die Transparenz erfunden zu haben schien, soll jetzt der Prozess gemacht werden. Die Staatsanwaltschaft will gegen Tauss wegen des Verdachts auf Besitz von kinderpornografischem Material Anklage erheben.

Erster Verdacht im März

Den ersten Verdacht gab es bereits Anfang März. Noch wenige Stunden, bevor die Staatsanwaltschaft seine Berliner Büro- und Privaträume wegen des Verdachts auf Kinderpornografie durchsuchen ließ (und fündig wurde) gab Tauss damals wie üblich den Tauss: den Weltmeister der Zwischenrufe. 13 Mal allein während der Aussprache über den Medienbericht.

Kurz darauf wurde seine Immunität aufgehoben. Diese schützt die Mitglieder des Parlaments normalerweise vor Strafverfolgung; Ermittlungen oder Verhaftungen sind nur möglich, wenn das Plenum des Parlaments zustimmt. Eine Ausnahme gibt es nur, wenn ein Abgeordneter auf frischer Tat ertappt oder am Tag nach der Tat festgenommen wird.

Die Ermittler hatten kinderpornografisches Material auf dem Rechner und dem Mobiltelefon gefunden. Die Hinweise auf den Politiker sollen aus Bremerhaven gekommen sein, wo gegen einen Verdächtigen wegen Kinderpornografie ermittelt wird, der Tauss' Telefonverbindungsdaten und SMS gehabt haben soll.

Nach erheblichem Druck aus seiner Fraktion trat Tauss als Generalsekretär der SPD in Baden-Württemberg und medienpolitischer Sprecher zurück und gab seinen Sitz im Fraktionsvorstand auf. Auch auf eine erneute Kandidatur für den Bundestag hatte er verzichtet. Die inkriminierenden Materialien will er sich als Abgeordneter für seinen politischen Kampf gegen die Kinderpornografie zugelegt haben, ließ er damals durchblicken.

"Tauss hatte keinen dienstlichen Auftrag"

Die Justiz sieht den Fall etwas anders: Nach Informationen der "Bild"-Zeitung vom Dienstag heißt es in dem Bericht der Staatsanwaltschaft, Tauss habe keinen dienstlichen Auftrag gehabt und könne daher den Besitz von kinderpornografischem Material nicht damit begründen. Gefunden wurden demnach Handybilder und drei DVDs.

Damit steht ausgerechnet der Politiker unter Kinderporno-Verdacht, der sich in der Vergangenheit immer wieder medienwirksam gegen die Internet-Sperre von kinderpornografischen Seiten ausgesprochen hatte. So attackierte er öffentlich Familienministerin Ursula von der Leyen in dem er ihr vorhielt, sie wolle den vorgeblichen Kampf gegen den Kindesmissbrauch zu einer Blockade des Internets missbrauchen. Eine Attacke, die ihn in den vergangen Monaten in Erkärungsnöte gebracht hat.

Er bleibt seiner Linie treu

Dennoch blieb Tauss seiner politischen Linie treu. Als am 18. Juni vom Bundestag das Gesetz zur Sperrung von Kinderpornografie im Internet verabschiedet wurde, bezeichnete Tauss den Vorgang als "schwarzen Tag für die Demokratie". "Ich bin schwer enttäuscht von meiner eigenen Partei", sagte Tauss gegenüber der "Bild"-Zeitung.

Aus der Piratenpartei kamen immer mehr Aufforderungen, dass der SPD-Politiker doch die Fronten wechseln solle. "Ich finde das sehr spannend, weil es zeigt, dass unsere Ziele und Forderungen bekannter und unterstützter werden", sagte Dirk Hillbrecht, Vorsitzender der Piratenpartei. Am 20. Juni gab Tauss schließlich sein SPD-Parteibuch ab. Als einer von rund 3200 "Piraten"-Mitgliedern setzt er sich seitdem für kostenlose Herunterladen von Filmen, Videos und Musikdateien im Internet und die Abschaffung geistiger Urheberrechte ein.

Tauss-Anwalt spricht von Vorverurteilung

Doch nach aktuellem Stand könnte seine politische Karriere schon bald vor dem Aus stehen. Ihre Ermittlungen seien abgeschlossen, die Akten lägen nun bei der Verteidigung, sagte Oberstaatsanwalt Rüdiger Rehring am Dienstag. Allerdings könne die Verteidigung noch die Klärung weiterer Punkte fordern. Zum Inhalt der Anklageschrift wollte sich der Staatsanwalt nicht äußern. Mit dem Fall muss sich nach Angaben von Rehring auch der Immunitätsausschuss des Bundestags befassen. Die Abgeordneten müssten der Anklageerhebung zustimmen.

Tauss' Anwalt Jan Mönikes warf der Staatsanwaltschaft unterdessen öffentliche Vorverurteilung vor. Mönikes erklärte dazu in Berlin, es tauge nicht zum Vorwurf, dass "ein für die Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet zuständiger Abgeordneter keinen 'dienstlichen Auftrag' für eine politisch motivierte Recherche erhält". Tauss habe belegen wollen, "dass das Parlament hinsichtlich der Verbreitungswege von Kinderpornografie von den zuständigen Behörden belogen wird", erklärte Mönikes. "Ich bin ja kein Beamter, sondern frei in meiner Arbeit," äußerte sich Tauss zu den Vorwürfen. Er will jetzt den Abschlussbericht genau untersuchen und gegebenenfalls weitere Ermittlungen beantragen.

(tim/csi)
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