Debatte nach Übergriffen in Köln Wenn Asylbewerber straffällig werden

Berlin · Die große Koalition führt in der Folge der Kölner Silvesternacht eine heftige Debatte um die Ausweisung straffällig gewordener Asylbewerber und Asylberechtigter. Was aber sind die Voraussetzungen dafür?

Fast 400 Anzeigen rund um die Geschehnisse am Kölner Hauptbahnhof sind inzwischen bei der Polizei eingegangen.

Fast 400 Anzeigen rund um die Geschehnisse am Kölner Hauptbahnhof sind inzwischen bei der Polizei eingegangen.

Foto: dpa, obe ink

Das Justizministerium sieht die Möglichkeit, die Täter der Silvesternacht abzuschieben, auch wenn sie Asylbewerber oder Asylberechtigte sind, für die wegen ihrer Schutzbedürftigkeit engere Ausweisungsregeln gelten. "Je nach Schwere der Sexualstraftaten und bei Wiederholungsgefahr könnte dann auch die Ausweisung von anerkannten Asylberechtigten beziehungsweise Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention — soweit unter den Tätern — grundsätzlich möglich sein", heißt es in dem Papier.

In dem Dokument weisen die Beamten die Darstellung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zurück, wonach ein Flüchtling zu mindestens drei Jahre Haft verurteilt worden sein muss, um ihn auszuweisen. Dies sei "für die Ausweisung nach neuem Recht nicht mehr relevant", heißt es. Die rechtliche Lage zur Ausweisung ausländischer Straftäter muss immer vom Aufenthaltsstatus des Betroffenen her beurteilt werden. Zudem ist zu beachten, dass "Ausweisung" zunächst nur bedeutet, dass der Straftäter sein Aufenthaltsrecht verliert. Bei einer Abschiebung wird er auch physisch über die Grenze befördert. Die Beschuldigten können dem Aufenthaltsgesetz zufolge grundsätzlich ausgewiesen werden, wenn sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche Grundordnung oder sonstige "erhebliche Interessen" gefährden.

Als Maßstab gilt eine Straftat, die mit mindestens einem Jahr Gefängnis belegt wurde. Auch Hassprediger, Drogenkonsumenten und diejenigen, die bei den Angaben über ihre Herkunft gelogen haben, können ausgewiesen werden. Für jeden Fall muss individuell abgewogen werden, ob nicht persönliche, wirtschaftliche oder familiäre Gründe gegen eine Ausweisung sprechen.

Besonders hohe Hürden gibt es auch für die Ausweisung von Menschen mit türkischem Pass. "Eine Ausweisung ergeht nur dann, wenn das öffentliche Interesse an der Ausreise nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles das individuelle Bleibe-interesse des Ausländers überwiegt", heißt es im Bundesinnenministerium. Ein seit langer Zeit bestehender legaler Aufenthalt in Deutschland könne in dieser Abwägung ein schwerwiegendes Bleibeinteresse zugunsten des Ausländers begründen. Für Türken gibt es darüber hinaus ein Assoziationsabkommen zwischen der EU und der Türkei. Demnach ist eine Ausweisung in die Türkei nur möglich, "wenn das persönliche Verhalten des Ausländers gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist", sagte ein Sprecher des Innenministeriums.

Auch Bürger aus anderen EU-Staaten können ihr Bleiberecht in Deutschland verlieren, wenn sie straffällig werden. Für sie gilt statt des Aufenthaltsgesetzes das Freizügigkeitsgesetz. Nach Paragraf 6 können deutsche Behörden dem EU-Ausländer das Aufenthaltsrecht entziehen, die grundsätzlich in der EU geltende Freizügigkeit wird ihm dann für Deutschland aberkannt. "Es ist gang und gäbe, dass auch ausländische EU-Bürger ausgewiesen werden, wenn sie hier in besonderem Maße straffällig geworden sind", sagt der Berliner Rechtsanwalt Karsten Reibold. EU-Bürger hätten vor dem Verwaltungsgericht aber meistens bessere Chancen sich gegen eine Ausweisung zu wehren als Nicht-EU-Bürger.

Bei Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt, bereits eine Anerkennung als Asylberechtigter erhalten haben oder Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießen, ist die Ausweisung schwieriger. Sie können ihre Aufenthaltsberechtigung nur verlieren, wenn ihr Verhalten eine "schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt". Als Maßstab gilt eine Haftstrafe von zwei Jahren. Für Vergewaltigung ist dies ein übliches Strafmaß. Wem in seinem Heimatland Tod, Folter oder erniedrigende Behandlung droht, kann nicht ausgewiesen werden. So dürfte es gegenwärtig nicht möglich sein, beispielsweise Syrer in ihr Heimatland zurückzuschicken.

(mar, qua)
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