Debatte im Bundestag zu Hanau „Der Feind unserer Demokratie steht rechts und nirgendwo anders“

Berlin · Nach dem Anschlag in Hanau diskutieren die Abgeordneten im Bundestag darüber, wie solche Taten verhindert werden können. Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus findet klare Worte.

 Ralph Brinkhaus (CDU), Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Ralph Brinkhaus (CDU), Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) hat die Gewalttat von Hanau als Anschlag auf die Demokratie gewertet. „Neben der Trauer steht für mich auch tiefe Scham“, sagte Brinkhaus am Donnerstag bei einer Debatte zum Thema im Bundestag. Es sei erschütternd, dass Menschen glaubten, der Staat könne sie nicht mehr schützen. „Nur wer in Sicherheit lebt, kann auch in Freiheit leben“, sagte Brinkhaus. „Es war ein Anschlag auf den Kern unseres Staates.“

Er betonte: „Der Feind unserer Demokratie steht in diesen Tagen rechts und nirgendwo anders.“ Hass und Verrohung in der Debatte hätten zugenommen. „Es geht überhaupt nicht darum, dass Probleme nicht benannt werden dürfen.“ Es gehe aber um Respekt in der politischen Auseinandersetzung. Hoffnung gebe ihm aber die Solidarität, die Menschen nach der Tat von Hanau gezeigt hätten.

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Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble forderte die Politik zu einer ehrlichen Aufarbeitung auf. „Selbstkritik, entschlossenes Handeln - das sind wir den Ermordeten von Hanau schuldig“, sagte Schäuble am Donnerstag vor Beginn einer vereinbarten Debatte im Parlament über den Anschlag. Betroffenheit reiche längst nicht mehr. „Hanau fordert vor allem: Aufrichtigkeit“, sagte der Parlamentspräsident.

Der Staat müsse sich eingestehen, die rechtsextremistische Gefahr zu lange unterschätzt zu haben. „Die lange Spur mörderischer Übergriffe, die Einzeltäter und Gruppen durch Deutschland ziehen, zeigt: Das ist Terrorismus“, sagte Schäuble. In seiner Ansprache nannte er die Namen der Opfer. Das Parlament erhob sich zu einem kurzen Gedenkmoment. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verfolgte die Debatte von der Besuchertribüne.

Schäuble mahnte auch, Taten wie die in Hanau kämen nicht aus einem „luftleeren Raum“. „Sie wachsen in einem vergifteten gesellschaftlichen Klima, in dem das Ressentiment gegenüber dem Fremden und abwegigste Verschwörungstheorien geschürt werden“, sagte er, „bis Minderheiten als Bedrohung empfunden und in Sozialen Medien Hetzjagden oder sogar Morde von perversen Beifallsbekundungen begleitet werden.“

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich machte der AfD heftige Vorwürfe. Es handle sich in Hanauvielleicht um einen Einzeltäter, der aber getragen werde von einem System von Hetze. Eine Spur führe auch hinein in den Bundestag, die AfD sei ein Komplize, sagte er am Donnerstag im Bundestag. „Sie haben den Boden bereitet, sie haben sich schuldig gemacht“, sagte er an die AfD-Fraktion gerichtet.

„Was ist Hanau passiert ist, ist mehr als Totschlag“, sagte er. „Es ist Massenmord“, sagte Mützenich. Er sprach auch von „rechtem Terror“.

Hoffnung mache ihm die Solidarität vieler Menschen nach der Bluttat. „Wir sind nicht eine Wiederholung von Weimar. Wir sind eine mutige Demokratie.“

Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) warf der AfD vor, eine schleichende gesellschaftliche Verrohung mit zu verursachen. Gewalt wie beim Anschlag in Hanau stehe am Ende einer Spirale, die damit beginne, dass rassistische Sprüche unwidersprochen stehenblieben. „Das haben Sie am rechten Rand, Sie von der AfD bis heute nicht verstanden“, sagte Lambrecht am Donnerstag im Bundestag.

Rechtsextremismus sei die größte Bedrohung einer offenen und friedlichen Gesellschaft. Sie könne nicht versprechen, dass sich Gewalttaten wie in Hanau nicht wiederholten, sagte die Justizministerin. „Aber eines kann ich Ihnen versichern: Wir nehmen den Kampf gegen diese Bedrohung auf.“ Das bedeute auch harte Strafen und konsequente Verfolgung für jede Form von Gewalthetze. Außerdem müsse geprüft werden, ob das Waffenrecht ausreichend verschärft worden sei.

Die AfD wies jede Schuldzuweisung für rechtsextreme Gewalt scharf zurück. Abgeordnete der Partei verwiesen am Donnerstag in Berlin auf die Spaltung im Land, für die die anderen Parteien verantwortlich seien.

„Wenn extremistische Tendenzen in einer Gesellschaft erstarken, dann läuft für alle erkennbar etwas grundsätzlich schief. Dann muss sich vor allem die Politik fragen, was sie falsch gemacht hat“, sagte der AfD-Abgeordnete Roland Hartwig. „Dann ist es höchste Zeit, die Ursachen für die Fehlentwicklungen und die Verantwortlichen zu benennen.“

Der AfD-Politiker Gottfried Curio sagte an die Adresse der anderen Parteien: „Sie spannen ermordete Menschen vor den Karren Ihrer Parteipolemik!“ Die Motivation des Täters sei unklar. „Er war verrückt, und der AfD soll es in die Schuhe geschoben werden“, sagte er. „Der eigentliche Brandstifter beschuldigt den Feuermelder.“

Die Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, Annette Widmann-Mauz (CDU), rief zum Kampf gegen Rassismus auf. Sie schäme sich für das, was sie auch heute wieder aus den Reihen der AfD gehört habe, sagte sie am Donnerstag im Bundestag bei einer Debatte zum Anschlag von Hanau. Zuvor hatten Vertreter anderer Parteien der AfD eine Mitschuld gegeben, die Fraktion wies dies scharf zurück.

Widmann-Mauz erinnerte daran, dass viele Menschen im Land Angst hätten und ihnen das Deutschsein abgesprochen werde. „Das ist eine Schande.“ Jeder müsse den Mund aufmachen, wenn Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen abgewertet würden, sagte Widmann-Mauz. „Wir sind alle verantwortlich.“ Sie fügte hinzu: „Mit den Worten fängt es an, mit dem Schweigen nimmt es seinen Lauf.“ Die Menschen müssten aufhören, die Gesellschaft „in "wir Deutsche" und "ihr Eingewanderte" zu trennen.“

Bei dem Anschlag hatte ein 43-jähriger Deutscher am Abend des 19. Februar neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Weitere Menschen wurden verletzt. Der Sportschütze soll auch seine Mutter getötet haben, bevor er sich selbst das Leben nahm. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der mutmaßliche Täter eine rassistische Gesinnung und war psychisch krank.

(zim/dpa)
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