Der Minister und das "Euro Hawk"-Debakel De Maizière hat sein Haus nicht im Griff

Berlin · Der Verteidigungsminister legt zur Aufklärung des "Euro Hawk"-Drohnendebakels ein massives "Sperrfeuer" in Parlament und Medien. Doch die Untersuchungen gehen weiter. Und personelle Konsequenzen behält er sich weiter vor.

Thomas de Maizière – Kanzleramtschef, Verteidigungsminister, Innenminister
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Das ist Thomas de Maizière

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Foto: dpa, nie pil his

"Sperrfeuer" nennen Militärs den intensiven Beschuss eines bestimmten Gebietes, um den Gegner am Vorrücken zu hindern. Von "Sperrfeuer" sprechen am Mittwoch auch führende Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums beim Blick auf den Terminkalender von Thomas de Maizière (CDU). Erkennbar geht es auch hier darum, dem Gegner weiteren Bodengewinn zu versagen.

Der Soldatensohn de Maizière mutet sich ein parlamentarisch-mediales Mammutprogramm zu, um aus der Defensive beim gescheiterten "Euro Hawk"-Projekt herauszukommen. Kurz skizziert er es am frühen Morgen im Kabinett, eilt dann hinüber zum Verteidigungsausschuss, wo er über drei Stunden Aufklärung rund um die bislang 662 Millionen Euro teure Aufklärungsdrohne zu schaffen versucht.

Danach ist die Öffentlichkeit dran. Alle Berichte und Einschätzungen gehen online, während der Minister sich der Hauptstadtpresse stellt. Aber nur 50 Minuten. Dann muss er in den Bundestag. In einer aktuellen Stunde versuchen die Politiker auszuloten, wie viel Boden er schon wieder gutgemacht hat oder ob sein Verhalten doch noch reicht, ihn in die Knie zu zwingen. Bis spät am Abend geht die pausenlose Selbstverteidigung des Ministers auf den verschiedenen Fernsehkanälen weiter. Und das ist erst der Anfang: Nächsten Montag widmet sich der Verteidigungsausschuss in einer Sondersitzung weiteren Details.

84 Seiten Bericht

Die Strategie des Ministers ist trotz der vielschichtigen und komplizierten, auf 84 Berichtsseiten dargelegten "Euro Hawk"-Geschichte einfach erzählt: Das Projekt ist weder zu früh noch zu spät gestoppt worden. Denn ohne die jetzt auch immer noch laufenden Testflüge mit dem Prototypen hätte die Bundeswehr das darin integrierte Signalaufklärungssystem nicht entwickeln und testen können.

Damit wären nicht 662 Millionen, sondern allenfalls 302 Millionen für den "Euro Hawk" selbst in den Sand gesetzt. Aber auch die nicht einmal, weil es ohne ihn auch nicht das neue "Isis"-Aufklärungssystem gegeben hätte. Vielleicht lässt sich der Prototyp, so ist aus der Luftwaffe zu hören, ja sogar in das neue Nato-Aufklärungsprojekt einbauen oder aber zum Testen anderer Entwicklungen verwenden. Dann wäre der Schaden nahe null.

Bleibt trotzdem das Problem, dass der "Euro Hawk" nicht nur zum Testen angeschafft wurde, sondern zum Einsatz. Und dafür ist eine Zulassung für den Himmel über Deutschland nicht zu haben. Das war der Grund, warum de Maizières Staatssekretäre das Projekt am 8. und 10. Mai stoppten — woraufhin der Minister erstmals am 13. Mai darüber unterrichtet wurde. 14 Monate vorher habe er erstmals von Zulassungsproblemen erfahren, die ihm aber als lösbar dargestellt worden seien.

Kujat hält de Maizière für angreifbar

Das ist der zweite Teil seiner Strategie: große Zerknirschung, ja riesiger Ärger über sich selbst, dass er die jahrzehntelange Praxis des Ministeriums geduldet habe, Unangenehmes vom Chef fernzuhalten. Konsequenzen? De Maizière will sie sich erst einmal weiter vorbehalten. Sprich: weiter aufklären, "Fehlerkultur" und Mechanismen im Ministerium ändern und dabei auch entscheiden, von welchen Beteiligten er sich trennen will.

Der frühere Generalinspekteur Harald Kujat sieht im Gespräch mit unserer Redaktion Raum für die Opposition, de Maizière noch weiter in die Enge zu treiben. "Der Minister hätte selbst initiativ werden und sich um den Stand von Großprojekten kümmern müssen", sagt Kujat. "Ein Ministerium zu führen, heißt nicht, nur zu warten, bis ein Stück Papier auf dem Schreibtisch landet", kritisierte er.

Zunächst halten sich SPD und Grüne mit Rücktrittsforderungen zurück. Am Abend jedoch schießen sich die Ersten ein. SPD-Verteidigungspolitiker Wolfgang Hellmich verlangt den sofortigen Rücktritt, weil de Maizière die Prozesse im Ministerium nicht unter Kontrolle habe. "Schäbiges Verhalten" hält ihm SPD-Bundestagsexperte Rainer Arnold vor und fordert: "Verzichten Sie auf dieses Amt!"

Derweil spricht die Kanzlerin entspannt mit ihrem Minister. Sie scherzen sogar. Bevorstehende Rücktritte kündigen sich anders an. Allerdings: In der Nahbetrachtung sind geplatzte Adern in de Maizières Augen zu sehen. Zeigt der Dauerdruck doch Wirkung?

(may-)
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