Christdemokraten 2013 Das verschwundene Katholische in der CDU

Berlin · Der Katholik Konrad Adenauer förderte den Evangelischen Arbeitskreis, weil die CDU aus alter Zentrums-Tradition sowieso katholisch war. Doch das hat sich stark verändert. Darauf macht der Höffner-Kreis der Unionsfraktion aufmerksam. Die Sammlung von Katholiken feiert ihr Jubiläum an diesem Mittwoch mit einer Protestantin: Der Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Starke Frauen in der CDU
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"20 Jahre Kardinal-Höffner-Kreis" — für die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel ist dieser Auftritt an diesem Mittwoch Abend in Berlin nur einer von vielen. Aber es ist einer, der ein bezeichnendes Licht auf die Präsenz des katholischen Glaubens in der aktuellen Bundespolitik im Allgemeinen und in der CDU im Besonderen wirft.

Schon die Ankündigung der Rede Merkels macht das deutlich. Das sei ein "Zusammenschluss von christlichen Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion", erläuterte Merkels Sprecher Steffen Seibert zum Höffner-Kreis. Zusammen mit den darin engagierten Unternehmern und Wissenschaftlern verstehe sich dieser Kreis als "Forum engagierter Christen an der Nahtstelle zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft", führte Seibert weiter aus. Zwei Mal "Christen", ein Wort fehlt: Katholiken. Dabei hatte sich der Kreis nicht wegen des Christlichen gegründet, sondern konkreter aus dem Wunsch heraus, "der katholischen Stimme in der Politik wieder mehr Profil zu verleihen", wie sich Innenausschuss-Chef Wolfgang Bosbach erinnert, der seit 1994 dabei ist.

20 Jahre später scheint das Umfeld noch fordernder geworden zu sein. Die Bundeskanzlerin: eine protestantische Pfarrerstochter. Der Bundespräsident: ein protestantischer Pfarrer. Kritische Nachfragen verstand Merkel noch vor Jahren mit der entwaffnenden Antwort zu begegnen, sie werde als Protestantin an der Parteispitze von vier Katholiken als Stellvertreter unterstützt. Doch die damaligen Vizes Roland Koch, Jürgen Rüttgers, Annette Schavan und Christian Wulff sind längst abgelöst.

Katholiken in der Unterzahl

Nun stehen Volker Bouffier, Julia Klöckner, Armin Laschet, Ursula von der Leyen und Thomas Strobl der Parteichefin zur Seite. Nur Klöckner und Laschet sind Katholiken. Das Verhältnis von Protestanten zu Katholiken hat sich von 1:4 in 5:2 verwandelt.

Nicht anders sieht es unter den CDU-Ministern aus. Als Konrad Adenauer 1949 seine erste Bundesregierung bildete, waren vier von sechs CDU-Ressortchefs Katholiken. Heute ist es einer von sechs: Peter Altmaier ist inzwischen der einzige.

Das war für Adenauer so unvorstellbar wie seine Einstellung zur Familienförderung. "Kinder kriegen die Leute von selbst", lautete seine feste Überzeugung. Und für Katholiken in der CDU eine Organisation zu gründen, erschien seinerzeit absurd. Schließlich war die CDU aus dem Milieu der katholischen "Zentrum"-Partei hervorgegangen. Innerparteilich finanzierte die CDU vielmehr die Protestanten. Der Evangelische Arbeitskreis (EAK) sollte deutlich machen, dass die CDU die Ökumene ernst meinte, keine "katholische", sondern bewusst eine "christliche" Union sein wollte.

Einem Kreis um Norbert Blüm und Georg Brunnhuber schwante zu Beginn der 90er Jahre, dass die Rolle des Katholischen im wiedervereinigten Deutschland marginalisiert werden könnte, besonders beim Wechsel in die "Diaspora" nach Berlin. Unter den CDU-Abgeordneten waren auch einige Schüler des langjährigen Kölner Erzbischofs und Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Joseph Kardinal Höffner (1906-1987) wurde für sie zum Namensgeber ihres Gesprächskreises, weil sie fasziniert waren von dieser Persönlichkeit: Zugleich Priester und Theologe, Soziallehrer und Wissenschaftler. Für ihn musste sich katholische Lehre stets an der gesellschaftlichen Wirklichkeit messen lassen.

So sieht es der Kreis auch heute noch. "Wir führen keine abstrakte Diskussion: Wir fragen, ob das alltagstauglich ist, was die Kirche vertritt", erläutert Höffner-Kreis-Vorsitzender Hermann Kues. Der CDU-Staatssekretär im Familienministerium hat die Leitung vor vier Jahren übernommen und arbeitet bei den regelmäßig alle sechs bis acht Wochen folgenden Gesprächsabenden eng mit dem Verband katholischer Unternehmer zusammen.

Zu den Treffen werden vor allem katholische Würdenträger eingeladen. Aber auch Repräsentanten anderer Religionen waren schon da. Versammlungsort ist die Parlamentarische Gesellschaft. Da kann man zwar auch speisen und trinken, aber bezahlen muss am Ende jeder selbst. Dafür hat der Kreis keinen Etat. 50 bis 60 Interessenten sind regelmäßig dabei. Auch Protestanten? "Volker Kauder sitzt immer wieder dazwischen", fällt Kues ein. "Wir sind im Prinzip ein katholischer Kreis, aber wir kontrollieren das nicht."

Das Katholische in der Bundespolitik

Das Katholische in der Bundespolitik: Für Kues wird die Heimat der Katholiken im Parteienspektrum immer wieder deutlich, wenn alle Abgeordnete zu katholischen Gottesdiensten eingeladen sind. Da kämen dann auch ein paar Grüne und Sozialdemokraten, aber zu "80 bis 90 Prozent" bestünden die Besucher aus CDU-Leuten. "Ich weiß nicht, ob der katholischen Kirche das bewusst ist", fragt sich Kues.

Umgekehrt stellt er aber auch Folgen für die CDU aus der schrumpfenden Präsenz des Katholischen in Deutschland fest. Viele politische Talente seien früher über die katholischen Organisationen zur CDU gestoßen. Engagiert als Messdiener, in der KAB oder bei Kolping, und dann irgendwann auch im CDU-Ortsverband. Die Folgen der aktuellen "Abbruchsituation" mit "schwierigen seelsorgerischen Verhältnissen" in vielen Regionen mache sich letztlich auch beim CDU-Nachwuchs bemerkbar. "Ich kann nicht erkennen, dass immer noch viele über die katholische Verbandsarbeit zu uns kommen", so Kues.

Und worüber spricht nun der Höffner-Kreis? Immer wieder sehr intensiv etwa über das "C" im Parteinamen. Da wäre es nach der Einschätzung von Kues durchaus hilfreich, wenn die katholische Kirche dieses "C" nicht nur in Zweifel zöge, sondern bessere Lösungen vorschlage.

Und konkret? Wie sieht der Höffner-Kreis etwa die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe? "Wir Katholiken wissen, dass Ausnahmen nicht zur Regel werden dürfen", erläutert Kues — und verweist auf 22.000 eingetragene Lebenspartnerschaften und 24 Millionen Ehen. "Das muss dann auch entsprechend sortiert werden — insofern ist der Höffner-Kreis auch konservativ", führt Kues aus. Die Katholiken wüssten "sehr genau, was verloren gehen kann, wenn man sich nicht eindeutig positioniert". Zugleich legt Kues aber auch Wert auf die Feststellung: "Wir sind keine konservative Kampftruppe — das würde auch nicht zu Höffner passen: der hat sich schließlich eingelassen auf die Welt, wie sie war."

Jedenfalls hat sich der Höffner-Kreis vorgenommen, selbstbewusster aufzutreten: "Wir müssen uns nicht verstecken." So wie es der dringende Rat des Höffner-Kreises beim Benedikt-Besuch in Berlin war. Die katholische Kirche plante eine Veranstaltung im Saal, hatte Angst, dass unter freiem Himmel die Leute ausbleiben könnten. Am Ende war das Olympiastadion voll. Für Kues ist das der Beleg, dass Berlin "eine der größten katholischen Städte Deutschlands ist". Tatsächlich zeigt die Statistik das Unvermutete: 322.000 Katholiken leben in Berlin, und damit fast so viele wie in Köln. Nur das Bewusstsein dafür fehlt. Der Höffner-Kreis will daran arbeiten.

(may)
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