Von der Leyen zieht nach einem Jahr Bilanz Das (un)erwünschte Bildungspaket

Berlin · Zuschuss zum Mittagessen, Geld für Ausflüge oder Nachhilfe – seit einem Jahr können Mittel aus dem Bildungspaket für arme Kinder beantragt werden. Während Arbeitsministerin Ursula von der Leyen am Freitag wenig überraschend eine positive Bilanz ihres Projektes zog, hagelte es weiter Kritik. Die Zahlen sprechen für sich.

Ursula von der Leyen - EU-Kommissionschefin und siebenfache Mutter
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Das ist Ursula von der Leyen

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Foto: AP/Efrem Lukatsky

Zuschuss zum Mittagessen, Geld für Ausflüge oder Nachhilfe — seit einem Jahr können Mittel aus dem Bildungspaket für arme Kinder beantragt werden. Während Arbeitsministerin Ursula von der Leyen am Freitag wenig überraschend eine positive Bilanz ihres Projektes zog, hagelte es weiter Kritik. Die Zahlen sprechen für sich.

Ursula von der Leyen hatte das Bildungspaket gegen alle politischen Widerstände durchgebracht. Selbst in den eigenen Reihen war die CDU-Politikerin dafür kritisiert worden. Doch sie sah nur eines: die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass Kinder aus armen Familien mein Teilhaberecht an Bildung hätten. Das musste sie als Arbeitsministerin ändern.

Nun gibt es das Bildungspaket bereits seit einem Jahr. Naturgemäß wird es von der Ministerin in höchstem Maße gelobt. Die Betroffenen hätten es in breitem Umfang angenommen, sagte sie am Freitag bei einer Pressekonferenz. Die Befürchtungen vor einem "Bürokratiemonster" hätten sich nicht bewahrheitet, "der Einsatz hat sich gelohnt". Auch der Deutsche Städtetag zieht eine positive Bilanz. Doch die Opposition und auch Wohlfahrtsverbände sehen das anders.

Noch immer Kritik am Bürokratieaufwand

Die Grünenfraktionsvorsitzende Renate Künast etwa nennt es zu kompliziert und bürokratisch. Ähnlich sieht es SPD-Vize Manuela Schwesig. Und die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) gibt zu bedenken, dass das Bildungspaket kaum etwas zur Bildung von Kindern beigetragen habe. Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert von der Leyen sogar auf, ihr Scheitern zuzugeben. Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Es macht überhaupt keinen Sinn, Erfolge beizureden, wo keine Erfolge sind."

Die Kritik ist nicht ganz unberechtigt, denn die aktuellen Zahlen einer Umfrage des Deutschen Städtetages zeigen zwar, dass die Nachfrage nach dem Bildungspaket steigt, aber nur in kleinen Schritten. Im November 2011 hatten 44 bis 46 Prozent der Berechtigten das Paket abgerufen, jetzt sind es gerade einmal 53 bis 56 Prozent. Immerhin mehr als die Hälfte der Berechtigten. Doch von den zur Verfügung stehenden Mitteln wurde bislang gerade einmal ein Fünftel abgerufen.

Es gibt natürlich auch Erfolge vorzuweisen, denn immerhin beantragten 42 Prozent der Bedürftigen in Städten und 52 Prozent in den Landkreisen die Zuschüsse für ein Mittagessen. Selbst wenn auch hier noch keine 100 Prozent erreicht wurden, so zeigt es zumindest, dass diese Unterstützung notwendig war. Bereits vor dem Bildungspaket war oftmals darauf hingewiesen worden, dass viele Kinder aus ärmeren Familien nicht einmal ein warmes Essen am Tag haben. Das hat sich für viele verbessert.

Nur fünf Prozent für Nachhilfe

Doch die anderen Zahlen der Umfrage machen erst deutlich, dass das Bildungspaket bei Weitem nicht so angekommen ist, wie es eigentlich sollte. Am zweithäufigsten werden nämlich Zuschüsse zu Ausflügen und Klassenfahrten beantragt — und hier liegt die Prozentzahl gerade einmal bei 27 und 24 Prozent.

Die Nachfrage ist also wesentlich geringer als bei dem Mittagessen. Dabei sind es gerade die Ausflüge und Klassenfahrten, die ärmere Familien ihren Kindern bislang nicht ermöglichen konnten. Warum also werden die Zuschüsse nicht beantragt? Auf diese Frage konnte von der Leyen bislang noch keine Antwort geben.

Noch verheerender sind die Zahlen in Bezug auf das, was das Paket im Wort ausmacht: die Bildung. Zuschüsse für Sport- und Musikunterricht wurden lediglich von 21 beziehungsweise 14 Prozent der Bedürftigen abgerufen, die für Lernförderung und Schülerbeförderung sogar nur von fünf Prozent. Bei der Nachhilfe etwa muss die Schule erst einmal bestätigen, dass diese notwendig ist — was die Kritiker als einen Punkt des Bürokratieaufwandes sehen.

Ob es aber wirklich der Bürokratieaufwand ist, der die Eltern davon abhält, die Hilfen für ihre Kinder zu beantragen, kann im Moment keiner sagen. Im Juni 2011 hatten Bund, Länder und Gemeinden daher eine Untersuchung darüber vereinbart, warum die Antragszahlen zum Teil sehr unterschiedlich sind und welche Zielgruppen mit dem Paket noch nicht erreicht werden konnten. Sie könnte vielleicht Aufschluss geben, doch bislang hat man von dieser Untersuchung nichts mehr gehört.

mit Agenturmaterial

(das)
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