Auszüge aus "Jenseits des Protokolls" Das schreibt Wulff über Rotlicht-Gerüchte

An dieser Stelle dokumentieren wir Auszüge aus Kapitel des 13 des Buchs "Jenseits des Protokolls" von Bettina Wulff, erschienen im Riva Verlag.

Mein Pseudonym lautet also angeblich "Lady Viktoria" und meine Wirkungsstätte soll ein Etablissement namens "Chateau Osnabrück" gewesen sein. Auch in einem Berliner FKK-Club "Artemis" soll ich als "Gesellschaftsdame", um es mal charmant auszudrücken, mitgewirkt haben.

(...) Die Verleumdungen über meine vermeintliche Vergangenheit im Rotlichtmilieu kamen das erste Mal auf, als Christian noch Ministerpräsident in Niedersachsen war. Und anstatt dass sie irgendwann, wie es Gerüchte zumeist tun, im Sande verliefen, verschärften sie sich nur noch. Als mein Mann zum Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten aufgestellt wurde, nahmen sie plötzlich offensichtlich gezielt zu (...).

Auf dubiosen diversen Internetseiten stand da, dass ich Geld als Escort-Dame verdient hätte. Es gab später Fotos, die eine blonde junge Dame im schwarzen hoch geschlitzten, langen Kleid und mit schwarzer Augenbinde zeigten. Auf anderen Aufnahmen präsentierte sich diese Frau mit einem tief ins Gesicht gezogenen schwarzen Hut und äußerst eifrig wurde in Foren gemutmaßt, inwiefern ich jene "Lady Viktoria" sei. Gesichtszüge wurden verglichen, sogar Muttermale (...).

Obwohl ich mich sonst bestimmt für eine starke Frau halte, die so schnell nichts aus der Bahn wirft, habe ich darüber in den Jahren so viel geheult — ich fragte mich: "Warum? Warum machen die das mit mir? Wer tut mir das an?" Ich weiß, es gibt die Meinung, dass solche Gerüchte doch nicht ohne Grund entstehen, dass da bestimmt irgendetwas dran sein muss, sonst wären sie ja gar nicht aufgetaucht. Wie oft habe ich darüber nachgedacht und keine logische Antwort gefunden.

Ich weiß nur, dass kurz nach der ersten Internetdenunziation Journalisten durch Hannover zogen und in einschlägigen Läden und an bestimmten Orten nachfragten, ob ich dort einmal gearbeitet hätte. Die Presse muss es interessant gefunden haben, dass ich ab Sommer 2000 für rund zwei Jahre in einer Wohnung in der Altstadt von Hannover gewohnt habe, die an das Steintorviertel grenzt. Letzteres ist der Kiez der Stadt, aber auch ein bei jungen Leuten beliebtes Ausgehviertel (...).

Sehr schnell wurde klar, dass dies alles mit meinem Mann zusammenhing. Noch in der Nacht seiner Wahl zum Bundespräsidenten wurden renommierte Journalisten — so haben wir später erfahren — von einflussreichen Personen, darunter sogar auch andere Politiker, angesprochen, ob die Internetveröffentlichungen über mich eigentlich bekannt seien. (...) Mir war klar: Eine First Lady des Landes braucht ein makelloses, ein tadelloses Vorleben. Am allerbesten aber gar keines. Aber ich habe, wie übrigens viele andere normale Frauen auch, ein Vorleben (...).

Es war und ist schon unerträglich, wenn ich nur bei Google meinen Namen eintippe und mir automatisch dazu Begriffe wie "Rotlicht" und "Escort" angeboten werden. (...) Mein Sohn Leander ist nicht mehr so klein und selbstverständlich geht er auch ins Internet, googelt und wenn er dann meinen Namen eingibt und als Erstes solche Begriffe liest und auf solche Seiten kommt, dann finde ich das einfach so etwas von entsetzlich und beschämend. Für dieses Gefühl fehlen mir die Worte.

Natürlich war auch mein Mann schockiert, als diese Gerüchte aufkamen und sich wie ein Lauffeuer verbreiteten. In keiner Minute aber hat er geglaubt, dass daran auch nur ein Fünkchen Wahrheit ist. (...) Er wusste zunächst nicht, wie er damit in seiner öffentlichen Funktion umgehen soll. Müsste man es thematisieren? Müsste man vielleicht direkt in die Offensive gehen?

Wir haben uns dagegen entschlossen. Es hätte dem anonymen Rufmord eine viel zu große Aufmerksamkeit eingeräumt. Erst später, nachdem Mitte Dezember 2011 eine Zeitung und ein bekannter Moderator einer Talkshow im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Netzgerüchte und eine dazu bereits erschienene Passage eines Zeitungsartikels vor Millionen von Zuschauern am Bildschirm verbreitete, äußerte sich mein Mann. Im ARD- und ZDF-Fernsehinterview am 4. Januar 2012 sagt er in einem Nebensatz: "Wenn Sie da sehen, was da über meine Frau alles verbreitet wird an Männerfantasien..." Aber zu dem Zeitpunkt, als das alles aufkam, hat Christian als Politiker das getan, was wir bezüglich des Themas auch für unser Familienleben beschlossen hatten: es auszublenden. Weil es ja "nur" im Internet in irgendwelchen ominösen Blogs diskutiert wurde, glaubten wir nicht, dass diese Sache eine solche Dimension annehmen und eine derartige Ernsthaftigkeit zugeschrieben bekommen würde. Was nicht heißen soll, dass es damit für uns abgehakt war. So etwas kann man nicht abhaken (...).

Ich habe nie als Escort-Lady gearbeitet. Das ist einfach absoluter Quatsch. In meiner Studentenzeit arbeitete ich im Fitnessstudio, kümmerte mich dort um das Marketing. Außerdem stand ich von 1994 bis 1997 in einem kleinen inhabergeführten Weinkontor in Hannover als studentische Verstärkung mindestens zweimal in der Woche (...). Es verwundert und verärgert mich sogar ein Stück weit, dass darüber noch nie etwas geschrieben wurde.

Wortlautauszüge des Kapitels 13: Die Gerüchte, "Jenseits des Protokolls" von Bettina Wulff, Riva-Verlag, 19,99 Euro.

(RP/csi)
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