„Basta-Kanzler“, „Genosse der Bosse“ – mit diesen Namen wurde Gerhard Schröder während seiner Amtszeit als Kanzler (1998-2005) bedacht. Seine enge Freundschaft mit Russlands Präsident Putin und seine Posten in russischen Staatskonzernen – an beiden hält er trotz des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine fest – lässt sein Ansehen schwinden. Wir stellen den SPD-Politiker vor.

Gerhard Fritz Kurt Schröder wurde am 7. April 1944 in Mossenberg/Lippe-Westfalen (NRW) als Sohn des Hilfsarbeiters Fritz Schröder geboren. Sein Vater fällt im Krieg, Schröder lernt ihn nie kennen. In Talle wächst er auf, besucht dort die Volksschule und spielt beim TuS Talle Fußball. Dort erhielt er den Spitznamen „Acker“. Seine Mutter bringt ihn, seine Schwester und drei Halbgeschwistern mit Putzen und Fabrikarbeit durch.

Privates - Der Hannoveraner ist zum fünften Mal verheiratet. Am 2. Mai 2018 ist er in Seoul mit seiner südkoreanischen Frau Soyeon Schröder-Kim die Ehe eingegangen.

Davor war er mit der Bibliothekarin Eva Schubach (1968 bis 1972), mit der Lehrerin Anne Taschenmacher (1972 bis 1983), mit Hiltrud Hensen (1984 bis 1997) und mit der Autorin und Journalistin Doris Köpf (im Bild, 1997 bis 2018) verheiratet. Mit Köpf adoptierte er zwei russische Waisenkinder. Viktoria (* 2002 in Sankt Petersburg; adoptiert 2004) und Gregor (* 2006; adoptiert 2006).

Berufliche Laufbahn - Schröder arbeitet sich hoch. Nach der Volksschule macht er eine Lehre als Einzelhandelskaufmann, arbeitet in einer Eisenwarenhandlung, besucht währenddessen die Abendschule und holt die mittlere Reife nach, dann das Abitur. Studiert Rechtswissenschaften in Göttingen und legt 1971 schließlich sein erstes juristisches Staatsexamen ab. 1976 legt er sein zweites Staatsexamen ab und macht sich zwei Jahre später mit seiner eigenen Anwaltskanzlei selbstständig.

Seine politische Karriere - Helmut Schmidt hatte Schröder in dessen Zeit als Hamburgs Innensenator beeindruckt. Mit 19 Jahren tritt Gerhard in die SPD ein und engagiert sich bei den Jusos. 1978 wird er deren Bundesvorsitzender für zwei Jahre. 1980 gewinnt er bei der Bundestagswahl direkt seinen Wahlkreis Hannover-Land und ist bis 1986 Mitglied des Bundestages.

Erfolg in Niedersachsen - 1986 wird er Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl in Niedersachsen, kann aber trotz Stimmenzuwachs keine Regierungsmehrheit bilden. Vier Jahre später wird die SPD in Niedersachsen die stärkste Partei und Schröder wird Ministerpräsident in einer Rot-Grünen Regierung. Dabei kommt es immer wieder zu Konflikten mit den Grünen. Schröder hält sich nicht an Absprachen mit seinem Koalitionspartner. Bei den Landtagswahlen 1994 und 1998 erringt die SPD die absolute Mehrheit unter Schröder und kann alleine regieren.

Das Bild zeigt den SPD-Politiker (2.v.l.) 1993 bei der Urwahl des SPD-Bundesvorsitzenden. Schröder kandidierte gegen Rudolf Scharping und Heidemarie Wieczorek-Zeul, wobei er zugleich seine Kanzlerkandidatur für 1994 erklärte, unterlag aber Scharping. Von links: Jürgen Büssow, Gerhard Schröder, Heidemarie Wieczorek-Zeul und Rudolf Scharping.

Machtgerangel - 1995 entzieht der SPD-Chef Rudolf Scharping Schröder das Amt als wirtschaftspolitischer Sprecher der Partei, nachdem dieser die SPD-Spitze kritisiert und erklärt hatte, es gehe nicht mehr um sozialdemokratische, sondern um moderne Wirtschaftspolitik. Als Oskar Lafontaine (li.) im November zum neuen Parteivorsitzenden der SPD gewählt wurde, setzt er Schröder erneut als wirtschaftspolitischen Sprecher der Partei ein.

Schröder wird Kanzler - Im März 1998 gewinnt Schröder die Landtagswahlen in Niedersachsen und wird am gleichen Abend von SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering zum Kanzlerkandidaten ausgerufen. Im Oktober gewinnt Schröder die Bundestagswahl.

Nach 16 Jahren endet damit die längste Amtszeit eines Kanzlers in der Bundesrepublik. Gerhard Schröder übernimmt das Kanzleramt von Helmut Kohl (CDU). Das Foto zeigt wie Kohl (li.) seinem Nachfolger gratuliert. Im Hintergrund applaudiert Oskar Lafontaine.

Sein Regierungsstil - Während seiner Amtszeiten in Niedersachsen und als Kanzler errang sich Schröder den Beinamen „Genosse der Bosse“. Der SPD-Politiker suchte die Nähe von Spitzenvertretern der Wirtschaft und wurde deswegen kritisiert. Zu Beginn seiner Kanzlerschaft sagte er in einem Fernsehinterview „natürlich werde er keine Reformen gegen die Wirtschaft“ vornehmen. Bei seiner Sozialreform, der Agenda 2010, suchte er Rat bei VW-Personalvorstand Peter Hartz, der Namensgeber für die sogenannte Hartz IV-Reform wurde.

„Es ist notwendig und wir werden es machen. Basta!“, sagte Gerhard Schröder über die Riesterrente in einer Rede im Jahr 2000 vor einem Kongress der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV). Dieses „Basta“ prägte seine Kanzlerschaft. Er galt als Raufbold, der seine Agenda durchzog.

Mit der „Agenda 2010“ hatte der damalige Kanzler den Kurswechsel der rot-grünen Koalition am 14. März 2003 eingeleitet. Schröder kündigte bei einer Rede im Bundestag unter anderem die kürzere Auszahlung des Arbeitslosengelds I an, die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum neuen Arbeitslosengeld II sowie eine Gesundheitsreform.

Die Krise - In NRW unterliegt 2005 die SPD der CDU nach 39 Jahren an der Spitze und fährt auch in Niedersachsen und Hessen Verluste ein. Zudem gibt es Milliardendefizite im Haushalt und Kritik an der Arbeitsmarktreform wird laut. Schröder sieht seine Politik in Frage gestellt und stellt die Vertrauensfrage. Es kommt zu vorgezogenen Neuwahlen. Angela Merkel löst schließlich Schröder ab. Die Ära Schröder endet.

Freundschaften - Das Verhältnis von Gerhard Schröder zum Unternehmer Carsten Maschmeyer hat viele Fragen aufgeworfen. 2011 wurde nach Recherchen von Stern-Journalisten bekannt, dass Maschmeyer die Rechte an Schröders Biografie für zwei Millionen Euro abgekauft haben soll. Zudem standen Korruptionsvorwürfe im Raum in Bezug auf die Riesterrente, die Schröder auf den Weg brachte und die für die Geschäfte von Maschmeyer von Vorteil waren. Das Bild zeigt Maschmeyer (2.v.r.) mit seiner Ehefrau, der Schauspielerin Veronica Ferres (re.) und Schröder mit seiner damaligen Frau Doris Schröder-Köpf auf seinem 65. Geburtstag.

Enge Freundschaft pflegt der Politiker auch zu Russlands Präsident Wladimir Putin (Foto von 2005).

Der tiefe Fall - Wegen seiner engen Freundschaft mit Putin gerät Schröder nach dem Angriffskrieg von Russland am 24. Februar 2022 immer mehr unter Druck. Er weigert sich, sich von Putin zu distanzieren.

Nacheinander werden ihm Ehrenmitgliedschaften bei Borussia Dortmund und dem Deutschen Fußballbund entzogen. Schröder selber zieht sich im April aus seinem Heimatverein Hannover 96 zurück und kommt damit einem möglichen Ausschluss zuvor. Ebenso verzichtet er auf die Ehrenbürgerschaft der Stadt Hannover und beendet damit ein Verfahren zur Entziehung der Ehrenbürgerschaft.

Das öffentliche Ansehen von Gerhard Schröder schwindet wegen seiner kritiklosen Haltung gegenüber Putin weiter. Es gibt Anträge zum Parteiausschluss . Am 19. Mai 2022 entzieht der Bundestag ihm einen Teil seiner Sonderrechte als früherer Bundeskanzler. Der Haushaltsausschuss beschloss die Abwicklung seines Büros.

Zugleich forderte das Europaparlament EU-Sanktionen gegen den Altkanzler. „Ich mach nicht auf mea culpa. Das ist nicht mein Ding“, sagte Schröder in einem Interview mit der New York Times im April. Er glaube nicht, dass die Befehle für das Massaker von Butscha bei Kiew von Putin gekommen seien. Zudem bekundete er, von seinen Posten bei russischen Energiekonzernen nur zurücktreten zu wollen, wenn der russische Präsident den Gashahn zudrehe. Weiter bereit zeigte sich Schröder, seine Freundschaft zu Putin für neue Vermittlungsversuche zu nutzen.

Auch in Zukunft bekommt Gerhard Schröder kein staatlich finanziertes Büro. Das Berliner Verwaltungsgericht wies eine Klage des Altkanzlers gegen einen Beschluss des Bundestags ab.