Streit um Frauenquote Das Dilemma der Frauen

Düsseldorf (RP). Frauen in Führungspositionen sind rar. Das liegt an altem Denken in den Personalabteilungen, an der schlechten Vereinbarkeit von Kindern und Karriere – und manchmal an den Frauen selbst.

Ursula von der Leyen - EU-Kommissionschefin und siebenfache Mutter
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Das ist Ursula von der Leyen

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Foto: AP/Efrem Lukatsky

Düsseldorf (RP). Frauen in Führungspositionen sind rar. Das liegt an altem Denken in den Personalabteilungen, an der schlechten Vereinbarkeit von Kindern und Karriere — und manchmal an den Frauen selbst.

Deutschland streitet über die Quote. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will, dass die Wirtschaft 30 Prozent ihrer Führungspositionen mit Frauen besetzt. Schaffen die Unternehmen das nicht freiwillig, soll es ihnen ab 2013 vorgeschrieben werden.

Die Wirtschaft lehnt das mehrheitlich ab, die FDP auch. FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger mahnt von der Leyen, erst einmal selbst mit gutem Vorbild voranzugehen. "Alle Staatssekretäre der Frauenministerin Kristina Schröder wie auch der ehemaligen Frauenministerin von der Leyen sind Männer."

Der Streit wird auch deshalb so leidenschaftlich ausgefochten, weil hinter der Debatte um die Quote eine andere, grundlegende Frage steht: Welcher Lebensentwurf ist der "richtige"? Karrierefrau, Teilzeit-Kraft, Vollzeit-Mutter?

Darauf gibt es naturgemäß keine allgemeingültige Antwort, die muss jede Familie für sich finden. Doch die Frage, ob und wie sich Kinder und Karriere vereinbaren lassen, ist zum Knackpunkt geworden. Denn auf anderen Feldern hat Deutschland große Fortschritte gemacht.

Früher mussten Frauen laut Bürgerlichem Gesetzbuch ihre Ehemänner um Erlaubnis bitten, um überhaupt arbeiten zu dürfen. Sie waren vielfach auch nicht gut ausgebildet. Das ist heute anders (siehe Grafik). Mädchen sind besser in der Schule als Jungen, sie stellen 56 Prozent der Abiturienten. Auch unter den Studienabsolventen sind mehr Frauen.

Dann öffnet sich die Schere: Frauen promovieren seltener als Männer, sie erklimmen noch seltener Führungspositionen in der Arbeitswelt. Und nur 3,2 Prozent der Vorstandsposten in den 200 größten deutschen Unternehmen sind laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung mit Frauen besetzt.

Die Frauenbewegung hat dafür lange Zeit einen klaren Feind ausgemacht: Männer, die keine starke Frauen neben oder gar über sich dulden. Männer, die "gläserne Decken" errichten, die Frauen nicht durchstoßen können. Böse Männer, arme Frauen? Das sehen heute selbst "linke" Frauen anders.

Zum Beispiel Bascha Mika, die frühere Chefredakteurin der alternativen Zeitung "taz". Sie vertritt in ihrem Buch "Die Feigheit der Frauen", das in der nächsten Woche erscheint, die These, dass Frauen mit schuld sind an fehlender Karriere: Frauen wollten oft gar nicht nach oben, sie wollten lieber abhängig von ihren Männern bleiben.

"Sich abhängig machen, war schon immer ein weibliches Erfolgsrezept", meint Mika. Zugleich wettert sie gegen "Latte-Macchiato-Mütter", die hier mal ein Projekt machen und da mal eine Übersetzung, das für Arbeit halten und sich wundern, warum der Aufstieg ausbleibt.

In ihrer Polemik steckt ein wahrer Kern. Tatsächlich sind Frauen mit schuld, wenn aus der Karriere nichts wird. Zum Beispiel entscheiden sie sich mehrheitlich nicht für Studiengänge wie Informatik, Ingenieur- oder Naturwissenschaften, die raschen Aufstieg und hohes Gehalt versprechen. Stattdessen wählen sie besonders gerne Erziehungs- und Pflegeberufe, die wertvoll für die Gesellschaft, aber eben schlecht bezahlt und mit wenig Aufstiegschancen verbunden sind.

Immerhin stellen Frauen heute 60 Prozent der Wirtschaftswissenschaftler. Damit kann man es in der Arbeitswelt weit bringen — so lange keine Kinder da sind. Das größte Karriere-Hindernis in Deutschland ist heute die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wie die Frauen selbst in einer aktuellen TNS-Umfrage sagen (Grafik). Solange Frauen kinderlos sind, sind sie ebenso oft erwerbstätig wie Männer und meist auch ebenso erfolgreich. Doch wenn Kinder kommen, ändert sich das.

Wer für Jahre ganz aus dem Beruf aussteigt, um sich der Kindererziehung zu widmen, kann naturgemäß keine Karriere machen. Viele Mütter (und wenige Väter) entscheiden sich daher für Teilzeitarbeit. Doch auch das ist ein Hindernis, wenn in Firmen der Satz gilt: "Karriere wird nach fünf Uhr gemacht".

Vor allem aber ist die unzureichende und unflexible Kinderbetreuung ein Problem. Andere Länder machen vor, wie es besser geht. In Deutschland gibt es laut der Wirtschaftsorganisation OECD nur für zehn Prozent der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze. In Norwegen und Schweden sind es 40 Prozent.

Das dürfte besser als die dortigen gesetzlichen Frauenquoten erklären, warum es in Skandinavien mehr Chefinnen gibt als bei uns. Ähnlich sieht es bei der Versorgung mit Ganztagsschulen aus. Die muss man nicht mögen. Sie machen es Familien aber leichter, in denen Vater und Mutter arbeiten wollen.

Statt sich über eine gesetzliche Frauenquote zu streiten, sollten die Unionsministerinnen für bessere Kinderbetreuung oder die bessere steuerliche Absetzbarkeit von Kinderfrauen sorgen. Das hilft Frauen, die arbeiten wollen, direkt. Und stempelt sie auch nicht zu Mitarbeitern, die einer extra Förderung bedürfen.

(RP)
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